Ob die Stille elementar ist, um Cash Game zu spielen?
Wenn die nötige Stille aus ethischer und kultureller Pokersicht in den Pokerräumen vorhanden wäre und als eine respektable Säule des Pokerns akzeptiert würde, dann wäre die eigentliche Stille keine Illusion der PokerspielerInnen mehr, sondern real greifbar und käme somit zur Geltung.
An einem Neuner- oder Zehner-Tisch gibt es nicht selten Situationen, in denen angenehme Unterhaltungen stattfinden. Mal wird etwas Lustiges erzählt, mal Ernstes, manchmal findet auch Informationsaustausch statt, dennoch wird die nötige Stille am Tisch respektiert.
Eine Stille, die zulässt, dass die Geschicklichkeit der Spieler zum Vorschein kommt. Der Moment, in dem die Kontrahenten am Tisch sich gegenseitig intensiv beobachten und ihre Tells analysieren.
Auch die üblichen mathematischen Pot Odds können in diesen Sekunden errechnet werden, hinzu kommt, dass der Spielfluss nicht gestört werden sollte.
Wer diese subtilen pokerbedingten Momente am Tisch nicht begreift oder respektiert, dazu noch im Namen irgend einer Pokerstrategie diese Stille stört, sollte sich lieber fragen, ob er/sie für dieses wunderbare Spiel geeignet ist.
Dem ist auch mit keinem Saalchef und auch keiner Pokerethik zu helfen!
Weitere Kriterien ergänzen die Welt des Cash Games, eine Welt, in der mit unterschiedlichen Buy-Ins ungebunden und flexibel gespielt werden kann.
Vorausgesetzt:· wenn sie über ihre Bankroll noch mehr Kontrolle und Disziplin besitzen, als auf ihrem institutionellem Konto, wie der Bank oder Post, wo bereits alles exakt seinen regulären Lauf hat,
· wenn sie eine authentische Pokerkapazität entwickelt haben, um Bad Beats, einen schlechten Lauf oder andere Unverträglichkeiten des Pokerns zu verkraften, ohne depressiv oder aggressiv zu werden, oder innerlich geknickt zu sein,
· darüber hinaus, wenn Sie gleichzeitig in zwei entgegengesetzte menschliche Psychen am Pokertisch ein- und austauchen können, ohne vorübergehend „den Idioten“ zu spielen,
· dann haben sie mit Sicherheit die Reife erlangt, um an jedem Pokertisch auf dieser Welt teilzunehmen, um dieses wunderbare Spiel zu spielen und der Rest ist nur Übung.
Natürlich sollten sie stets die passenden Tische im Hinblick auf Ihre kontrollierte Bankroll in aller Ruhe auswählen, damit sie Ihren Spaß, Ihre Leidenschaft und Ihr Kapital nicht nacheinander verlieren.
Die Gefahr, dass man in solchen Konstellationen ins rutschige Tal des Aberglaubens; „Pech“ oder „Glück“ fällt, ist immens. Seien sie sicher, wenn unsere Kontrahenten ständig gewinnen, auf jeden Fall mehr als wir, hat es von vorne herein nichts mit deren Glück zu tun, sondern viel mehr mit ihrer ausgeprägten, erfolgsorientierten Geduld und Können im Pokern.
Heute wissen wir alle mehr denn je, dass alle Informationen und Pokertechniken, plus Pokerpsychologie das A und O in der Pokerwelt sind und sich gegenseitig ergänzen.
Das heißt, es reicht nicht, wenn man alle Spielarten und die Macht der Kartenkombinationen kennt, jedoch nicht die dahinter steckende Macht der Pokerpsyche, die völlig anders sein kann, als die normale Psyche. Das hat auch mir zu Beginn meiner Pokerlaufbahn Schwierigkeiten bereitet.
Wenn ich gute Hände hatte oder bluffen wollte, konnte ich nicht in die Augen meiner Gegner, die alle ausschließlich Männer waren, schauen.
Wie konnte ich meine Blicke, die bis dahin alles harmlos gesehen, gelesen und betrachtet hatten gegen einen empyreisch durchbohrenden Blick richten, um zu erkennen, ob seine Pupillen nicht erweiterter als meine waren? Quasi mit dem direkten Anschauen in seine Augen deuten: schau mir in die Augen, du ewiger Bluffer, ich habe ernsthaft vor, dich um dein Tablestake zu erleichtern!
So was muss erst beim Pokern erlernt werden!
Aus Gemütlichkeit oder Gewohnheit wollte ich auch keine Brille tragen.
Ich freue mich, dass die heutige Generation im Allgemeinen eine viel leichtere und freiere Sozialisation genossen hat. Nichtsdestotrotz kann immer noch ein unsicherer Blick oder eine falsche Bewegung verhängnisvoll werden. Denn im täglichen Leben konzentrieren wir uns selten auf das Verhalten oder die Beweggründe unserer Mitmenschen, was beim Pokern das Fundament des Spiels darstellt. Das wiederum muss Schritt für Schritt gelernt und verwendet werden.
Dem nach können wir Pokerliebhaber das Cash Game als eine Investitionsquelle betrachten, die rein individuell geplant und gestaltet werden kann.
Im weiteren Sinne wünsche ich Ihnen lebendige und unterhaltsame Pokertische, mit ethischer Stille.
Ihre Soraya Homam
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.03.2009.