Montevideo wird die kleine schmutzige Schwester von Buenos Aires genannt. Und wenn man gerade aus Buenos Aires ankommt, dann kann man leicht den Eindruck gewinnen, dies sei auch so. Obwohl ich mich ja ein bisschen in diese Stadt verliebt habe. Denn im Gegensatz zur großen und quasi-europäischen Schwester in Argentinien, ist diese Stadt in Uruguay sehr gemütlich.

Ja, man sollte immer mal einen Blick über die Schulter einbauen, damit man nicht von den Kindern der Schmuddelschwester als Opfer erkannt wird, dennoch hat die Stadt was. Bezüglich des Pokersports ist es dann auch wieder weniger schmutzig und dafür bemüht elegant. Ich werde bald auch über ein kleines und abgeschabtes Casino in der beinahe unmittelbaren Nachbarschaft, in Asunción in Paraguay, schreiben, das nun wahrlich aussieht, als hätte man es vergessen.
Doch hier in Montevideo liegt jenes Casino, welches ich besuchte, in der Mitte der Stadt, am belebtesten Platz, im Radisson Hotel. Mit Blinds von 100 und 200 Peso, was gut drei und sechs Euro entspricht, spielt man gegen eine illustre Mischung aus Touristen und Einheimischen. Der Mindesteinsatz beträgt 2.000 Peso, also ungefähr 64 Euro.
Als ich da war, gab es vier mögliche Tische, von denen aber nur einer besetzt war. Es war ein ruhiges und überlegtes Spiel. Tischsprache ist, wie überall in Südamerika, Spanisch und man kann nicht davon ausgehen, dass die Dealer Englisch können. Und hier kommen wir eben zu den Begebenheiten, die ich auf meiner Weltreise so an den Pokertischen dieser Erde geliebt habe. Denn wenn man um eher geringe Einsätze spielt, und ich habe dort keinen Pot über 100 Euro erlebt, sind es die amüsanten Begebenheiten, die das Spielen so wunderbar machen.

Quelle: carstenweidling.de
An meinem Tisch saßen vier Spieler aus Montevideo, zwei aus Argentinien, einer aus Russland, einer aus den USA, ein Franzose und ich. Von den Muttersprachlern abgesehen konnte keiner von uns zwei Sätze Spanisch unfallfrei sprechen. Und dem Englischen waren zumindest der Russe und die Südamerikaner kaum mächtig. Es war zu göttlich, wie wir uns über unser Leben, über Uruguay und unsere Pokererfahrungen verständigt haben. Nach viel Rotwein und Gin Tonic wurde es nicht besser, aber lustiger. Und dass dann noch die äußerst charmante Kellnerin in gleich fünf Sprachen angebaggert wurde, machte den Kampf um die Pötte endgültig zur Nebensache.
Meine Lieblingssituation in Montevideo war Folgende: der Russe, der Franzose, ich und Miguel aus Montevideo schlugen uns, ein wirklich weltweites Phänomen, unsere schlimmsten Bad Beats um die Ohren. Miguel hat sich dabei so sehr in eine nicht mehr zu identifizierende Englisch-Spanische Sprache verrannt, dass wir zum Schluss den Tisch gestoppt haben, die charmante Kellnerin Josefa Zettel und Stift bringen musste und uns Miguel geschlagene 10 Minuten aufmalte(!), was ihm bei einem Turnier in Buenos Aires passiert war. Letztlich natürlich das, was wir alle an jeder Casinobar hören. Irgendein „ojo de culo“, ein „un cero a la izquierdo“ und nicht zu vergessen ein „debilucho patas de zancudo“ hatten ihn wohl gecallt, obwohl er doch….. Bla Bla wie immer.
Und während Pascal aus Lion und ich uns die spanischen Schimpfnamen zu merken versuchten und dafür ebenfalls zettel von Josefa benötigten, kamen die Kollegen aus St.-Petersburg und Ohio in einen kleinen Streit, ob die farbenfrohe Beschwerde von Miguel gerechtfertigt sei.
Ehrlich, ich habe es geliebt und muss heute noch lachen, wenn ich über diesen weltumspannenden und sehr amüsanten Unsinn nachdenke. Und ehrlich, so etwas geht nur beim Pokern. Beim Fußball komm ich nicht zum reden und beim Black Jack bin ich zu schnell pleite für derartige sinnfreie Poker- und Lebensphilosophie. Alles in allem: Ein hübsches kleines Casino mit einem netten Spielchen zum Tagesausklang. Und wenn Sie da mal hinkommen sollten: grüßen Sie bitte Josefa von mir.
Euer Carsten Weidling on Tour
Wer mehr über Carsten und seine Weltreise erfahren möchte, kann gern auf www.carstenweidling.de nachlesen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 19.11.2009.