Gestern berichteten wir über die spektakuläre Hand zwischen Tom Dwan und Phil Ivey, zu der es in der letzten Episode der amerikanischen Pokershow High Stakes Poker gekommen war und die mittlerweile auf youtube und pokertube auch in bewegten Bildern zu sehen ist.
Unter den weltweiten Pokerfans löste dieses ohnehin brisante Duell großteils Verzückung aus, hinterließ bei vielen aber auch einige Fragezeichen. Grund für uns, sich diese Hand, in der es letztlich um einen Pot mit 678.000 Dollar ging, noch einmal genauer anzusehen.
Vor dem Flop raist Phil Laak mit Ax 9x auf 3.900 $ und Eli Elezra mit A 7 , Phil Ivey mit A 6 und Daniel Negreanu im Small Blind mit J 5 callen. Nun startet Tom Dwan im Big Blind ein Squeeze Play auf 28.000 $ und hält dabei 9 8 . Vom Button wäre dies fast ein Standard-Manöver, doch im Big Blind wird Dwan während der gesamten Hand keine Position haben, falls ein oder mehrere Gegner callt/callen. Trifft er den Flop jedoch gut, ist seine Hand aufgrund seines unorthodoxen Spielzugs gut verschleiert. Gleichzeitig repräsentiert Dwan mit diesem Move natürlich eine Hand wie AA, KK, QQ, JJ oder AK und kann nach dem Flop entsprechend fortsetzen. Alle Spieler folden, nur Phil Ivey callt.
Der Flop mit 70.700 $ im Pot bringt K Q 10 und Dwan nutzt mit einer Bet von 45.800 $ die Gelegenheit, um Ivey seine vorgeblich starke Hand mit dem oben genannten Spektrum weiter zu verklickern. Außerdem kann Dwan davon ausgehen, dass Ivey keine allzu starke Hand und vielleicht ein niedriges Paar hat, sonst hätte er nach Raise Laak und Call Elezra kaum ebenfalls nur gecallt. Ivey hat den Nut Flush Draw und einen Gutshot zur Nut Straight getroffen, d.h. er hat etwa 12 Outs (die Asse kann er kaum als Outs sehen und da sich einige Outs in der Range von Dwan befinden, muss er diese evtl. leicht diskontieren) und somit eine Wahrscheinlichkeit von 45 %, bis zum River die Nuts zu treffen (wobei hier die Redraws nicht berücksichtigt sind, wenn sich das Board paart). Soll er raisen oder callen? Da er Dwan eine sehr starke Hand zutrauen muss, hat ein Raise den Nachteil, dass Dwan ihn bei extrem großen Stacks All-In setzen könnte, worauf Ivey Pot-Committed wäre und nicht wüsste, wie viele Outs er tatsächlich hat (etwa wenn Dwan J Jx hält oder noch schlimmer Ax J hat). Mit einem Call behält Ivey die Kontrolle über die Hand und hat auch in beiden nächsten Setzrunden Position. Ivey callt nach längerem Nachdenken.
Der Turn bringt die 3 und es sind mittlerweile 162.300 $ im Pot. Aus Dwans Perspektive spricht einiges dafür, dass Ivey einen oder mehrere Draws (plus vielleicht ein Paar) hält, die allesamt nicht ankamen, während er die niedrigen Paare nun ausschließen kann. Er spielt weitere 123.200 $ an und repräsentiert damit erneut ein Monster, das er gegen Iveys mutmaßlichen Draw schützen muss. Iveys Gewinnchancen sind bei weiterhin 12 Outs auf 25,8 % gesunken, d.h. er ist 2,9 zu 1 Außenseiter, seine Hand zu komplettieren. Gleichzeitig bekommt er Pot Odds von 2,3 zu 1 – diese reichen für einen Call aus, da er sich angesichts der Größe des Pots gute Implied Odds geben kann, wenn er seine Hand auf dem River trifft. Ein Raise kommt dagegen auf dem Turn nicht mehr in Frage – es sei denn, er wüsste, dass Dwan eiskalt bluffte. Ivey callt.
Mit 408.700 $ geht es auf den River, der die 6 bringt. Eine gute Karte für Dwan, da kein Draw ankam und er die Hand aus seiner Sicht ohnehin nur mit einem Bluff gewinnen kann. (Zwar brächten ihm eine Neun bzw. Acht die beste Hand, doch das kann er kaum ahnen.) Folgerichtig zieht er seinen Triple-Barrel-Bluff durch und setzt weitere 268.200 $. Nun folgt der Höhepunkt der Hand und eine eindrucksvolle Demonstration der enormen Qualitäten von Phil Ivey und seines fantastischen Gespürs. Sicher, für jeden normalen Freizeitspieler ist dies ein klarer Fold, doch lohnt es sich, sich in die Gedankenwelt von Phil Ivey einzuarbeiten, der geschlagene 3 Minuten an einem Call überlegte. Seine Draws sind allesamt geplatzt, doch kann seine Hand mit einem Paar Sechsen einen Bluff schlagen. Dwan ist alles zuzutrauen, das weiß Ivey, und er könnte in allen Setzrunden geblufft oder semi-geblufft und wie er gedrawt haben. Neben den sehr starken Händen wie Sets oder Two Pair, mit denen Dwan in allen Setzrunden Value Bets brachte, gibt es auch Hände wie etwa J 8 oder andere Hände mit zwei Karos, die auf allen Straßen Druck machen konnten. Hinzu kommen die kompletten Bluffs, die Ivey schlägt. Trotz seiner Ankündigung, „Dies wird der kränkste Call seit Langem,“ die vermutlich zumindest teilweise deshalb erfolgte, um eine Reaktion aus Dwan herauszukitzeln, foldet Ivey schließlich. Wahrscheinlich spielte dabei auch die Tatsache eine Rolle, dass Dwan (wie Ivey) viele geplatzte Draws mit einem Paar haben konnte, die trotzdem die beste Hand sind.
Natürlich sind die Gedanken des Autors zu dieser Hand subjektiv und alle Leser sind herzlich eingeladen, an der Diskussion teilzunehmen. Ungeachtet dessen lohnt es sich auf jeden Fall, sich diese grandiose Hand auf den genannten Internetseiten in bewegten Bildern anzusehen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 18.03.2010.