Wie hoch sollte man in Turnieren raisen?
Die meisten Spieler denken nicht viel darüber nach, sondern raisen einfach auf drei Big Blinds. Das ist wahrscheinlich nicht weit von der optimalen Raisehöhe entfernt, meiner Ansicht nach kann es aber besser sein, weniger zu raisen. Darf ich es wagen, das Wort Minimum-Raise in den Mund zu nehmen?
Beginnen wir mit einem vereinfachten Beispiel. Falls unser Gegner auf unseren Raise nur mit einem Fold oder einem All-in reagiert, dann sollten wir selbstverständlich minraisen. In Turnieren gibt es viele Situationen, die diesem Fall ähneln. Das spricht für einen Raise auf zwei, statt drei oder mehr Big Blinds. Trotzdem tun Topspieler das selten. Der Standard-Raise guter Spieler beträgt anscheinend drei Big Blinds.
Es gibt zwei bemerkenswerte Ausnahmen, nämlich Alan Goehring (der oft auf 2 BB raist) und Daniel Negreanu (der häufig Raises auf 2,5 BB macht). Interessanterweise raisen die meisten Spieler den gleichen Betrag, unabhängig davon, ob es Antes gibt oder nicht. Dabei haben ihre Gegner völlig unterschiedliche Pot Odds, sobald Antes ins Spiel kommen.
Ich bin davon überzeugt, dass Daniel es richtig macht. Es gibt zwei Dinge, die in Bezug auf die Raisehöhe zu beachten sind. Zuerst einmal sollte man nicht mehr Geld in den Pot tun als nötig, um sein Ziel (Stehlen der Blinds und Antes) zu erreichen. Daniel hat vermutlich beobachtet, dass die anderen Spieler sehr ähnlich auf seine Raises reagieren, unabhängig davon, ob er auf 2,5 oder 3 BB erhöht. Das heißt, seine Gegner passen sich den besseren Pot Odds bei einem Raise auf 2,5 BB nicht korrekt an.
Daniel wird oft Position auf seine Gegner haben, da er sehr viel häufiger aus Late Position raist und der Big Blind insbesondere dann aufgrund der Odds gezwungen sein wird, sich gegen Daniel zu verteidigen, wenn Antes im Spiel sind.
Daniel ist nach dem Flop wahrscheinlich der bessere Spieler, außerdem hat er meistens Position. Das spricht für große Raises vor dem Flop. Dabei handelt es sich um das gleiche Argument, das gute Cashgame-Spieler dazu treibt, auf frühen Straßen in Position extrem aggressiv zu agieren: “Bringen wir jetzt mehr Geld in den Pot, damit ich es später stehlen kann.
Bei der Anwendung der kleinen Preflop-Raises von Negreanu und Goehring gibt es anscheinend ein großes psychologisches Element. Ich glaube, die beiden sehen ihre kleinen Raises als Lock-Bets für Spieler, die an Pot Odds denken. Sie scheinen zu sagen: “Komm, spiel mit mir. Du bekommst den richtigen Preis dafür.”
Einer dieser Lock-Bets fiel ich in Tunica gegen Daniel zum Opfer. Er verdoppelte gegen mich und gewann das Turnier. Bei noch zehn Spielern und Blinds von $4.000-$8.000 und Antes von $1.000 raiste er auf $20.000. Ich war im Big Blind und konnte den Pot Odds von 42 zu 12 mit Qc7c nicht widerstehen. Zu der Zeit dachte ich fälschlicherweise, ich sollte Pots mit Daniel spielen, da er Angst davor hat, als Zehnter auszuscheiden und nicht an den Final Table zu kommen. Mein Plan bestand darin, mit Nichts auf dem Flop zu betten, mit wenig zu check-callen und mit einer guten Hand (einem Paar Damen, einem Flush Draw oder besser) All-In zu checkraisen. Der Flop kam Qd4h8h. Ich checkraiste All-In und er machte einen sehr guten Call mit QT. Mit etwas schlechteren Pot Odds hätte ich mit Qc7c nie mitgespielt.
Eine Frage, die man sich beim Nachdenken über die optimale Raisehöhe stellen muss, ist: “Bin ich bereit, vor dem Flop schwierige Calls zu machen?” Wenn nicht, sollte man zu kleineren Raises (wie 2,5 BB) tendieren. Das ist ein anderer Grund, weshalb Daniel kleine Raises mag – warum sollte er sich in Situationen bringen, in denen er schwierige Calls mit nur kleinem Vorteil machen muss? Würde Daniel auf 4 BB statt 2,5 BB raisen, fände er sich oft in Situationen wieder, in denen er mit beispielsweise KJs geraist hat und ein Spieler nach ihm für weitere 8 BB all-in geht. Hat er auf 2,5 BB geraist, kann er seine Hand nach einem All-in für weitere 9,5 BB guten Gewissens folden. Durch den Raise auf 4 BB gibt er sich selbst gute Odds, das All-in zu callen, und wird deshalb öfter in Situationen sein, in denen er als Underdog auf Kartenglück hoffen muss.
Ein Spieler, der oft große Preflop-Raises macht, wird häufiger als Außenseiter in All-Ins vor dem Flop geraten, da der Call eines Raises als Underdog einem Fold oft vorzuziehen ist, wenn der Pot groß ist. Gegen Ende eines Turniers ist meine Preflop-Strategie darauf ausgerichtet, selten Geld kampflos in der Mitte zurückzulassen. Zu oft habe ich am Ende eines Turniers einen großen Teil meines Stacks verloren, weil ich raiste und auf einen Reraise foldete.
Manche Spieler glauben, man sollte die Raisehöhe an der Position festmachen. Sie raisen in Late Position mehr, besonders gegen Ende eines Turniers. An diesem Punkt sind Antes im Spiel und All-ins vor dem Flop kommen häufig vor. Ein großer Raise in Position bindet sie also an den Pot. Sie geben zu verstehen: “Ich weiß, du könntest eine bessere Hand halten als ich, aber ich bekomme so gute Odds, dass ich callen muss.” Das kann ein effektive Strategie sein, solange man bereit ist, als klarer Außenseiter zu callen. Außerdem muss man bereit sein, mit ziemlich schlechten Händen große Raises zu machen.
Nehmen wir der Einfachheit halber an, alle am Tisch haben 12 BB. Der Pot beinhaltet 1,5 BB der Blinds und 1 BB an Antes. Sie sitzen auf dem Button und alle folden zu Ihnen. Falls Sie auf 4 BB raisen und der Small Blind daraufhin All-In geht, haben Sie Odds von 18 zu 8 für einen Call (bzw. 17,5 zu 8, sollte der Big Blind All-In gehen). Es gibt einige mittelmäßige bis schlechte Hände wie A4o, mit denen Sie bei diesen Odds callen müssen. Bei einem Raise auf 2,5 BB müssten Sie nicht callen. Ein Gegner, der das weiß, wird nach einem Raise auf 4 BB mit weniger Händen All-In gehen. Um das auszunutzen, muss man den Raise auf 4 BB öfter mit sehr schlechten Karten wie 56o machen, die man nach einem Reraise folden kann. Durch einen Raise auf 4 BB hat Ihr Versuch, die Blinds und Antes zu stehlen, schlechtere Odds (2,5 zu 4 statt 1 zu 1), er wird aber öfter erfolgreich sein.
Um das Thema abzuschließen: Ich glaube, im allgemeinen fahren aggressive Spieler mit relativ kleinen Raises auf ca. 2,5 BB besser, selbst bei Antes. Allerdings sollte man die konkrete Situation genau im Auge behalten. Halten Sie sich für schwächer als Ihre Gegner, sollten Sie relativ große Raises bringen. Im Extremfall (beispielsweise als Anfänger an einem Tisch voller Weltklassespieler) sollten Sie Ihre Strategie so anlegen, dass Sie nur All-In gehen oder folden.
Ich empfehle, normalerweise immer den gleichen Betrag zu raisen, unabhängig von der Position. Es gibt aber Situationen, in denen es sinnvoll sein kann, seine Strategie abzuwandeln und in Late Position höher zu raisen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 30.10.2008.