Im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten wird Poker vorzugsweise in der Nacht praktiziert. Das ist traditionell darin begründet, dass die meisten Clubs und Casinos sich erst abends nach dem normalen Arbeitstag beleben. Erst mit Eintreffen der Feierabendspieler wird die Szenerie für Amateure und Pros interessant genug. Urlaubsdestinationen wie Las Vegas sind hier die irrwitzige Ausnahme. Auch die allgegenwärtige Präsenz des Internets, mit praktisch durchgehender Aktion, hat wenig daran geändert. Denn die Peakzahlen werden auch dort nachts erzielt. Da im Winter die Nächte ja denn überwiegenden Teil des Tages ausmachen, steht hemmungslosem Vielspielen nichts im Wege. Fast nichts!
Denn mittendrin werden wir aus der schönen Realität unseres ausgelebten Spieltriebes in die irreale Welt des Weihnachtswahns gezwungen. Sie erinnern sich dunkel? Ja, vor 2007 Jahren wurde uns der Erlöser geboren, dessen Geburtstag wir pflichtschuldigst zu feiern haben. Eine kleine Geburtstagfeier wäre ja nicht so schlimm, nur leider hängen da auch noch wochenlange Vorbereitungen dran. Man kommt nicht aus! Auch Angehörige anderer Religionen werden da gnadenlos mit hineingezogen. Vom Anzünden der ersten Adventskerze bis zum Entsorgen des Christbaumes zu Heilige-3-Könige ist Besinnlichkeit angesagt. Punktum! Genug Zeit, um ein paar Gedanken zum Thema Religion & Poker zu entwickeln, die ich an dieser Stelle, christlich mit Ihnen teilen möchte. Hosianna!
Ich bin im Laufe meiner Spielerkarriere immer wieder Zeuge spontaner Anfälle von Religiosität geworden. Menschen, bei denen weder ihr äußeres Erscheinungsbild noch ihre deutlich säkularen Verhaltensmuster Rückschlüsse auf Gottesnähe vermuten ließen, überraschten mich immer wieder durch Aussprüche tief empfundenen Glaubens.Hier treten keine Stigmata oder ähnliche Phänomene auf, der Katalysator scheint eher die Riverkarte zu sein. Ausrufe wie: „Oh mein Gott! Das ist ein Wunder! Jesus!“ sind lebendiger Beweis dafür, das die vielzitierte Religionsmüdigkeit nur ein Gerücht ist.
Der Kirche ist diese Entwicklung keineswegs verborgen geblieben. Der Sonntag hat sich auf allen Online-Pokerseiten als Hauptturniertag eingependelt. Der Zuwachs von Besucherzahlen, am Sonntag und Montag, in Kirchen auf der ganzen Welt steht eindeutig damit in Zusammenhang. Am Sonntag wird um gutes Gelingen gebetet. Am Montag wird dem Herrn gedankt oder alternativ, in stiller Zwiesprache mit dem Allmächtigen, nach der Antwort gesucht, warum der Gegner seinen 3-Outer treffen musste und man als Chipleader unter den letzten 11 es wieder nicht an den Finaltisch geschafft hat.
Als der italienische Staat alle Gamingseiten verbot, war der Rückgang an Kirchgängern so gravierend, dass der Vatikan intervenierte und kurz danach das Verbot aufgehoben wurde. Auch den Naiveren unter Ihnen wird sicher schon die zeitliche Koinzidenz des Pokerbooms in Deutschland und der Wahl von Kardinal Ratzinger zum Papst aufgefallen sein. Das kann kein Zufall sein! Der kirchliche Weitblick sollte nie unterschätzt werden! So zielt der Segen „Urbi et Orbi“ ja ganz deutlich auf den Internetbenutzer ab.
Aber damit nicht genug. Durch populäre Franchisenehmer regt der Klerus zu regelmäßigem Kirchgang an. Chris „Jesus“ Ferguson erzielt einen Turniererfolg nach dem anderen mit offensichtlicher göttlicher Intervention. Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass er von der US-Steuerpflicht befreit ist und, zum Ausgleich dazu, die gesparten Gelder der Kirche zukommen lässt.
Er ist allerdings nur der „Alibichrist“ bei Fulltiltpoker, einer Seite, die sich fest in jüdischer Hand befindet. Bei Geschäftseröffnung wurde der Server vom Oberrabbiner Israels geweiht und wer auch nur die geringsten Kenntnisse der kabbalistischen Zahlenlehre besitzt, dem ist sicher schon aufgefallen, das die Zahlenwerte von „Fulltiltpoker“ und „Gefillte Fisch“ identisch sind. Mit den 12 größten Verlierern wird jedes Jahr eine Reise nach Jerusalem organisiert, denn wo kann man auf dieser Welt seine Bad-Beat Geschichten besser loswerden als an der Klagemauer.
Partypoker ist dem Hinduismus eng verbunden. Die Seite wurde in Hyderabad entwickelt und wer je mit ihrem Support zu tun hatte, weiß, dass er nach dem Vorbild des dickhäutigen Elefantengottes geformt wurde. Die Hauptgottheit bei PP ist aber Vishnu, der Erhalter des Lebens, dessen Vierarmigkeit bei der Rakestruktur allgegenwärtig ist.
Pokerstars lehnt sich mehr an die nordischen Naturglauben an. Es wird berichtet, dass in kritischen Situationen ein flehentlich ausgestoßenes „Odin hilf!“ Wunder wirkt. Auf die gefallenen Pokerhelden wartet ein Platz in Walhalla oder zumindest in der Narrhalla. Offensichtlich ist auch, dass der Gott Loki sich fest im Zufallsgenerator eingenistet hat.
So, an dieser Stelle muss ich diesen, nicht ganz ernst gemeinten, Diskurs abbrechen, um auf den Punkt zu kommen: Religion und Poker haben überhaupt keine Gemeinsamkeiten! Während Poker die Kommunikation zwischen allen Menschen fördert, sind Religionen bis heute für Kriege, Rassismus und andere Ekelhaftigkeiten verantwortlich. Bitte halten Sie diese Dinge streng auseinander und suchen bei anhaltendem Antilauf nicht Zuflucht bei höheren Mächten, sondern finden sich lieber mit der Existenz der „negativen Fluktuation“ ab.
Ich hoffe jedenfalls, dass Ihnen schön weihnachtlich zumute ist und Ihre Festtage von Outdraws verschont bleiben.
In eigener Sache wünsche ich auf diesem Wege allen Lesern und Freunden und Allen, die es werden wollen:
Fröhliche Weihnachten, einen guten Rutsch, frohe Ostern, ein gesegnetes Pfingstfest, ein friedvolles Yom-Kippur und alles Gute zum Geburtstag!
Phillip Marmorstein
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.12.2007.