Vergangenes Jahr ging es ja durch die Presse und wurde auch auf Pokerolymp besprochen: der Russe schließt alle Casinos. Da ich auf meiner Weltreise auch unbedingt Moskau und St. Petersburg sehen wollte, konnte ich ja gleich mal nachschauen, ob da nicht doch noch was zu machen ist. Zumal der russische Spieler gern mal eine Herausforderung der besonderen Art ist.
In Moskau kam ich an, als die Stadt ganz im Zeichen des 65. Jubiläums des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg stand. Bei uns auch als „2. Weltkrieg“ oder „das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte“ bekannt. Jeder hatten jeden verfügbaren Orden angetackert und klapperte und schepperte durch Moskau.
Ich suchte Pokertische. Drei Hotels mit Casinos hatte ich mir aus dem Internet gefischt, wohl wissend, was ich dort zu hören bekommen würde. Aber was soll‘s: „Versuch macht kluch“. Richtig, natürlich waren alle Casinos zu. Ja ja, aber ich wollte doch wissen, ob nicht irgendwo was zu machen sei.
Russen-Kanister-PowerIm dritten Hotel, dem Metropol bekam ich endlich einen Tipp. Nahe dem Park Ostankino sollte es einen Pokerclub geben, der aus irgendwelchen Gründen (man munkelt natürlich sofort von Bestechung) noch geöffnet hat. Also fuhr ich hin. Das dunkle Haus, das geduldig seiner Sanierung harrte, machte keinen einladenden Eindruck. Es gab eine Klingel, nichts weiter. Ich beschloss, erst einmal zu warten und zu schauen.
Alsbald nahten drei Typen, die ich sofort als russische Pokerspieler ausmachte. Warum? Na weil sie die europäischen Pokeruniformen trugen: La Martina-Hemden und Shirts von Ed Hardy. Sie gaben sich wortkarg und auch ich sprudelte sie nicht voll. Die Tür ging nach dem klingeln auf und einer der bunten Ed Hardys sprach was Russisches, was verdächtig nach „Die Nachtigall singt im Morgennebel“ oder sowas klang. Kann auch was wie „Die Balalaika summt den wässrigen Ton“ gewesen sein. Da mir der russische Zusammenhang zwischen Nachtigall, Morgennebel und Balalaika fehlte, grinste mich der Türsteher an und ich hatte mich wieder ins Touristenheer einzuordnen.
Die Meldung in der „Moskow News“Zwei Tage später las ich in der „Moskow News“, dass einer der illegalen Pokerclubs hochgenommen wurde (siehe Ausschnitt). Das war zwar nicht meine dunkle Tür, doch ich war jetzt ganz froh, dieses KGB-Zeremoniell nicht bestanden zu haben. Auf Wiedersehen Moskau!
In St. Petersburg war es zunächst ähnlich. Ich klapperte ein paar Hotels ab und es gab keine Chance auf ein paar offizielle Pokerchips. Bis dann in meinem Hotel eine junge Reisegruppe aus allen Teilen der Ex-UdSSR Karten, Chips und ungelogen einen 5-Liter-Kanister Wodka in die Lobby geschmuggelt haben. Sie luden mich in typisch russischer Gastfreundschaft zum Spiel ein.
Es gab nichts zu gewinnen, außer ein paar Schlucke aus dem Kanister, und wir legten los. Der Spaß war da und die Jungs hatten Laune daran, meine Pokergeschichten zu hören. Ja, so steht’s in Russland. Ganz sicher gibt es in der größten Stadt Europas immer einige Clubs, in denen man spielen kann. Aber vielleicht nicht dringend sollte.
Typisch St. PetersburgQuelle: carstenweidling.de
Und dass im russischen Fernsehen Pokersendungen hoch und runter laufen, und mal überall Pokerkoffer kaufen kann, lässt die vorsichtige Hoffnung zu, dass man in einiger Zeit dann auch wieder offiziell um Rubel spielen kann, statt vor dunklen Türen russische Ungereimtheiten aufsagen zu müssen. Aber bis zu diesem Tag lohnt sich auch ein pokerfreier Besuch in Moskau und St. Petersburg immer.
Euer Carsten Weidling on Tour
Wer mehr über Carsten und seine Weltreise erfahren möchte, kann gern auf www.carstenweidling.de nachlesen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 23.05.2010.