Er ist einer von fünf Deutschen, die bei der EPT einen Turniersieg landen konnten. In unserem Exklusiv-Interview erzählt Moritz Kranich, wie dieser Erfolg sein Leben verändert bzw. nicht verändert hat, wie das Eheleben eines Pokerprofis funktioniert und was seine aktuellen Pläne sind. Was der geneigte Railbird schon vermutete, bestätigt sich im Gespräch – dieser erfolgreiche Spieler hat die Bodenhaftung nicht verloren und ist ein durch und durch sympathischer Zeitgenosse. Hier das Interview:
Moritz, Du warst gerade bei der SCOOP sehr aktiv. Wie lief es denn?
Sooo aktiv war ich jetzt gar nicht, nach einigen Events ist mir klar geworden, dass mir diese Strukturen schon zu deep sind. Einige Ein-Tages-Turniere waren ja erst nach 20 Stunden beendet, da ist es sehr schwer, die Konzentration hoch zu halten, vor allem wenn die Turniere erst um 23 Uhr oder 2 Uhr deutscher Zeit beginnen. Im SCOOP 19-H hat es für einen 32. Platz gereicht, das wars aber auch.
Kannst Du uns ein wenig über Deinen Wochenablauf erzählen? Wie viel Poker spielst Du, wie ist das Verhältnis live/online?
In einer normalen Woche zu Hause spiele ich 3 bis 5 Tage online, jeweils 6 bis 12 Stunden. Generell nur Turnierpoker oder Step Sit’n‘Gos, mein Großkampftag ist der Sonntag, an dem ich mich zwischen 19 Uhr und 2 Uhr für so ziemlich jedes große Turnier auf den gängigen Seiten registriere. Dazu kommen ein paar Events in und um Hamburg und 5 bis 6 größere Turniere weltweit, dieses Jahr bisher die Aussie Millions und die EPTs in Berlin, San Remo und Monte Carlo.
Bei der letzten PokerOlymp Open musstest Du dich beim Main Event recht schnell verabschieden. Du saßt mit Dragan Galic am Tisch, was war los?
Nicht viel. Zwei missglückte Moves mit schönen Draws, die ich aufgeben musste. Eine zweitbeste Hand, mit der ich eine bessere voll ausbezahle und schon ist man trotz „Deep Stack“ seine Chips los. So ist nun mal Turnierpoker, es kann nicht immer klappen.
Deine drei ersten Live-Cashes hast Du 2007 bei den PokerOlymp Open geholt. Denkst Du noch an Deine Anfänge als Pokerspieler oder ist das lange her?
Klar denkt man mal gerne zurück. Mein erste „Live-Turnier“ war auch in Schenefeld, ein 100€ Sit’n’Go zur dt. Pokermeisterschaft in Berlin 2006. Ich war zum ersten Mal im Casino und die ersten Minuten sehr nervös, doch nach dem ersten gewonnenen Pot wurde ich sicherer und hab es am Ende gewonnen. Die DM in Berlin lief dann auch sehr ordentlich, leider bin ich kurz vorm Geld rausgeflogen, aber alles in allem war das eine tolle erste Liveerfahrung. Die ersten Cashes bei den Pokerolymp Open im Jahr danach haben mir neben hübschen vierstelligen Summen auch eine Menge Selbstvertrauen gegeben, dass ich auch in der Live Umgebung gut mitspielen kann und offensichtlich keine Tells habe, die irgendetwas über meine Hand verraten.
Dein großer Durchbruch war der Sieg bei der EPT in Deauville im Vorjahr. Inwiefern hat dieser Erfolg Dein Leben verändert?
Dieser Erfolg hat unsere Wohnung verändert, sie ist jetzt doppelt so groß, im Gegensatz zur alten schön eingerichtet (zumindest finden wir das) und das Wichtigste: Sie gehört uns.Desweiteren gibt einem solch ein Erfolg eine enorme Bestätigung, das Richtige getan zu haben. Vor allem meine Familie hatte durchaus verständliche Zweifel am Erfolg dieses Pokerprojektes, und auch ich war mir der Waghalsigkeit der Entscheidung durchaus bewusst. Dieser Titel hat mich aber in meiner Einschätzung bestätigt, dass man manchmal entgegen aller Risiken etwas probieren muss, wenn man mit Herzblut und Leidenschaft einer Sache nachgeht.
Das Siegerphoto von DeauvilleTrotz dieses Erfolgs wirst Du eher als einer der Stillen im Lande wahrgenommen und Dein Ruhm ist nicht so groß wie der von Sebastian Ruthenberg, Katja Thater oder anderen. Hast Du eine Erklärung dafür?
Zum einen hatte ich (noch) nicht so viele Erfolge wie z.B. Sebastian, zum anderen liegt es wohl hauptsächlich daran, dass ich Kameras eher aus dem Weg gehe und es wirklich nicht darauf anlege, groß in der Öffentlichkeit wahr genommen zu werden. Der Trubel um den EPT-Sieg war mir schon mehr als genug, das muss ich nicht haben. Aber für einen zweiten Titel würde ich diese Bürde auf mich nehmen ;)
Die Redaktion von PokerOlymp ist erklärter Fan Deiner Spielweise, Deines Auftretens. Sehr konzentriert, sehr sachlich, man hat immer das Gefühl, der Mann weiß, was er tut. Steckt dahinter eine bestimmte Lebens-Philosophie?
Erst mal vielen Dank. Eine besondere Philosophie oder ein Motto, was man in ein Poesiealbum schreibt habe ich nicht. Ich war schon immer eher ruhig und besonnen, freundlich zu anderen.Außer auf dem Fußballplatz, da haben mich schon einige nicht wieder erkannt. Da kann ich nicht verlieren.
Wie sieht es mit Deiner Poker-Philosophie aus? Eher krass wie Hansen oder eher tight wie Ferguson?
Ich wage zu behaupten, dass eine meiner größten Stärken am Tisch ist, mich den jeweiligen Gegebenheiten gut anpassen zu können. Ich kann tighter als Ferguson spielen, wenn es die Situation erfordert. Auf der anderen Seite aber auch Gas geben, wenn sonst am Tisch nur gefoldet wird.
Dein Online-Pseudonym lautet Catenaccio. Ausdruck Deiner Spielauffassung, Irritation der Gegner oder einfach nur ein Zeichen, dass Du Fußball-Fan bist?
Zunächst einmal bin ich großer Fußballfan, habe aber nichts mit Italien zu tun. Ich habe mich schon immer gern mit Strategien und Taktiken beschäftigt, sei es beim Sport, insbesondere Fußball oder bei anderen Gesellschaftsspielen wie Risiko oder Siedler. Ich kann mir beim Fußball auch ein 0-0 über 90 Minuten angucken, wenn eine Mannschaft dabei geschickt verteidigt. Zudem ist es online am Tisch sicher nicht von Nachteil, wenn der Gegner denkt, man sei italienisch;) Aber das hatte ich 2005, als ich mit Pokern angefangen habe, sicher nicht im Hinterkopf.
Wechseln wir mal ein wenig in die Privatsphäre. Du bist verheiratet. Wie funktioniert das Eheleben, wenn der Mann nachts oft pokert? Wie habt ihr euer Leben eingerichtet?
Das funktioniert einwandfrei. Meine Frau hat mich von Beginn an, als ich ihr diese bekloppte Idee vor die Nase gesetzt habe, bedingungslos unterstützt. Sie weiß, dass ich arbeite, wenn ich am PC sitze und versorgt mich dann auch ab zu mit Getränken oder etwas zu essen. Ein großer Vorteil des Pokerns ist die freie Zeiteinteilung, so kann ich meine Arbeit gut ihrer freien Zeit anpassen. Wenn ich einen Abend am Rechner sitze, unternimmt sie etwas mit einer Freundin, am nächsten Tag nehme ich mir frei und wir machen etwas zu zusammen. Ich denke, durchs Pokern haben wir mehr freie gemeinsame Zeit als andere Paare, trotz der ungewöhnlichen Arbeitszeiten. Zudem war sie dieses Jahr mit in Australien und in Monte Carlo, so lässt sich Pokern wunderbar mit einem schönen Urlaub verbinden.
Was macht Deine Frau beruflich?
Sie ist PTA, arbeitet also in der Apotheke.
Zurück zum Poker. Teilst Du unseren Eindruck, dass sich das Turnierpoker dahingehend verändert hat, dass aggressiver gespielt wird und es weniger schlechte Spieler gibt, als noch vor einigen Jahren?
Poker hat sich enorm weiterentwickelt, der Durchschnittsspieler ist um Längen besser geworden. Das bedeutet aber längst noch nicht, dass Poker nicht mehr schlagbar ist. Die groben Fehler, die man früher gesehen hat, werden zwar seltener, dafür gibt es jetzt eine breite Masse, die das Spiel auf einem gewissen Niveau verstanden hat, aber immer noch viele spieltheoretische Fehler macht. Über dieses Level hinauszukommen, erfordert noch einmal eine Menge Arbeit und Zeit, die viele nicht bereit sind, zu investieren. Zudem muss sich jeder immer wieder anpassen, an jedem Tisch in jedem Turnier. Wird aggressiver gespielt, muss man eben einmal mehr runtercallen. Es gibt immer eine Antwort.
Welche Empfehlungen würdest Du einem aufstrebenden Spieler geben? Vielleicht kannst Du ja selbst ein bisschen über Deine Anfänge berichten?
Ich habe 2005 ohne irgendeine Community angefangen, da gab es noch nicht einmal Pokerstrategy. Zunächst habe ich mir Bücher reingezogen, wie Harrington on Hold’em auf Englisch, das würde ich auch heute noch Anfängern empfehlen. Videos wie Cardrunners gab es damals auch noch nicht, ich weiß aber, dass viele dadurch sehr viel gelernt haben. Mir persönlich liegen Bücher als Weiterbildung besser.
Ab einem bestimmten Punkt haben mir Bücher allerdings nicht mehr weiter geholfen. Irgendwann muss man sich auf seine eigenen Erfahrungen stützen, was funktioniert und was nicht.
Ich habe damals übrigens wie die meisten auch mit Limit Hold’em angefangen, bin aber ziemlich schnell auf SNGs umgestiegen, weil mir Turniere einfach mehr Spaß machen. Zu Beginn erlebte ich ein wildes Durcheinander, mein erster Turniersieg war ein 30-Dollar-Limit-Hold’em-Turnier. Die ersten beiden Einzahlungen, dreistellige Beiträge, sind trotzdem in den Untiefen des Internets verschwunden. Und dann hatte ich irgendwann meine letzten 100 Dollar online, und spielte 5 $-Sng, und wenn die weg gewesen wären, wär es das auch gewesen. Doch dann lief es auf einmal und seitdem bin ich nie mehr Pleite gegangen.
Wie sieht es mit einem Sponsorenvertrag aus?
Der deutsche Markt ist momentan voll, etwa das Team PokerStars, und andere Seiten kamen noch gar nicht auf mich zu. Nach meinem Sieg in Deauville hätte ich viele Sachen fürs Fernsehen machen können, habe aber alles abgelehnt. Hätte ich es gemacht, wäre die Sache vielleicht anders verlaufen.
Andere Spieler sind eben sehr präsent und lassen kaum eine Kamera aus, da läuft alles leichter. Das Rampenlicht liegt mir nicht so und ich muss auch nicht unbedingt einen Sponsorenvertrag haben. Ich lasse das einfach mal auf mich zukommen.
Wie sehen deine Pläne in den nächsten Wochen aus? Bist Du bei der WSOP dabei und in welchem Umfang?
Erst mal startet am Wochenende das Hamburg Masters, wo ich das Main Event spielen werde. (Anm. der Red.: Moritz flog leider gestern an Tag 1 raus.) Dann werde ich erst ab Anfang Juli für zwei Wochen zum ersten Mal nach Las Vegas fliegen und auch nur das Main Event ( für das ich mich inzwischen dreimal qualifiziert hab J ) und vielleicht 1, 2 andere Turniere spielen. Ich will nicht das volle Programm durchziehen, mir reichen zwei Wochen on Tour. Bisher haben gegen einen Vegas-Trip immer Hochzeiten gesprochen, erst unsere eigene, dann die unserer besten Freunde. Länger als zwei Wochen wäre mir aber zu lang, da Jetset und der ganze Kram nicht so mein Ding ist. Dieses Jahr wollte ich aber auf jeden Fall mal hinfahren, aber so richtig interessiert mich eigentlich nur das Main Event.
Dann viel Glück in Vegas und vielen Dank.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 22.05.2010.