Stellen Sie sich einen Gegner vor, der Ihnen ein sehr einfaches Spiel auf Basis von Texas Hold’em anbietet. Sie sitzen im Small Blind und können all-in gehen oder folden. Wenn Sie all-in gehen, wird Ihr Gegner mit Assen oder Königen callen und sonst folden. Sie haben einen Stack von 200 Big Blinds und gehen preflop all-in. Frage: Hätten Sie lieber 76s oder AKo?
Es scheint recht einfach zu sein, den Erwartungswert in dieser Situation auszurechnen. AA und KK stellen 12/1326 oder 0,9% aller möglicher Hände dar. Wenn Sie also pushen, dann werden Sie in 99,1% aller Fälle 1 BB gewinnen und in 0,9% der Fälle (200 BB minus (Equity Ihrer Hand vs AA/KK * 400 BB)) verlieren.
Programme wie Pokerstove können Ihre Equity gegen AA/KK berechnen. Es stellt sich heraus, dass 76s eine Equity von 0,225 gegen AA/KK besitzt und AKo eine Equity von 0,185. Wenn Ihr Gegner callt, verlieren Sie mit AKo 126 BB, und mit 76s 110 BB. Ein Push mit 76s scheint also besser zu sein. Tatsächlich scheint ein Push mit AKo einen negativen Erwartungswert zu besitzen, während ein Push mit 76s einen knapp positiven Erwartungswert hat (-0,143 BB bzw. +0,001 BB).
Das ist aber nicht der Fall. Diese einfache Analyse vernachlässigt die Effekte verbrannter Karten. Wenn Sie eine Karte in Ihrer Hand halten, dann kann Ihr Gegner diese Karte nicht haben. Normalerweise kann Ihr Gegner auf sechs verschiedene Arten Asse und auf sechs verschiedene Arten Könige halten. Wenn Sie aber schon ein Ass und einen König haben, dann gibt es nur noch jeweils drei Möglichkeiten für ihn, AA bzw. KK zu halten. Durch diese zusätzliche Information ist die Wahrscheinlichkeit, dass er AA oder KK hat, fast halbiert. (Statt 12/1326 beträgt die Wahrscheinlichkeit 6/1224 oder 0,49%.) Halten Sie stattdessen eine Sieben und eine Sechs, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Gegner AA oder KK hat, 0,98%. Es gibt immer noch 12 Kombinationen für Asse und Könige, nur die Zahl der Kombinationen für Hände mit einer Sieben oder einer Sechs hat sich verringert.
Wenn man das in die Berechnungen einfließen lässt, ist Ihr Erwartungswert bei einem All-in mit AKo wesentlich höher als bei einem All-in mit 76s. Berücksichtigt man vebrannte Karten, dann ist ein Push mit 76s jetzt minus 0,09 BB wert und ein All-in mit AKo +0,38 BB.
Es ist aus zwei Gründen üblich, diese Effekte zu ignorieren. Zuerst einmal werden sie selten so stark betont. Sie haben nur dann starken Einfluss, wenn die Auswahl der gegnerischen Hände sehr begrenzt ist und wenn viele seiner Hände auf einer Schlüsselkarte basieren (meistens einem Ass oder einem König). Der zweite Grund besteht darin, dass viele Programme wie Pokerstove die Effekte verbrannter Karten bereits berücksichtigen. Wenn Sie die Equity von AJo gegen eine Range von AA und KK berechnen, dann bezieht Pokerstove die Wahrscheinlichkeit, öfter gegen KK als gegen AA anzutreten, in seine Berechnungen mit ein.
Das im Hinterkopf betrachten wir nun zwei Situationen, in denen eine verbrannte Karte einen messbaren Effekt zu haben scheint: In der ersten Situation machen wir einen Preflop-Raise gegen einen einigermaßen tighten Spieler. In der zweiten 4-betten wir gegen einen loosen Reraiser. Die Raises machen wir einmal mit einer und einmal ohne eine hohe Karte.
Das erste Szenario: Sie befinden sich im Small Blind. Ihr Gegner im Big Blind ist recht tight, auch wenn er viele Hände mit hohen Karten spielt. Er verteidigt seinen Blind mit 22+, A5+, K9+, Q9+, J9+, T9, A2s+, K4s+, Q7s+, J7s+, T7s+, 96s+, 86s+, 75s+, 64s+, 54s und foldet alles andere. In einem Vakuum betrachtet, spielt er 478 Kombinationen, also 36% aller Hände, und foldet den Rest. Außerdem reraist er mit 88+, AJ+, ATs und KQ.
Nehmen wir an, Sie überlegen an einem Preflop-Raise mit einer von zwei schlechten Händen: 43o und K2o. Welchen Effekt haben verbrannte Karten?
Halten Sie 43o, dann spielt Ihr Gegner seine Hand zu 467/1224, also in 38,2% der Fälle. Er reraist zu 110/1224, also zu 9%.
Mit K2o spielt er zu 446/1224 oder zu 36,4% und reraist zu 99/1224 oder 8,1%.
Wenn Sie in Höhe des Pots raisen, nach einem Call postflop weder Gewinn noch Verlust machen und Ihre Hand folden, sollten Sie preflop gereraist werden, dann ist K2o in diesem Szenario +0,393 BB und 43o +0,348 BB wert. Ein Unterschied von 0,045 BB pro Hand oder 4,5 BB/100. (Der Effekt ist noch größer mit A2o. Unter den gleichen Voraussetzungen ist es um 6,8 BB/100 besser als 43o.)
Je aggressiver ihr Gegner preflop ist, desto mehr Wert besitzt die hohe Karte in Ihrer Hand. Wenn Sie gegen einen Verrückten spielen, der mit der gleichen Range von 38% der Hände preflop jedesmal reraist statt callt, dann ist 43o minus 0,528 BB wert (und Sie sollten Ihren Small Blind folden), während K2o minus 0,464 BB und A2o minus 0,41 BB wert sind. Der Unterschied im Wert der Hände beträgt nun fast 12 BB/100.
Nach einem Reraise pushen, mit oder ohne Ass
In diesem Szenario raisen Sie preflop, werden mit einer 3-Bet konfrontiert und spielen mit dem Gedanken, mit einer schwachen Hand zu 4-betten, in der Hoffnung, dass Ihr Gegner dann foldet. Ich werde das von Bryce Paradis und Dusty Schmidt verwendete Modell nutzen. Sie raisen auf 3,5 BB, Ihr Gegner reraist auf 12 BB, es befindet sich darüberhinaus noch 1 BB im Pot, und Sie beide begannen die Hand mit 100 BB.
Nehmen wir an, Sie spielen gegen einen aggressiven und ein wenig trickreichen Gegner, der mit 16,1% aller Hände reraist. Dazu gehören viele Semibluff-Hände wie Suited Connectors und kleine Paare. Seine Range umfasst 22+, AJ+, KQ, KTs+, Q9s+, J9s+, T8s+, 97s+, 86s+, 75s+, 64s+, 54s. Geben wir Ihrem Gegner folgende Range zum Call von Reraises: AQ+, 88+. Er callt Reraises mit den besten 5,6% der Hände, mit 74 der 214 Kombinationen, mit denen er geraist hatte.
Sie überlegen nach seinem Reraise an einem All-in, entweder mit 22 oder mit A2s. Beide Hände besitzen gegen die möglichen gegnerischen Hände eine ähnliche Equity: A2s hat bei einem Call eine Equity von 30,7%, 22 eine Equity von 32,7%. Danach zu urteilen, sollte 22 die bessere Hand für einen Push sein. Mit dem bereits im Pot befindlichen Geld wäre sie 0,14 BB wert, während A2s 1,25 BB verlieren würde. Der Effekt des verbrannten Asses ist jedoch signifikant.
Bezieht man den Effekt der verbrannten Karten mit ein, dann callt der Gegner mit 74 von 209 Kombinationen, oder 35,4% der Hände, mit denen er gereraist hatte, wenn man mit 22 pusht. Hält man A2s, dann callt er mit 63 von 196 Kombinationen oder 32,3% der Hände, mit denen er reraiste
Jetzt beträgt der Wert eines All-ins mit 22 minus 0,23 BB, während der Push mit A2s +0,04 BB gewinnt. Der Effekt der verbrannten Karte ist bei A2s 1,29 BB wert, genug um ein All-in profitabel zu machen. Für 22 gilt das Gegenteil, der Push ist 0,37 BB weniger wert und wird damit unprofitabel.
Was lernen wir daraus? Hände mit hohen Karten, insbesondere einem Ass, besitzen preflop ein wenig zusätzlichen Wert, da es wahrscheinlicher ist, dass der Gegner keine spielbare Hand hält. Blätter mit zwei kleinen Karten besitzen etwas weniger Wert, da der Gegner mit leicht erhöhter Wahrscheinlichkeit eine spielbare Hand haben wird. Oft ist der Unterschied gering, allerdings kann der Effekt bei einem Ass substantiell sein.
von Fred Bush
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 22.05.2008.