Full Tilt hat eingeladen. Und alle kamen zur Million Euro Challenge. Nach Hamburg. Die Perle. Wer kennt nicht das berühmte Lied und die Hymne des Spitzenreiters und zukünftigen Meisters der Bundesliga, dem HSV. Auch wenn ihr Bayern das jetzt nicht unbedingt verstehen wollt. Aber über Fußball wollen wir heute nicht reden, das können die Sportredakteure der BILD-Zeitung besser.
Hamburg war an diesem Samstag die Perle des Poker. Halb Deutschland schaute auf Hamburg, die andere Hälfte war sogar da. Anders sind nahezu 800 Meter lange Schlangen schon eine halbe Stunde vor Einlass nicht zu erklären. Alle warteten geduldig und mit einem verklärten Lächeln in den Augen. Volksfest, Woodstock, Love and Peace, Kindergeburtstag, Ponyhof, Weihnachten und Ostern zusammen für alle Pokerenthusiasten.
Näher kann man einer Million Euro, aber auch den Superstars nicht mehr kommen. Selbst als widersprüchliche Gerüchte aufkamen, dass Phil Ivey entweder gar nicht da sein soll, oder angeblich gestern im Casino Esplanade zusammen mit Eddy Scharf gesehen worden ist, auf der Suche nach 500/1000-Mitspielern, gab es kaum lange Gesichter.
Alle anderen Idole, alle anderen Helden dieses unseres Lieblingssports waren ja da.Knistern in der Luft, Vorfreude, die tatsächlich fassbar war. Und in der Tat war jeder Dritte der festen, unerschütterlichen Meinung, das Turnier auch zu gewinnen. Klar, logisch, wer denn sonst?
Wir Journalisten, beziehungsweise auch ich, der sich als Nachwuchsschreiberling versteht, durften in einer kleineren Menschenansammlung einchecken. Um das vorwegzunehmen, auch dieser Aspekt der Veranstaltung war hervorragend organisiert. Alles klappte bis auf die Sekunde und den Millimeter genau. Danke hierfür stellvertretend für das gesamte Team von Avantgarde an Nadja und Ruben. Gut, es gab zwar morgens kein Frühstück im Presseraum, man durfte auch nicht rauchen, aber der Kaffee war heiß und stark.
Gus Hansen in seiner LieblingsrolleUm einen langen Tag kurz zu machen – schließlich möchte ich niemanden mit unwichtigen Dingen langweilen – mein erstes Treffen hatte ich mit Susi. Eine der Gewinnerinnen des Was-soll-ich-Mike-fragen-Contests. Susi aus Mannheim. Apart, hübsch, nett. Aber auch der Mannheimer Dialekt.Nach ein bisschen Fachsimpelei über Poker, Mike und Mannheim und ein paar Frikadellen mit Senf und Kartoffelsalat sowie dem ersten Glas Rotwein begann dann der Arbeitstag.
Zuerst mein Zusammentreffen mit Mike Matusow, dann übergangslos eine Zusammenkunft mit den most sexiest men alive in Pokerbusiness. Sehen eigentlich alle Skandinavier so unverschämt gut aus? Ja, ich hatte das Vergnügen, mich mit Patrik Antonius und mit Gus Hansen zu treffen. Und Gus hatte das Vergnügen, dass ich ihm eine extrem hübsche junge Frau vorgestellt habe. Er war mir wirklich dankbar.
Zwischenzeitlich war der erste Heat schon nahezu beendet. Ab und zu hörte man kollektiven Jubel, wenn jemand aus einer großen Truppe aus Frankfurt an der Oder seinen Tisch gewonnen hatte. Der Traum von der Million wurde etwas realistischer.
Erick Lindgren in bester LauneIch hatte keine Zeit zum Träumen. Musste, durfte zu Erick Sunnyboy Lindgren. Der mich im übrigen für einen „hell good pokerplayer“ hält. Natürlich habe ich ihn in dem Glauben gelassen.Eine halbe Stunde später hatte ich eine Audienz bei Gott. Beziehungsweise seinem Sohn. Jesus. Ferguson.
Was aber im Prinzip beim Poker gleichbedeutend mit Gott ist. Um direkt dem möglicherweise aufkommenden Vorwurf der Blasphemie entgegenzutreten – nein, das bin ich nicht. Ich kann das auch belegen – alle meine drei Hochzeiten habe ich kirchlich gemacht. Mein Sohn ist getauft und ich zahle brav die Kirchensteuer. Und einmal im Jahr bin ich dann auch tatsächlich da.
Wer immer denkt und meint, dass Chris Ferguson ein Lineal verschluckt hat, nur eine Sitzposition kennt und wohl seit Geburt stumm ist und seit Jahren nur über einen einzigen Gesichtsausdruck verfügt, hat Recht. Absolut Recht. Wenn man Chris Ferguson am Pokertisch sieht. Privat und persönlich und abseits des mit überwiegend grünem Filz bezogenen Tisches habe ich selten jemanden erlebt, der so offen, herzlich und vor allem lustig ist.
Eine grandiose und ehrliche Lache. Und das kann nicht nur an meinen Interviewfragen gelegen haben. Von Jesus habe ich mir dann ein paar Tipps geben lassen, wie ich meinen Tisch (Heat 3) terrorisieren und vor allem gewinnen kann. Aber – entweder hat Jesus keine Ahnung von Pokern oder ich habe nicht zugehört. Entsprechend kurz fällt auch der Selbsterfahrungsbericht und die Analyse meines Spiels aus.
Wer hat wen zum Lachen gebracht?Schlechte Karten, schlechte Karten, ganz schlechte Karten. Und die dann auch noch schlecht gespielt. Das kann ich im übrigen extrem gut. Dann lauf ich mit zwei Jungen gegen zwei Asse. Die natürlich halten. Warum eigentlich immer nur bei anderen; ich verliere mit AA gegen jede Hand, bevorzugt gegen so Kracher wie 10 7 off. Drei Hände später war dann für mich im dritten Blindlevel Feierabend.
Als erster durfte ich den Tisch verlassen. Noch früher allerdings hat sich Jan Peter Jachtmann, der am Nachbartisch mit dem Rücken zu mir saß, verabschiedet. Ich weiß jetzt nicht, ob er noch einen Termin oder einfach Pech hatte. Ich persönlich fliege aber lieber als Erster raus. Dann hat man noch was vom Tag. Und ich kam schneller zu meinem Wurstbrötchen und dem mittlerweile dann doch schon fünften Glas Rotwein.
Ich war auch gar nicht traurig. Und es ist auch keine dumme Ausrede, an diesem Tag ging es mir vordergründig auch gar nicht ums Spielen. Ich habe das Zusammentreffen mit vielen interessanten Leuten genossen, ich habe die Atmosphäre und das Event genossen. Und ich glaube, so ging es vielen. Das war das Faszinierendste an diesem Tag.
Auch die früh Ausgeschiedenen hatten nahezu alle ein glückliches Lächeln im Gesicht. Und auch das als Gradmesser für eine gelungene Demonstration, welche Größe und Bedeutung Poker mittlerweile erreicht hat – es gab kaum Bad Beat Stories, die man normalerweise gezwungen ist, sich anzuhören. Danke dafür.
Was mich zugegebenermaßen etwas verwunderte und auch in der Tat etwas enttäuschte – das will und darf ich hinsichtlich journalistischer Sorgfaltspflicht und bei einem solch investigativen Bericht natürlich nicht verschweigen – die Anzahl der skurrilen Sonnenbrillen, der mit-ach-so-lustigen-Pokersprüchen versehenen T-Shirts und der kostümierten Mitspieler war sehr gering. Von den etwa 32 Chris-Ferguson-Doubles einmal abgesehen. Eins davon war sogar eine Frau.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.09.2009.