Lange wurde darüber geredet. Mehrmals wurde die Eröffnung verschoben. Während die Welt seit Jahren im Pokerfieber erzitterte, ignorierte das staatlich monopolisierte Spielkasino von Montreal den Trend und überließ das Geschäft den (illegalen) Clubs. Doch nun, am 18. Januar, war es endlich so weit. Nun wird auch im Casino Montreal gepokert. Allerdings, auf elektronischen Tischen.
Warum man sich für diese Art von Tischen entschieden hat, ist nicht wirklich offensichtlich. Die offizielle Stellungnahme lautet, dass die, dem provinzeigenen Casino von der Provinz Quebec ausgestellte, Lizenz nur für Spiele gegen das Haus gelte und somit Poker ebenso wie Baccarat Chemin-de-Fer ausschließe. Ich würde sagen, das klingt eher nach einer Ausrede. Der wahre Grund liegt vermutlich darin, dass auf elektronischen Tischen schneller gespielt wird, die Rake somit rascher fließt, und dazu noch die Personalkosten für die Dealer wegfallen.
Die Gewerkschaft der Casinoangestellten protestiert jedenfalls, da sich eines der Argumente bei der Eröffnung des Casinos, vor etwa zwölf Jahren, auf die Arbeitsplatzbeschaffung bezog.
Wie spielt es sich an so einem elektronischen Tisch? Erinnert es nicht mehr an Online-Poker als an Live-Games? Verliert das Spiel, neben der gewohnten Atmosphäre, auch an Dynamik? Phil Laak, der Kapuzenmann, stellt sich jedenfalls für Werbung zur Verfügung und bezeichnet die elektronischen Tische als das Pokerspiel der Zukunft.
Von der Tiefgarage bis zum Poker-Room ist es ein weiter Weg. Zuerst im Aufzug, dann über mehrere Rolltreppen, ein paar hundert Meter Spaziergang zwischen lästig klingelnden Spielautomaten, alles in allem nimmt dieser Weg gut zehn Minuten in Anspruch. Der ganze Raum, in dem sich 25 Pokertische befinden, Bar, Empfangs- und Wechselschalter, ist sehr dunkel gehalten, was das Tragen von Sonnenbrillen praktisch ausschließt. Schließlich leuchten die Karten grell auf den Bildschirmen.
SpielerkarteZuerst lässt man sich ein Kärtchen, im Format einer Kreditkarte ausstellen, die auf einen beliebigen Alias lautet. Damit begibt man sich zur Kassa und lädt sie mit Geld. Nicht beim Floorman meldet man sich fürs Spiel an, sondern, mit diesem Kärtchen, an einem Computer. Gespielt wird nur Hold’em. Die Einsatzhöhe hängt vom Publikum ab. Sobald sich zumindest sieben oder acht Spieler für einen Tisch, etwa No-Limit 25/50, angemeldet haben, wird dieser eröffnet. Die Mehrzahl der Gäste spielt aber eher No-Limit 1/2 oder Fixed-Limit 3/6.
Und dazu gibt es regelmäßig Sit&Gos. $ 60 + 15, $ 100 + 15, $ 200 + 25 und $ 500 + 50. Diesbezüglich wirkt sich das Profitstreben des Casinos aber nicht unbedingt positiv aus. Die Blinds steigen alle zehn Minuten! Schließlich soll das Turnier so rasch als möglich vorbei sein, um neue Hausgebühr einzuspielen.
Die Rake am Cash-Tisch ist fair. Auf den niedrigen Limits mögen die 10 Prozent zwar schmerzhaft – und kaum aufholbar – sein, doch beträgt das Cap 5 Dollar. Verglichen mit den privaten Clubs, wo es bis zu 20 Dollar pro Pot kostet, spart der Spieler, langfristig, eine ganze Menge Geld.
Die Funktionen am Touch-Screen sind einfach zu bedienen. Aber, bei den ersten Versuchen stellen sich doch gelegentlich teure Fehler ein. Drückt man auf „Fold“, erscheint ein neues Fenster in grellem Rot: „Confirm Fold“. Erst nach einem Druck darauf, ist die Aktion gesetzt.
PokerTekAber, am Anfang passieren Fehler doch recht leicht und auch häufig. Berührt man nach „Fold“, unabsichtlich und unbemerkt, das Fenster „All-in“, dann ändert sich der Text im roten Fensterchen auf „Confirm All-in“. Und wie schnell berührt der Daumen dieses Feld, mehr auf die übliche Farbe als auf den Text achtend! Dann hängt es ausschließlich von der Kulanz der Gegner ab, diesen Irrtum zu respektieren, zu folden und davor geleistete Bets vom Gewinner des Pots in bar zu kassieren.
Die Kommunikation unter den Spielern mag etwas zaghafter von statten gehen, als wenn verbale Ankündigungen von Nöten sind. Wer sich aber gerne am Pokertisch unterhält, ob der Kurzweil oder der besseren Analyse wegen, der kann seine Gegenspieler leicht dazu motivieren. Zieht es ein Spieler aber vor, wortkarg und zurückgezogen das Geschehen schweigend zu beobachten, so steht auch dem nichts im Wege.
Manche Tells mögen ohne Karten und ohne Chips verloren gehen. Wer über entsprechende Beobachtungsgabe verfügt, wird aber bald andere entdecken, z. B. Veränderungen in der Haltung der Hand, die am Monitor ruht.
Alles in allem, möchte ich sagen, dass ich, nach meinen ersten Versuchen am elektronischen Tisch, durchaus positiv überrascht bin. (Und PokerTek, die Herstellerfirma, bezahlt mich keineswegs dafür, dass ich so schreibe!) Von der etwas gewöhnungsbedürftigen unpersönlichen Anmeldung für den Tisch, ohne Floorman, abgesehen, sobald man sich mit den wenigen technischen Funktionen des Monitors angefreundet hat, lässt sich wirklich sehr rasch vergessen, dass man an einem neuen technischen Spielzeug sitzt, anstatt an einem richtigen Pokertisch.
Wie lange wird es dann dauern, bis die „WSOEP“ ins Leben gerufen sein wird, die „World Series of Electronic Poker“? Na ja, wenn man sich bei einem ordentlichen Turniersieg das Trinkgeld für die Dealer spart, dann kann man sich damit locker ein neues Auto kaufen.
Alex Lauzon
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.02.2008.