Die Full Tilt Stars sind in Deutschland. PokerOlymp Reporter Sebastian Huppertz hat die Profis getroffen und ihnen ein paar Geheimnisse entlockt. Lesen Sie hier, warum Howard Lederer seiner Schwester Annie Duke doch manchmal böse ist und was Johnny Chan mit der schwersten Entscheidung in Howards Karriere zu tun hat.
Sebastian Huppertz: „Wie gefällt es Ihnen hier in Deutschland?“
Howard Lederer: „Es gefällt mir sehr gut. Deutschland ist ein großes Land und mittlerweile eine sehr pokerverrückte Nation. So etwas wie hier habe ich noch nicht erlebt, soviel Enthusiasmus für den Pokersport. Ich denke jetzt, da Poker immer häufiger auch im Fernsehen zu sehen ist, realisieren die Deutschen, dass zum Pokern mehr gehört als einfach nur die Karten aufzudecken. Und dieses Jahr war ja das bei weitem beste Jahr für die deutschen Spieler bei der World Series.“
Sebastian Huppertz: „Wir haben drei Bracelets gewonnen…“
Howard Lederer: „Ja, Ich denke das war auch erst der Anfang.“
Sebastian Huppertz: „Hoffentlich… Mr. Lederer ich habe gehört, dass Sie ein sehr guter Schachspieler sind?“
Howard Lederer: „Ich bin „okay“ – beinahe ein FIDE-Meister.“
Sebastian Huppertz: „Das ist gar nicht übel… Hat Ihnen das in irgendeiner Form geholfen in Bezug auf Ihr Pokerspiel?“
Howard Lederer: „Das glaube ich eigentlich nicht, vielleicht ein bisschen. Es gibt nicht allzu viele großartige Schachspieler, die sich zu sehr guten Pokerspielern entwickelt haben. Gerade kommt mir da eigentlich nur Walter Browne (Anm. d. Red.: Sechsfacher U.S. Meister im Schach, 2ter beim diesjährigen WSOP $2,500 H.O.R.S.E. Event) in den Sinn. Aber generell gibt es eher wenig Gemeinsamkeiten zwischen Schach und Poker. Ich denke, das hängt damit zusammen, dass es beim Schach den Faktor Glück nicht gibt. Als sehr guter Schachspieler ist man es nicht gewohnt, dass gutes Spiel bestraft wird. Es ist für einen Schachspieler sehr schwierig diese Tatsache zu akzeptieren. Wenn man gute Züge macht, gewinnt man, wenn man schlechte Züge macht, verliert man. Das ist ein großer Unterschied zum Pokern: Hier man taktisch richtige Entscheidungen treffen und trotzdem Pech haben. Oder man spielt wirklich schlecht und hat damit kurzzeitig Erfolg. Kurz gesagt, man bekommt nicht immer sofort ein Feedback auf seine Aktionen und damit ist der Weg ein guter Pokerspieler zu werden auch ein anderer als das beim Schach der Fall ist. Anders sieht es z.B. beim Backgammon aus: Hier gibt es viele Parallelen zu Poker. Als Backgammonspieler muss man mit dem Glücksfaktor umgehen können und demzufolge ist es für diese Leute einfacher ein guter Pokerspieler zu werden. Beispiele gibt es zu Genüge: Gus Hansen ist ein weltklasse Backgammonspieler, Martin De Knijff ist ebenfalls ein sehr guter Spieler. Aber auch Spieler wie Erik Seidel, Jason Lester und Dan Harrington kommen vom Backgammon.“
Sebastian Huppertz: „Sie haben ihrer Schwester Annie dabei geholfen eine weltklasse Pokerspielerin zu werden. Würden Sie sagen, dass Sie jeder x-beliebigen Person zeigen können wie man ein sehr guter Pokerspieler wird? Oder ist ihre Schwester einfach nur so talentiert?“
Howard Lederer: „Ich muss Ihnen bei einer Sache widersprechen – Ich glaube nicht, dass ich meiner Schwester gezeigt habe, wie man ein Weltklassespieler wird. Das hat sie selbst getan – Sie hat es sich selbst zu verdanken, dass sie heute so weit ist. Ich habe ihr lediglich eine Starthilfe gegeben und ihre Entwicklung vom Anfänger zum soliden Spieler beschleunigt. Sicherlich habe ich ihr darüber hinaus noch hier und da helfen können, aber irgendwann kommt der Punkt wo sich ein Spieler alleine weiterentwickeln muss. Könnte ich also aus jedem Spieler einen Top-Spieler machen? – Natürlich nicht! Ich glaube aber, dass ich jeden Spieler zu einem durchschnittlichen Spieler machen könnte, also beispielsweise soweit bringen, dass er ein 5/10 Limit Hold’em Spiel schlägt. Ich garantiere Ihnen hiermit, dass ich auch Sie in kürzester Zeit zu einem passablen Spieler machen kann!“
Sebastian Huppertz: „Vielen Dank! Diese Hilfe nehme ich gerne an! Bereuen Sie eigentlich, dass Sie ihrer Schwester soviel geholfen haben? Ich meine ja nur, sie hat Sie immerhin in einigen Turnieren geschlagen…“
Howard Lederer: „Nein, überhaupt nicht. Obwohl, vielleicht doch für ein paar Minuten nach dem Turnier. Ich würde mich jedenfalls bei Gelegenheit gerne revanchieren – Sie hat mich bei insgesamt vier WSOP Turnieren rausgeschmissen und mir ist das bei einem großen Turnier im Gegenzug noch nie gelungen. Aber offensichtlich ist sie eine sehr gute Spielerin und deshalb kann ich das verkraften…“
Sebastian Huppertz: „Vor ein paar Jahren haben Sie Daniel Negreanu öffentlich kritisiert, weil dieser Ihre Schwester beleidigt hatte. Mittlerweile sollen Sie jedoch mit Daniel befreundet sein. Ist da etwas dran?“
Howard Lederer: „Ich möchte persönliche Dinge eigentlich gerne außen vor lassen. Aber, na ja – Es ist nicht so, dass Daniel und Ich zusammen rumhängen oder ins Kino gehen. Aber die Geschichte von damals ist vorbei und wenn wir zusammen am Pokertisch sitzen ist unser Verhältnis ganz normal. Wir sprechen miteinander und wir respektieren uns.“
Sebastian Huppertz: „Sie werden oftmals auch als „Pokerprofessor“ bezeichnet. Wie kam es eigentlich zu diesem Namen? Ist Ihnen das unangenehm?“
Howard Lederer: „Ursprünglich stammt diese Bezeichnung von Jesse May, dem bekannten Pokerkommentator. Für mich kam das ganz plötzlich! Im Jahr 2000 war ich als Co-Kommentator an seiner Seite tätig und auf einmal stellte er mich als „den Professor“ Lederer vor. Ich war wirklich überrascht, weil mich vorher noch nie jemand so genannt hatte. Dieser Spitzname hat sich dann über die Jahre gefestigt. Ich bin eigentlich überhaupt kein Professor – ich habe noch nicht mal meine Uni zu Ende gebracht! Aber irgendwie ergibt diese Bezeichnung dann doch Sinn, weil ich analytisch und irgendwie auch akademisch an das Spiel herangehe. Zudem macht es mir Spaß, anderen Menschen etwas beizubringen – Ich komme ja aus einer Akademikerfamilie und habe diese Fähigkeit von meinem Vater geerbt. Um ehrlich zu sein, habe ich meinem Spitznamen aber am Anfang nicht wirklich geliebt, aber inzwischen fühle ich mich damit ganz wohl.“
Sebastian Huppertz: „Und es gibt ja auch schlimmere Spitznamen…“
Howard Lederer: „Ja, in der Tat. (lacht)“
Sebastian Huppertz: „Es gibt noch eine andere Sache, die gut zu Ihrem „Professoren-Image“ passt. Sie haben ein ausgeglichenes Gemüt und wenn Sie am Pokertisch sitzen, scheint Sie nichts aus der Ruhe zu bringen. Sogar Badbeats stecken Sie anscheinend ganz gut weg. Warum ist das so?“
Howard Lederer: „Na ja, dahinter steckt viel harte Arbeit. Und überhaupt – ich war nicht immer so ruhig und bin es teilweise auch heute nicht. Ich meine, man will am Tisch ja keine Schwäche zeigen. Ich war schon bei vielen Finaltischen dabei und ich war schon sehr oft im Fernsehen zu sehen. Ich bin das alles gewohnt, ich fühle mich wohl bei dem was ich tue und demzufolge bin ich ruhig und ausgeglichen. Jedoch war das am Anfang meiner Karriere noch ganz anders, ich musste dafür hart arbeiten. Sogar heutzutage lasse ich mich manchmal noch aus der Ruhe bringen – aber ich zeige das dann nicht. Und verstehen Sie mich nicht falsch, wenn ich am Finaltisch sitze und so gelassen bin, als ob ich beim Frühstück meine Zeitung lese, dann ist das natürlich auch nicht gut. Sogar Badbeats sollten ein wenig wehtun, allerdings braucht man die mentale Stärke und die Erfahrung um sich selbst sagen zu können, dass diese Hand einen nicht vom Kurs abbringt. Man darf sein Spiel davon nicht beeinflussen lassen.“
Sebastian Huppertz: „ Haben Sie irgendeinen Poker Tipp für unsere Leser?“
Howard Lederer: (überlegt) „Ich weiß, das hört sich jetzt sehr trivial an, aber – Der beste Tipp, den ich jedem Anfänger geben kann ist: SPIELE TIGHT! Natürlich meine ich nicht tight-weak, sondern tight-aggressive. Das hat mir sehr geholfen, als ich damals mit dem Pokerspielen angefangen habe. Ich meine, Poker ist doch so schon schwierig genug…
Sebastian Huppertz: „Das stimmt wohl. Apropos, was war eigentlich die schwierigste Entscheidung in Ihrer Pokerkarriere?“
Howard Lederer: „Es gab da eine Hand am Anfang meiner Karriere. Ich saß am Finaltisch der World Series of Poker und war gerade einmal 22 Jahre alt. Johnny Chan hatte fast alle Chips und ich war ein wenig short-stacked. Ich hatte ein Paar Dreier auf der Hand und habe am Button geraist – Johnny Chan callt. Dann der Flop: J-9-2 mit zwei Karo. Johnny checkt und ich ebenfalls. Der Turn bringt eine 4 – immer noch 2 Karo auf dem Board und Chan spielt an. Ich wusste, dass ich zu diesem Zeitpunkt das beste Blatt habe und dass er mich aus dem Pot haben will. Zudem war ich überzeugt, dass ich einen Bluff provozieren konnte wenn ich verkaufen könnte, dass ich auf einem Draw bin! Also zählte ich die Chips im Pot und daraufhin meine eigenen Chips und callte. Der River brachte eine zweite 4 auf das Board, was für mich eigentlich eine großartige Karte war. Wie abzusehen war, spielte Johnny dann mit ungefähr 50,000 an, woraufhin ich abermals callte und mit meinem 3er Paar gewann. Es war nicht so, dass ich dachte: Ich bin besser als Johnny Chan. Aber diese Hand hat mir vor Augen geführt, dass ich es mit jedem aufnehmen konnte. Rückblickend betrachtet glaube ich, dass mich dieses Erlebnis wirklich weiter gebracht hat. Es hat mir das Selbstvertrauen gegeben, in dieser Art und Weise gegen die besten Spieler der Welt zu spielen.“
Sebastian Huppertz: „Johnny Chan war ein großartiger Spieler und er ist es ohne Frage auch heute noch. Aber wer ist Ihrer Meinung nach der beste Spieler aller Zeiten?“
Howard Lederer: „Na ja, den besten Spieler gibt es nicht. (überlegt für ein paar Sekunden) Ich glaube, der beste Cashgame Spieler aller Zeiten ist Chip Reese. Jahrzehntelang hat er bei den besten Spielen der Welt Geld gemacht – und nur darum geht es ja beim Cashgame. Er ist außerdem ein unglaublich vielseitiger Spieler. Was No-Limit Hold’em Turniere anbetrifft, ist der beste Spieler ganz klar Stu Ungar, auch wenn er kein besonders guter Cashgame-Spieler war. Wenn Sie mich aber nach den besten Spielern heutzutage fragen – Ich denke, Phil Ivey ist der stärkste Cashgame-Spieler und Phil Hellmuth ist der beste No-Limit Hold’em Turnierspieler.
Sebastian Huppertz: „Was halten Sie denn von den deutschen Spielern? Michael Keiner, Katja Thater, Thomas Bihl? Haben Sie diese Namen überhaupt schon einmal gehört?“
Howard Lederer: „Ich habe sicherlich schon mit ein paar deutschen Spielern gespielt, aber es ist nicht so, dass ich ihre Namen kennen würde… Deutschland steht ja auch gerade erst am Anfang – Ich kann nicht wirklich einen deutschen Spieler nennen und sagen „Oh, wow, dieser Typ ist ein großartiger Spieler.“ Aber davon abgesehen – Ich glaube überhaupt nicht, dass der diesjährige Erfolg der deutschen Spieler ein Zufall war. Deutschland wird sich in den kommenden Jahren als Pokernation etablieren. Davon bin ich überzeugt.
Sebastian Huppertz: „Mr. Lederer, vielen Dank für das Interview!“
Howard Lederer: „Es war mir eine Freude.“
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 29.09.2007.