Seit Ende Mai 2008 ist der Pokerfloor der Spielbank Berlin am Potsdamer Platz in Betrieb. Die Nachfrage nach Turnieren und Cashgames ist unverändert sehr hoch. So hoch, dass der Pokerfloor trotz Aufstockung nahezu täglich an der Kapazitätsgrenze arbeitet. Dieses erfreuliche Ergebnis gibt Anlass, nach dem ersten Bericht eine erneute Bilanz zu ziehen.

Was hat sich getan in der Zwischenzeit, was läuft gut, wo gibt es Verbesserungspotenzial?
Erfreuliches:
Der Pokerfloor Berlin hat die Pokerszene der Hauptstadt „im Sturm genommen“. Nach dem Start mit fünf Tischen sind jetzt acht Tische aufgestellt. Die Spielmöglichkeiten werden sehr gut angenommen, häufig ist die Nachfrage sogar größer als das Angebot. Insbesondere die täglichen Turniere mit Buy-Ins von €20 (Rebuys) über €50 (Freezeout) bis €120 (Double-Chance) sind fast immer ausverkauft, d.h. die sechs Turniertische sind mit jeweils zehn oder elf Spielern voll besetzt. Es gibt täglich Cashgames mit Limits 1/2 oder 2/4, 5/10 und oft das „Big Game“ 10/20 Pot Limit Omaha, wo vor dem Flop nicht selten vierstellige Eurobeträge im Pot liegen (und die erste Ziffer selten eine 1 ist). Sobald Turniertische frei werden, werden Sie für das Cashgame vorbereitet und füllen sich unmittelbar. Zumindest an den Wochenenden sind oft sämtliche Tische bis um 03:00Uhr morgens besetzt. Diese erfreuliche Entwicklung hat einen „Drainageeffekt“ bei den illegalen Kartenclubs der Hauptstadt bewirkt, der durchaus erwünscht ist. Sie sind im Laufe der letzten Jahre wie die Pilze aus dem Boden geschossen und haben dabei ihre Aktivitäten mit einer Dreistigkeit beworben, dass sich viele Leute gefragt haben, warum die Behörden nicht gegen diesen Wildwuchs einschreiten.
Die Zeichen stehen weiter auf Expansion. Die Spielbank suchte schon zweimal per Zeitungsannonce nach erfahrenen Pokerdealern und plant einen weiteren vierwöchigen Ausbildungskurs für neue Nachwuchskräfte. Laut Information eines Floorman sind im Casino insgesamt 17 Pokertische vorrätig, zu den bereits aufgebauten 8 Tischen könnten also – wenn entsprechender Platz geschaffen wird und die Nachfrage weiter so gut bleibt – weitere neun Tische hinzukommen.
Die Tische selbst sind eine Augenweide. Sie bieten bis zu elf Spielern Platz (dann wird es allerdings eng). Bespannt sind sie durchgängig mit edlem magentarotem Tuch mit Pokerfloor-Logo und -Design und weißer Bettingline. Alle Tische sind mit Kartenmischmaschinen ausgerüstet. Auch diese erheblichen Investitionen weisen auf die Ernsthaftigkeit und die unbedingte Bereitschaft der Betreiber hin, den Pokerfloor als hochwertige Pokerlokation zu etablieren.
Die Rake beim Cashgame wurde etwas reduziert. In den ersten Wochen wurde massiv kritisiert, dass bei den kleineren Limits mit 10 % zu brutal gerakt wurde. Zwar galt „no Flop no Drop“, aber sobald ein Flop gelegt war und es nur zu einem durchgecheckten Mini-Pot von sechs Euro kam, wurde daraus noch Taxe abgezogen. Mittlerweile beträgt die Rake €2 bei Pötten bis zu €49, €4 bei Pötten von €50 bis €99 und €10 sobald €100 überschritten werden.
Verbesserungspotenzial
Die hohe Nachfrage führt dazu, dass sich täglich sehr lange Warteschlangen bilden. Die Turniere beginnen um 19:30Uhr, das Check-In ist erst ab 19:00Uhr möglich. Ab ca. 17:45Uhr beginnt eine Warteschlange von Spielwilligen zu wachsen, die vor Unzufriedenheit nur so vibriert. „Warum muss ich hier warten, anstatt ein Sit-and-Go spielen zu können?“ lautet beispielsweise eine häufige Frage der wartenden Spieler. Anfangs bestand sogar die Möglichkeit, dass man für Freunde und Bekannte mitbezahlen konnte. So kam es mehrfach vor, dass eine Menge Gäste über eine Stunde geduldig gewartet hatten, dann aber drei Meter vor dem Ziel (Check-In-Schalter) erfahren mussten, dass das Turnier ausverkauft war, weil einige Leute Ihre Freunde gleich im Dutzend mit angemeldet hatten. Es kommt ständig zu Streitereien unter den Gästen, weil der Eindruck entsteht, es drängeln sich Leute vor. Ein kurzes Schwätzchen mit dem Kumpel fünf Meter vorn in der Schlange und schwupp! – schon ist man dem Ziel näher. Diese Problematik wurde bisher nur halbherzig angegangen. Die Anmeldung für andere ist jetzt nicht mehr möglich und zeitweise wurde ein Security-Mitarbeiter abgestellt, um für Disziplin unter den Wartenden zu sorgen. Kundenorientierung sollte heute allerdings etwas anders aussehen. Die Wartenden sind zunächst einmal Kunden, die bereit sind Geld auszugeben. Während sie warten, ist das kaum möglich, sie sorgen weder für Umsatz an der Bar, noch spielen sie. Es gäbe reichlich organisatorische Möglichkeiten, hier Abhilfe zu schaffen. Die Spielbank vertritt die Ansicht, man würde die Warteschlangen dadurch nur zeitlich und örtlich verlagern, im Extremfall würden diejenigen, die es einrichten können, eben um 15:00 Uhr eine Schlange vor der Eingangstür bilden, bevor die Spielbank öffnet. Bisher wird von Seiten der Spielbank immer nur auf die geplante Möglichkeit der Online-Registrierung hingewiesen. Und damit sind wir beim nächsten Kritikpunkt.
Die Website www.pokerfloor.de ist nach wie vor nur ein Provisorium. Sie listet lediglich die täglichen Turnierzeiten und Buy-Ins und weist kurz auf die Cashgame-Möglichkeit hin. Bei der angegebenen Telefonnummer meldet sich ein treuer Anrufbeantworter, der zwar Nachrichten aufzeichnet, allerdings sonst nichts weiter bewirkt. Online-Anmeldung, Informationsaustausch per E-Mail, die simpelsten Möglichkeiten moderner Informationstechnologie sind noch nicht realisiert.
Bei den Cashgames wird immer noch mit Roulettejetons gespielt. Besonders die kleinen Werte (1, 2, 5 Euro) sind im wörtlichen Sinne so winzig, dass sie sich nur schwierig stapeln lassen bzw. dass die Stapel dauernd umkippen. Das führt bei vielen Spielern zu einer gewissen Lässigkeit. Sie stapeln nicht, sondern häufen die Chips ungeordnet vor sich auf. Wie wichtig die Kenntnis über den Chipstack eines Gegners in bestimmten Situationen sein kann, muss hier nicht näher erklärt werden. Diese Praxis führt dann eventuell zu Zeitverlusten, weil gezählt werden muss. Zeitverluste, die den Zeitgewinn durch Mischmaschinen zumindest teilweise wieder aufheben. Doch es heißt schon länger, es seien Pokerchips für das Cashgame bestellt.
Fazit:
Die Inbetriebnahme des Pokerfloor war und ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Von Genehmigungsverfahren über die Rekrutierung und Ausbildung neuer Mitarbeiter, der Anschaffung des Equipments und der Organisation des Turnier- und Cashgamebetriebes wurde viel geleistet. Eine Leistung, die optisch deutlich wird, wenn man den Pokerfloor betritt. Das Angebot wird begeistert aufgenommen, sogar das mehr oder weniger geduldige Warten in der Schlange wird zähneknirschend verschmerzt.
Wo es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt, ist angesprochen worden. Bisher kann man dem Management zugestehen, immer ein offenes Ohr für die Wünsche der Gäste zu haben. Allein – die Umsetzungsgeschwindigkeit könnte erhöht werden.
Rainer Gottlieb
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 22.07.2008.