Ein paar Gedanken zur Diskussionen, wie hoch der Vorteil zu bewerten ist, den man durch genaues Beobachten des Gegners erlangen kann. Was sind die so genannten „Tells“ also in barer Münze wert? Sicher ein wichtiges Element einer erfolgreichen Performance am Pokertisch, aber als gestandener Profi muss man über einiges an Können verfügen, um am Pokertisch konstante Gewinne zu erzielen. Einen kleinen Teil des Profits erlangt man dabei sicher durch das genaue Beobachten.
Das wichtigste Talent bleibt aber weiterhin die Gabe, die Hand des Gegners gut zu lesen. Sie mit Kalkül und Kunstfertigkeit immer exakter eingrenzen, bis man die Karten des Kontrahenten möglichst exakt einschätzen kann. Dazu muss man die Optionen im Kopf immer wieder durchspielen und zusätzlich alle Informationen verwerten, die man über seinen Gegner zur Verfügung hat. Erst danach kann man sein eigenes Spiel annährend optimal auf die Gegebenheiten ausrichten.
Außerdem muss man bei Spielen wie Limit Hold’em und 7Card Stud einschränkend bemerken, dass die Pots meist sehr groß sind, somit steht es fast immer zum Geld, die letzte Wette auch noch zu bringen. In solchen Situationen aus der Körpersprache des Gegners bindende Schlüsse zu ziehen, kann sich langfristig als teurer Fehler erweisen. – Es gibt aber über die Körpersprache hinaus sehr wohl noch andere sichtbare, und vor allen Dingen, beachtenswerte, Signale.
Diese wertvollen optischen Hinweise unterscheiden sich durchaus von den allgemeinen „Tells“. Vor allen Dingen wird man nicht durch die persönlichen Eigenarten der Mitspieler in die Irre geführt, sondern man beobachtet den weit verbreiteten schlampigen Umgang mit den Spielabläufen und zieht daraus seinen Profit. – Es gibt drei verschiedene Grundsituationen, in denen Sie weit verbreitet die wie folgt beschriebenen Szenarien erkennen werden. Sie werden nach der aufmerksamen Lektüre dieses Textes merken, wie es Ihnen gelingen wird, die eine oder andere Starthand mehr und dabei profitabel zu spielen. Außerdem können Sie aus manchem Pot eine zusätzlich Extrawette herausholen.
Situation 1: Das voreilige Fold vor dem Flop
Wenn man bei Hold’em genau hinsieht, merkt man, wie schnell die meisten Spieler sich von ihrer Hand verabschieden. Abgesehen von denen, die im kleinen oder großen Blind sitzen. Wobei ich kann durchaus nachvollziehen, dass man das Interesse an seinen aktuellen Karten verlieren kann. Zum Beispiel man bekommt 8 3 , da gibt es keine denkmögliche Alternative. Diese Hand will einfach so schnell wie möglich entsorgt werden. Es gibt aber Situationen in denen macht es wirklich Sinn auf visuellen Hinweisen zu achten. Viele Spieler starten recht früh mit dieser widerwilligen Geste des Wegwerfens der Karten. Schauen Sie deshalb unbedingt regelmäßig auf Ihre linke Seite und versuchen Sie so einen Vorteil aus Ihren Beobachtungen zu gewinnen.
Nehmen wir einmal an, Sie haben Q 10 in mittlerer Position. Bis jetzt hat niemand den Pot geentert. Nur die beiden Blinds sind noch dabei. Unter normalen Bedingungen sollte man sich in dieser Position von Q 10 offsuit einfach trennen. Aber wenn ich sehe, wie die drei Plätze hinter mir anfangen ihre Karten zum Abflug Richtung Tischmitte vorzubreiten, kann ich auch mit dieser Hand aus der jetzt entstandenen „Late Positon“ versuchen, die Blinds zu stehlen. Also statt einem Fold platziere ich ein Raise.
Wobei ich möchte betonen, es reicht in der Regel ein schneller Blick nach Links. Manche Spieler übertreiben das gewaltig und wollen einfach eine Reaktion provozieren. Ja manche gehen sogar soweit, dass sie ihre Karten quasi verstecken, um zu sehen was passiert. Das hält nur unnötig das Spiel auf und der Vorteil ist marginal. Ein kurzer konzentrierter Blick ist in der Regel völlig ausreichend.
Es gibt auch einige Spieler, die schon durch frühzeitige Signale anzeigen, wenn sie entschlossen sind mit einer Hand in den Pot zu gehen. Manche sichern ihre Karten mit einem Jeton, oder man kann es an der frühzeitigen Bewegung erkennen. Wieder ein Blick nach Links und manchmal kann man sich dann so leichter von der eigenen Hand trennen. Um ein Beispiel zu nennen, bleiben wir bei Q 10 und man sitzt einen Platz vor dem Button. Wenn man nun sieht wie der Spieler hinter einem seinen Karten bereits mit einem Jeton geschützt vor sich liegen hat, wird man so eine Hand wie Q 10 besser wegwerfen, statt wie ursprünglich geplant, ein Raise zu platzieren. – Dass Spieler, die in den Blinds sitzen, ihre Hand schützen, ist eine ganz andere Sache und dafür gelten die oben beschriebenen Kriterien selbstverständlich nicht. Schließlich haben die Blind ja schon zwangsläufig Geld in den Pot investiert sind somit unfreiwillig, aber automatisch, ins Geschehen involviert.Das alles gilt natürlich für Hold’em Games und ist nicht anzuwenden bei 7 Card Stud. Schon allein, weil das Spiel durch die drei verdeckten Karten viel komplexer ist. (Außerdem sieht man ja eine Menge an offenen Karten und kann daraus seine Schlüsse ziehen).
Situation Zwei: Der zögernde Call
Nehmen wir als Beispiel folgende Situation. Sie platzieren gleich am Flop mit einer eher schwachen Hand ein Bet. Alle Gegner bis auf einen trennen sich von ihren Karten und es hat den Anschein, als ob der Verbleibende ziemlich zögerlich bezahlt hätte. Das ist dann meisten keine Showeinlage und wenn dann am Turn nicht eine extrem gefährlich wirkende Karte auftaucht, ist es sicher profitabel gleich nochmals anzuspielen. (Wobei „profitabel“ bedeutet in dem Fall nicht, dass es Garantie dafür gibt, dass der Bluff auch sofort durchgeht und Sie den Pot garantiert gewinnen. Es bedeutet einfach, dass die Verhältnisse zwischen Ihrem Satz, der Potgröße und der Möglichkeit, dass Ihr Gegner ein Fold macht, langfristig ganz sicher profitable sein werden.)
Um das an einem Beispiel zu demonstrieren: Nehmen wir einmal an, Sie haben im großen Blind 6 3 und der Flop ist K 5 2 . Das bedeutet, Sie haben einen. „Gutshot“ für die Straße. Alle werfen weg, bis auf eben diesen einen Gegner, der unter großem Zögern und offensichtlichem Widerwillen bezahlt. Am Turn sollten Sie auf jeden Fall wieder anspielen. Ganz egal was kommt, außer vielleicht bei einer 4c. Dann hätte Sie Ihre Straße und könnten mit einem Check Ihren Gegner eventuell in die Falle locken.Für Stud überlegen wir uns folgenden Fall. Ihre Starthand ist 6 K 6 und Sie machen ein Raise in später Position auf das „forced Bet“. Zwei Spieler, jeweils mit einer kleinen offenen Karte bezahlen. Die vierte Karte scheint niemandem recht geholfen zu haben. Sie spielen noch einmal an und der erste Gegner trennt sich von seiner Hand. Der zweite bleibt zwar im Pot, aber man kann so richtig spüren, wie er sich plagt und windet, bevor er die erforderlichen Chips in die Mitte schiebt. Auf die fünfte Karte sollten Sie sofort wieder anspielen. Ausnahmen wären nur, wenn Sie Ihre Hand massiv verstärkt hätten oder Ihr Gegner ein Karte bekommt, die ein wenig gefährlich wirkt und Sie somit in Ihrer Aktion stoppt.
Situation Drei: Der Gegner bereitet sich vor
Ein weiteres Feld, in dem Sie häufig aus Ihrem genauen Beobachten Kapital schlagen können, ist, wenn der Gegner frühzeitig seine Chips herrichtet. Das passiert häufig in der Erwartung Ihres scheinbar sicheren Anspiels und der Gegner deklariert sich damit, dass er den Pot keinesfalls kampflos aufgibt. Meistens wird er auch lediglich ein Call machen und kein Raise. Sobald er einen reinen Bluff schlagen kann, steht es aus seiner Sicht schon durch die Potgröße zum Geld auch noch die letzte Wette zu investieren. Wobei ich habe schon oft gesehen, dass Spieler den letzten Call in die Mitte schoben, bevor sie überhaupt an der Reihe waren. Wie sie dann noch hoffen konnten, gegen einen Bluff anzutreten, bleibt mir ein Rätsel.
Was die Sache für Sie aber so interessant macht, ist die Tatsache, dass so gewisse Bets mit Bauchweh am River, plötzlich entspannt und höchst profitabel werden. Wenn Sie sehen, dass sich der Gegner bei der letzten Setzrunde exakt den Betrag für ein Call herrichtet, sollten Sie viel mehr, ja praktisch immer, anspielen. Um das an einem Beispiel zu illustrieren. Sie spielen Limit Hold´em und haben ein K-K in der Lade. Der Flop kommt J 6 2 . Sie spielen an, einer bezahlt. Am Turn kommt 9 . Wieder dasselbe, Sie spielen an, Ihr Gegner bezahlt. Am River die 10 . Jetzt ist plötzlich einiges möglich und das Board sieht nicht mehr ganz so harmlos aus. Eine Straße ist denkbar, oder vielleicht verlieren Sie jetzt mit Ihrem Paar Könige gegen zwei Paar? Gar nicht so leicht in der Situation anzuspielen. Außer Ihr Gegner macht es Ihnen eben einfach, indem er sich wieder vorzeitig verrät und exakt die Chips für den letzten Satz vorbereitet. Dann müssen Sie selbstverständlich immer gleich anspielen.
Die Entsprechung beim Stud wäre, wenn Sie mit einer Hand wie zwei kleinen Paaren den ganzen Pot angespielt haben und Ihr einziger Gegner hat immer lediglich bezahlt. Eigentlich hatten Sie ihn auf einen Flush-Draw eingeschätzt und somit war Ihr Plan am River zu checken. Wenn aber jetzt der Gegenspieler überraschenderweise nach der letzten Karte wieder exakt die erforderliche Wette vorbereitet und frühzeitig diese typische Call-Bewegung einleitet, hat das sicher etwas zu bedeuten. Ihr Gegner demonstriert damit zweifelsohne Schwäche. Vielleicht hat er sein Flush nicht gemacht und stattdessen ein Paar getroffen, oder Sie haben ihn überhaupt falsch eingeschätzt während der ganzen Zeit? Aber egal, in der Situation sollten Sie auf jeden Fall anspielen. Weil dadurch, dass Sie bei jeder Setzrunde angespielt haben, erwartet das Ihr Gegner bereits. Aber durch seine nachlässige und voreilige Art macht er es Ihnen auch verdammt leicht und so können Sie mitunter eine profitable Extrawette lukrieren.
Sie brauchen auch in dieser Spielsituation keine Angst vor einer Falle haben. Gegner, die sich Vorteile über ein wenig Show verschaffen wollen, gehen das in der Regel ganz anders an. Etwa indem sie genug Chips vorbereiten. um Ihnen auffällig mit einem Raise zu drohen. Da ist manchmal schlauer mit halbwegs einer Hand zu checken und den möglichen Bluff zu kassieren. Beziehungsweise sollten Sie gar nichts haben, gerade weil der Gegner Sie einzuschüchtern versucht, unerschrocken selbst einen Bluff starten.
Abschließend möchte ich noch betonen, dass diese kleinen Botschaften, aus denen der aufmerksame Spieler seinen Vorteil ziehen kann, nur durch nachlässiges Spiel entstehen. Deshalb wird man so etwas auch kaum bei starken Spielern beobachten können. Die Spitzenspieler achten erstmals ganz darauf, was sie tun, und außerdem achten sie generell viel mehr auf alles was am Tisch passiert. Wenn Sie also eine dieser oben beschriebenen optischen Botschaften bei einem wirklichen Top-Profi sehen, wird der sich wohl was dabei gedacht haben. In dem Fall rate ich Ihnen zu äußerster Vorsicht.
Mason Malmuth
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 19.06.2007.