Alle Verletzungen verwandelt er in Stärke. Was ihn nicht umbringt, macht ihn stärker. Friedrich Nietzsche
Ben Dover schläft in einem Bett, das nur eine Hälfte hat – die falsche. Jeden Morgen schaut er in den Spiegel und sieht den unglücklichsten Menschen auf der Welt. Sein Lieblingswitz lautet so: Der Pessimist sagt: „Es kann nicht schlimmer werden.“ Der Optimist sagt: „Doch.“
Ben setzt sich auf seinen üblichen Platz in der No-Limit-Partie mit hohen Einsätzen. Außer May Hem kaufen sich alle mit 1.000 $ ein. Sie knallt 5.000 $ auf den Tisch und wendet sich an ihren Lieblingsgegner, „Komm Ben, worauf wartest Du? Lass uns einige große Pots spielen.“ Ben geht darauf ein und legt ebenfalls 5.000 $ auf den Tisch.
Gleich zu Beginn bekommt Ben A A . Ein anderer Spieler raist auf 40 $. May erhöht auf 200 $. Ben raist auf 500 $. Der erste Raiser zeigt seine Hand seinem Nachbarn und foldet. Ben bemerkt, dass May die Hand sehen konnte und verlangt deshalb, ebenfalls einen Blick darauf werfen zu dürfen. May ist einverstanden. Der Geber zeigt die gefoldete Hand: 10 10 .
May wirft 300 $ in die Mitte, um Bens Raise zu callen. Auf dem Flop kommen 2 2 2 . Ben lässt sich nichts anmerken, aber seine Gedanken rasen so schnell, dass die Zeit stillsteht. Er hat fast sicher die beste Hand. Und er ist mit einer Spielerin konfrontiert, die einen großen Stack hat und nur allzu gern bereit ist, um einen riesigen Pot zu spielen. Ihm ist klar, dass May ein Paar und damit einen Zwei-Outer hat, also die Art von Hand, wegen der er schon so oft in seinem Auto gelandet ist, den Kopf auf dem Lenkrad und ratlos, warum dieses Unglück passieren konnte.
Ben entwirft einen neuen Plan. Er will May durch einen Check auf dem Flop eine Falle stellen. Genau das macht er auch. Der Geber sieht Bens Check und nimmt an, dass May bereits gecheckt hatte. Er deckt die Turn-Karte auf. Es ist eine 3x .“Stopp”, sagt May, “ich habe meinen Zug noch nicht ausgeführt. Rufen Sie die Aufsicht.“ Laut Regel kommt die 3x in den Stapel zurück und die Action auf dem Flop beginnt noch einmal bei May.
Sie setzt 1.000 $ auf dem Flop und Ben callt, um auf dem Turn den Hammer heruntersausen zu lassen, wenn May hoffentlich wieder setzt. Währenddessen mischt der Geber alle Karten, auch die vor dem Flop gefoldeten, brennt eine Karte und deckt die Turn-Karte auf: 10 . Trotz der ganzen Verwirrungen ist jedem klar, dass die 10 zum zweiten Mal im Spiel ist. Aber für Ben stellt sie die ideale Gelegenheit dar. May schaut, als warte sie auf den Bus.May checkt den Turn. Genug Fallen gestellt. Ben weiß besser als jeder andere, dass er jetzt keine Free Card mehr gewähren sollte.
“Ich gehe mit 3.500 $ All-In”, sagt Ben.
„Call“, lautet die unmittelbare Antwort von May.
Ohje.
Ben muss sich die Karten gar nicht anschauen. Er weiß es schon, bevor May die beiden Zehnen aufdeckt, durch die sie ein extrem unwahrscheinliches besseres Full House bekommen hat. Auf dem River kommt weder ein Ass noch eine Zehn. Aus und vorbei. Bens prachtvoller Stack hat sich in eine öde Fläche Filz verwandelt. Er nimmt seine Asse und fächert sie direkt vor seinen Augen auf. Gegen seine sonstige Gewohnheit beginnt Ben zu schimpfen, erst ruhig und leise, und dann mit einem schnellen Crescendo. „Jemand soll mir bitte sagen, dass sie kein Paar Zehnen hat. Jemand soll mir bitte sagen, DASS SIE KEIN PAAR ZEHNEN HAT.“
Ben verliert so schnell die Nerven, dass sich sogar der Kaugummi, der unter die Tischkante geklebt wurde, löst. Mittlerweile schreit er aus vollem Hals. „Wollt ihr mir erzählen, dass zwei Spieler diese Hand mit einem Paar Zehnen begannen? Und dass May nach dem Flop mit exakt null Outs gesetzt hat? Und dass anschließend auf wundersame Weise eine Zehn auf dem Board erschien, weil der Geber sich vertan hat?“
Ben sammelt seine Sachen zusammen, steht auf und verlässt den Raum. Aber dieses Mal liegt sein Kopf nicht auf dem Lenkrad. Dieses Mal ist der Schmerz nicht so groß. In einer eigenartigen Weise fühlt sich Ben sicher und beschützt. Was Poker betrifft, hat der Pessimist in Bens Lieblingswitz nun für immer und ewig recht. Es kann nicht schlimmer werden. Und das beruhigt ihn.Als Ben am nächsten Tag in den Spiegel schaut, sieht er immer noch den unglücklichsten Menschen auf der Welt. Aber die Betonung hat sich von „unglücklichster“ zu „auf der Welt“ verschoben.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.01.2009.