Im September gehen die ESPN-Übertragungen der WSOP 2015 endlich los und wir freuen uns schon auf das berühmt-berüchtigte Moderatoren-Duo Norman Chad und Lon McEachern. Remko von Pokernews hat ein interessantes und fast 80-minütiges Interview mit Norman Chad geführt, in dem er über seine Anfangszeit als Poker-Kommentator und vieles mehr spricht.Von Norman Chad stammt übrigens der viel zitierte Satz zum Moneymaker-Sieg 2003: “This is beyond fairytale – it’s inconceivable.”
"Heute ist das, was ich sage, zu 80 Prozent geskriptet"
Zunächst überrascht Chad mit der Feststellung, dass bei den WSOP-Sendungen bei ESPN doch nicht alles so spontan ist, wie es klingt:
"Heute ist das, was ich sage, zu 80 Prozent geskriptet. Vor allem, weil die Sendungen so oft wiederholt werden. Wenn ich einmal etwas sage, sage ich es im Grunde tausende Male. Wenn ich also etwas Dummes sage, dann eben 2.000 Mal…"
Zur Strategie-Diskussion sagte Chad: "Ich interessiere mich nicht so für Strategie, mir geht es eher um die Menschen und die Geschichten, den Entertainment-Faktor. Der Casual-Viewer interessiert sich nicht sonderlich für Dinge wie Odds und Outs, er will unterhalten werden. Die wollen die Persönlichkeiten sehen, sie wollen die Chips am Tisch wandern sehen, die Konflikte.
Man grenzt die Freizeitspieler mit zu viel Gerede über Strategie aus. Genau wie Spieler am Tisch nicht von Profis über Taktik belehrt werden wollen, wollen die Zuschauer auch nicht zu viel Strategie in der Sendung. Sonst schalten sie eben um."
"Dann habe ich gemerkt, dass der Cardroom einer der großartigsten Dinge in Amerika ist"
Zu seinen persönlichen Anfängen beim Poker: "Bis Anfang der 90er Jahre habe ich nie einen Cardroom betreten. Dann habe ich realisiert, dass der Cardroom einer der großartigsten Dinge in Amerika ist, viel besser als eine Bibliothek. Man kann nicht in eine Bibliothek hineingehen und mit mehr Geld als vorher herauskommen. Es ist wie ein Anti-Countryclub. Countryclubs sind exklusiv, Cardrooms sind inklusiv. In Cardrooms trifft Du auch viele interessante Leute, die gerade eine Krise durchmachen etc."
"Innerhalb einer halben Stunde genug Passivrauch eingeatmet, um John Wayne vier Mal umzubringen"
Chad ist auch froh, dass beim Poker nicht mehr so viel geraucht wird, auch wenn die Atmosphäre dabei ein wenig auf der Strecke bleibt:
"Vor dem Bann der Zigaretten hatte man beim Poker innerhalb einer halben Stunde genug Passivrauch eingeatmet, um John Wayne vier Mal umzubringen. Stell Dir vor, im Amazon Room würde geraucht. Einige Sachen sind besser geworden, andere schlechter, das ist jetzt eindeutig besser."
Zu seiner ersten WSOP: "Ich erinnere mich bei meiner ersten WSOP an drei Sachen: Ich dachte zuerst, wir machen etwas live im Turniersaal, es wird aber alles hinterher gemacht. Zweitens, die Leute im Turniersaal. Die Leute beim Pferderennen und beim Boxen sind ja schon irre, beim Poker ist das aber nochmal krasser. Drittens habe ich direkt am Anfang Leute von der Produktion darüber reden hören, wer mich nächstes Jahr ersetzen soll, da sie noch keinen echten Profi hätten. Ein hartes Business also."
"Ich dachte, es wäre besser, wenn Sam Farha gewinnt"
Chad hat auch Erstaunliches über den Moneymaker-Sieg zu berichten, der 2003 bekanntlich den Pokerboom auslöste:
"Als Moneymaker 2003 gewann, hatte ich keine Ahnung, dass es besser für Poker ist, dass er gewinnt. Ich dachte, es wäre besser, Sam Farha hätte gewonnen, der Humphrey-Bogart-Typ mit hängender Kippe. Ein Typ gewinnt, der noch nie dabei war - ich dachte das sei eher lächerlich und würde Poker wie ein dummes Würfelspiel dastehen lassen. Ich lag so falsch wie noch nie in meinem Leben, es war im Endeffekt natürlich besser, dass Moneymaker gewonnen hat."
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 04.08.2015.