Wenn Sie in Argentinien und dann besonders in Buenos Aires sind, wird Ihnen als erstes an den Menschen auffallen, dass sie den Tango im Blut haben. Und das heißt nicht, dass sie die Musik und den Tanz nur lieben, nein, sie haben es im Blut.
Ich habe noch nie so viele melancholische Gesichter gesehen wie in Buenos Aires. Und ich werde von melancholischen Gesichtern in Deutschland auch nicht gerade verschont. Doch hier trägt man gern die Schwermut in den Augen, lässt seine Gesichtszüge durch das Gewicht des Lebens Newton folgen, und man ist als Besucher ganztägig davon überzeugt, gleich wird dir ein Fremder sein Leben auf dein Hemd weinen.
Dabei ist Buenos Aires wunderschön, besonders in San Telmo habe ich mich sehr verliebt. Denn im Gegensatz zu Rio de Janeiro beispielsweise werden hier die Musik und eben auch die damit verbundene Stimmung gelebt. Sie hören überall Tangomusik und sehen überall Tangotänzer, während man in Rio suchen muss, um Salsa und Samba zu entdecken.
So habe ich mich also gefragt, wie wohl dieser – der Depression nicht abgeneigte – Mensch am Pokertisch sein wird. Beginnt er einen tieftraurigen Tango vor sich hin zu summen, wenn er mal wieder AA verloren hat? Und wie lange dauert es, bis ein Spieler mit Bad-Beat-Abonnement die Gitarre rausholt, um sich schließlich vom Tisch zu klampfen?
Also habe ich das Casino gesucht und auch gefunden. Ich glaube, es gibt nur eins in Buenos Aires und das liegt auch noch auf dem Wasser. Das Casino befindet sich auf einem großen (eigentlich sind es sogar zwei) Schiff, relativ zentral in der Stadt. Dieses Schiff sieht aus als hätte es gerade aus Las Vegas kommend angelegt. Es ist, als wäre es als Gegenmodel zum immer traurigen Argentinier gebaut worden. Als Zeichen dafür, dass Leben auch bunt und nicht bloß tango sein kann.
“In the Street Café”Quelle: carstenweidling.de
So kam ich also über einen gigantischen Parkplatz zum Schiff und versank gleich bis zu den Ohrläppchen im Plüsch. Kleinere Spieler finden sich vielleicht nie wieder aus den Teppichen heraus. Und natürlich darf auch wieder das ganze Messing nicht fehlen, was bei mir immer so einen Nachgeschmack von „betreutem Wohnen“ hinterlässt. Aber wie gesagt, vielleicht brauchen das die Puertenos aber wirklich, damit sie sich nicht gleich über die Reling stürzen und mit einer weinerlichen Melodie auf den Lippen einem durch einen Suck-out vernichteten Leben das verdiente Ende bereiten.
Aber nein, es wird fröhlich gespielt und die andere Seite Argentiniens, die Lebensfreude wird rausgelassen. Man spielt in den meisten Teilen des Casinos natürlich mit Argentinischen Pesos, aber es gibt auch einen Casinoteil, in dem man mit US-Dollars spielen kann.
Beim Pokern gibt es etwas zu beobachten, was mich dazu gebracht hat, sehr wenig zu spielen. Es wird ohne Blinds, aber dafür mit Ante gespielt. Das hatte ich schon mal gesehen und bestimmt mögen das manche, ich aber nicht. Denn das bedeutet, man ist in jedem Pot und die Phantasie der pokernden Massen ergibt ein Spiel, wie ich es nicht mag.
Bunte Farben trotzen der Melancholie der StadtQuelle: carstenweidling.de
Nun gut, wie alles in meinen Berichten so ist auch das sehr subjektiv. Vielleicht tue ich dem auch unrecht. Für die, die es mögen: 25 Pesos Ante, was 5 Euro sind, haben in jeder Hand in den Pot zu wandern. Andererseits ist es ein sehr professionelles Casino und man sollte es mal besucht haben.
Und auch hier merkt man mal wieder, wie welche Stadt welche Spieler anzieht oder auch hervorbringt. Hat man in den kleinen Casinos von Asunsión und Montevideo mehr die lockeren Spaßspieler am Tisch, die nicht viel rechnen und recht unbekümmert einem Feierabendpoker frönen, so saßen hier eher die Spieler rum, die einige Bücher gelesen hatten, viel zu rechnen schienen. Und auch Sonnenbrillen und anderes Pokernebenutensil tauchten hier wieder auf, die in den beiden angesprochenen Städten und auch in Lima/Peru nicht zu sehen waren.
Was ist hier mein Fazit? Für mich ist Buenos Aires eine der schönsten Städte der Welt und die Menschen sind faszinierend. Man kann so viel erleben in dieser Stadt, dass es wahrlich nicht schlimm ist, wenn der Casinobesuch nur einer kurzer Abstecher ist, der nur der Vollständigkeit dient.
Euer Carsten Weidling on Tour
Wer mehr über Carsten und seine Weltreise erfahren möchte, kann gern auf www.carstenweidling.de nachlesen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.12.2009.