Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Pokerspieler und spätestens mit seinem Sieg beim Highroller-Event des EPT-Finales in Monte Carlo auch der internationalen Szene ein Begriff. Seit einigen Wochen ist Tobias Reinkemeier nun bei MyBet unter Vertrag und damit das deutsche Aushängeschild des auf Malta ansässigen Anbieters. Im unserem Interview gibt der Vierte der deutschen Preisgeldrangliste Auskunft über die vergangene WSOP, seine umstrittene Hand mit Roland de Wolfe und seine Zukunftspläne!
PokerOlymp: Hallo Tobias, als Erstes muss ich Dich natürlich nach Deinem Fazit der diesjährigen WSOP fragen. Keine Platzierung im Preisgeld, damit kannst Du sicher nicht zufrieden sein, oder?
Tobias Reinkemeier: Hallo Rainer, mein Fazit der WSOP ist auf jeden Fall positiv. Ich habe sehr viel Spaß gehabt und viele Freunde wiedergetroffen. Die Restaurants und Clubs in Vegas sind auch der Hammer! Ich bin dieses Jahr erst später angereist und habe nur an 5 WSOP-Turnieren teilgenommen. Bei so wenigen Turnieren nicht ins Geld zu kommen ist ziemlich Standard und nichts, mit dem ich nicht gerechnet hätte. Die Ausrichtung bei einem Turnier sollte es eh sein, sich am Final Table zu platzieren (bzw. eigentlich sogar Top 3). Ob man dabei ins Geld kommt oder nicht, sieht in der Statistik vielleicht besser aus, ist aber nicht entscheidend. Außerdem lief es beim Cashgame recht gut.
PokerOlymp: Gab es einige unglückliche Situationen, die ein erfolgreicheres Abschneiden verhindert haben, oder lief es einfach generell nicht?
Reinkemeier: Ja, es gab einige unglückliche Situationen und Set-Ups, aber ich verschone euch mal mit Bad Beat Stories, die jeder schon tausendmal gehört hat. Von den 5 Turnieren hab ich es dreimal in den zweiten Tag geschafft, wo dann allerdings immer Endstation war. Ich bin insgesamt mit meinem Spiel zufrieden, auch wenn ich einige kleinere Fehler gemacht habe. Ausnahmslos jeder macht Fehler, aber solange man sich immer hinterfragt und aus ihnen lernt, haben sie ja einen Sinn!
PokerOlymp: Dann interessiert uns natürlich, wie es zu Deinem Sponsorenvertrag mit MyBet kam, den Du vor einigen Wochen unterzeichnet hast.
Reinkemeier: Das ganze kam irgendwann Anfang dieses Jahres ins Rollen. Ich kenne einen der beiden Hauptverantwortlichen für Poker bei MyBet aus meiner Zeit auf Malta sehr gut und Diemo ist ein guter Kumpel von mir. Mein Vertrag mit PokerStrategy lief Anfang Mai aus und so kam man irgendwann ins Gespräch.
PokerOlymp: Für viele Pokerfans kam MyBet als Sponsor des Viertplatzierten der deutschen Preisgeldrangliste ein wenig überraschend. Ganz keck gefragt, gab es kein besseres Angebot oder waren die Bedingungen bei MyBet so überzeugend?
Reinkemeier: Es gab verschiedene Angebote, auch von den großen Pokerseiten, und es hat seine Gründe warum ich bei MyBet gelandet bin. Zum einen freue ich mich darauf, bei MyBet etwas mit aufbauen zu können. Zum anderen verstehe ich mich mit den Verantwortlichen sehr gut auf persönlicher Ebene und bin sehr zuversichtlich, dass dadurch die Zusammenarbeit sehr entspannt und produktiv abläuft. Außerdem braucht sich das MyBet-Angebot definitiv nicht vor den anderen zu verstecken.
PokerOlymp: Kannst Du einige Details zum Deal verraten oder lässt Du uns da lieber schmoren?
Reinkemeier: Da muss ich leider passen, sorry.
PokerOlymp: Natürlich kann ich Dir auch nicht ersparen, Dich noch einmal auf die berühmte Hand mit Roland deWolfe anzusprechen, die um die Welt ging und bei youtube fast 70.000 Aufrufe hat. Kannst Du die Hand noch einmal aus Deiner Sicht schildern?
Reinkemeier: Die Hand komplett strategisch zu analysieren würde den Rahmen hier völlig sprengen. Fassen wir es so zusammen: Vor allem aufgrund der Setzweise auf den vorherigen Straßen und auch wegen der Art und Weise, wie er am River auf meine Frage reagiert hat (den Dialog sieht man nicht auf dem Video) war ich mir ziemlich sicher, dass er am Bluffen war. Er hat am River eine sehr polarisierte Range und dort nur extrem starke Hände oder Bluffs und keine Hände, die dazwischen liegen (meiner Meinung nach eben viel mehr Bluffs als Nuts). Er würde wenige Pair-Hände so spielen und am River in einen Bluff verwandeln, weswegen ich mit Dame hoch gegen fast alle Bluff-Hände vorne liege. Falls er eine Hand wie König hoch hält, erwarte ich, dass er sie openmuckt. Wie kann er denken, dass König hoch jemals gut ist bei der vorangegangen Action, wenn ich ihn auf diesem Board am River check-calle?? Ich habe schon öfters mit ihm gespielt und weiß auch, dass er seine Bluffs am River fast immer openmuckt, wie nebenbei bemerkt sehr viele Live-Spieler. Der Pot war am River auch schon sehr groß in Relation zu seiner Bet, weswegen ich gar nicht einmal so oft richtig liegen muss mit meinem Call.
Von einigen Leuten kam dann die Frage: “Wenn du glaubst, dass er blufft warum raist du dann nicht?”. Berechtigte Frage, aber ein Raise wäre meiner Meinung nach sehr schlecht in dem Spot, weil er wie oben angemerkt diese krass polarisierte Range hat. Das bedeutet, dass ich mit einem Raise am River (hätte All-In sein müssen) mein Turnierleben bei nur noch wenigen verbliebenen Tischen im Main Event der EPT Barcelona riskiere, nur damit er seine Bluffs foldet, die ich gar nicht zum folden bringen muss. Alle Hände, die er for Value am River angespielt hat, callen mich, da ich, so wie ich die Hand gespielt habe, überhaupt nichts mehr repräsentieren kann.
PokerOlymp: Rein regeltechnisch geht der Pot für Dich ja fraglos in Ordnung, doch haben Dir einige Unfairness (meines Erachtens zu Unrecht) attestiert. Wie entgegnest Du einem solchem Vorwurf?
Reinkemeier: Ich kann diesen Vorwurf nicht wirklich nachvollziehen. Er spielt den River an und ich bezahle. Dann ist er als “last-aggressive action” an der Reihe, seine Hand zu zeigen oder seine Karten zu mucken. Dass er den König zeigt, ändert gar nichts, da eine Hand am Showdown immer aus zwei Karten besteht und eine Karte eben genauso viel wert ist wie gar keine. Ich habe zu keiner Zeit behauptet, besser als seine Hand zu sein, sondern ihn lediglich dazu aufgefordert, seinen Part des Showdowns zu erfüllen, nämlich beide Karten zu zeigen oder sie zu mucken. Ich finde es im Gegenteil sogar unfair, dass sich der Showdown so lange hinzieht und dieses Katz- und Maus-Spiel nervt mich unheimlich. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand seine Hand in dieser Situation verbal annonciert, aber wenn der Caller dann nicht umdreht, sollte man seine Hand den Regeln entsprechend entweder mucken oder zeigen und nicht das Spiel unnötig verzögern. Man sollte sich auch mal fragen, warum Roland den König umdreht. Wohl kaum, weil er denkt, dass er jemals gut sein könnte, denn dann hätte er niemals gemuckt bei so einem großen Pot. Er wollte zum einen suggerieren, einen busted Flushdraw gehabt zu haben und zum anderen wissen, mit welcher Hand ich ihn gecallt habe. Laut den EPT-Regeln in Barcelona hätte ich nämlich, nachdem er muckt, meine Hand gar nicht mehr zeigen müssen.
Er versucht also mir Informationen über seine Hand, für die ich am River bezahlt habe, vorzuenthalten und gleichzeitig Informationen über meine Hand, die ihm nicht zustehen, zu bekommen. Auf meine Reaktion nach dem Gewinn des Pots bin ich überhaupt nicht stolz und dafür habe ich mich auch schon mehrfach bei ihm persönlich entschuldigt. Das ist normal überhaupt nicht meine Art und hatte wohl mit dem Adrenalin-Rush als er muckt zu tun.
PokerOlymp: Eine Frage zu Deinem bisher größten Erfolg. Du hast Ende April mit dem Sieg beim Highroller-Event des Grand Finals der EPT in Monte Carlo Deinen größten Triumph bzw. mit fast einer Million Euro Deinen größten Cash gelandet. Für die meisten unserer Leser sind 25.000 Euro Startgeld eine Menge Zaster. Zahlst Du einen solchen Betrag mit Achselzucken oder denkst Du Dir dabei auch, „Wow, ne Menge Kohle.“?
Reinkemeier: 25.000 Euro sind auch für mich eine ganze Menge Geld! Gedanken, was das Geld in der “echten Welt” bedeutet, habe ich aber nur vor oder nach einem Turnier. In dem Moment, in dem ich ein Startgeld bezahle, schließe ich gedanklich völlig mit dem Geld ab und habe auch keine Erwartungen etwas zu gewinnen. Zum einen werde ich so nicht enttäuscht, was bei Turnieren ja leider sonst sehr oft der Fall wäre und zum anderen sind solche Gedanken während eines Turnieres eh absolut fehl am Platze. Das führt nur dazu, dass man ängstlich spielt und nicht sein A-Game abrufen kann. Es ist einfach ein Investment vergleichbar mit einem Aktien-Investment, das zwar einen hohen Risiko-Faktor hat, bei dem die Rendite aber auch umso größer ausfällt.
PokerOlymp: Die Gegnerschaft ist bei diesen Turnieren ja traditionell und genuin sehr stark. Besteht auch darin ein Reiz, sozusagen der Biss, sich gegen die Weltelite durchzusetzen?
Reinkemeier: Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, was das angeht, und liebe den Wettbewerb. Das Spiel gegen starke Gegner ist viel interessanter und macht mir wesentlich mehr Spaß. Man denkt auf ganz anderen Levels und ist ständig damit beschäftigt, sich zu überlegen, wie die anderen gerade über einen denken und sich dementsprechend anzupassen. Es geht letztendlich immer darum, den anderen ein Level voraus zu sein.
PokerOlymp: Du lebst mittlerweile in Malta. Ich nehme an, das hat steuerliche Gründe?
Reinkemeier: Ich habe für ein Jahr auf Malta gelebt. Im März diesen Jahres bin ich dann von Malta nach London umgezogen. Malta war ein tolles Jahr, jetzt ist es Zeit für etwas Neues. Das hat unterschiedlichste Gründe. Ich bin jung und will so viele Eindrücke von überall mitnehmen, wie ich nur kann. Wer weiß, vielleicht habe ich später nicht mehr die Freiheit, das so zu leben.
PokerOlymp: Vielleicht noch ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit. Wie waren Deine Pokeranfänge und wann hast Du gemerkt, hier geht was?
Reinkemeier: Ich habe Anfang 2006 mit 50$, die ich umsonst bekommen habe, angefangen zu pokern. Damals habe ich mir nix dabei gedacht und meine Pokererfahrungen beschränkten sich auf ein paar Homegames mit Freunden. Dann im Laufe des Jahres habe ich mich immer intensiver mit der Materie beschäftigt und auch mit der Bankroll ging es aufwärts. Anfang 2007, während meiner Abi-Zeit, habe ich dann mein erstes größeres Live-Turnier gewonnen, ein 500€ Side-Event der EPT Dortmund für 30.000€ Preisgeld. Das war damals natürlich gigantisch für mich als Schüler und rückbetrachtend war es, glaube ich, vom Glücksempfinden bis heute mein größter Erfolg.
Im Oktober 2007 habe ich dann mein BWL-Studium in Münster begonnen und nebenbei, nach wie vor als Hobby, gepokert. Richtig ernst genommen habe ich Pokern erst, als ich im März 2009 nach Malta gezogen bin und mein Studium abgebrochen habe. Rückbetrachtend ärgere ich mich manchmal darüber, das enorme Potenzial nicht schon in den Jahren vorher realisiert zu haben und mit viel mehr Zeitaufwand gepokert zu haben, als man das Geld noch komplett hinterhergeschmissen bekommen hat. Aber ich denke, das geht vielen so.
PokerOlymp: Noch eine Frage zum Schluss, die die Zukunft betrifft. Peter Eastgate hat gerade in den Sack gehauen und seine Pokerkarriere offiziell beendet. Kannst Du Dir als aktuell 22-jähriger, der schon früh erfolgreich ist, vorstellen, Dein Leben lang zu pokern?
Reinkemeier: Nein, mit Sicherheit nicht. Pokern ist für mich eine vorübergehende Beschäftigung, die mir auch noch viel Spaß macht und ich genieße die damit verbundenen Freiheiten und das Reisen. Aber auf lange Sicht ist mir Pokern zu monoton und für mich persönlich nicht lebenserfüllend. Der Plan ist, in der Pokerzeit etwas Kapital an die Seite zu schaffen und dann, wenn ich das Gefühl habe, dass der Zeitpunkt für etwas anderes gekommen ist, damit aufzuhören. Dieser Zeitpunkt kann sehr gut innerhalb der nächsten 5 Jahre sein. Das bedeutet dann ja nicht, überhaupt nicht mehr zu spielen, aber zumindest mit geringerer Intensität. Für “das Leben danach” gibt es viele Optionen und die reichen von verschiedenen Geschäftsideen bis zum Fortsetzen meines Studiums.
PokerOlymp: Vielen Dank und viel Glück an den Tischen.
Reinkemeier: Vielen Dank für das Interview und beste Grüße an die Pokerolymp-Leser.
Das Interview führte Rainer Vollmar
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 26.07.2010.