Sicher ist dem geneigten Leser nicht entgangen, dass meine Serie „Die Hand der Woche“ genauso endete wie meine Online-Karriere – jäh. Dem zuständigen Redakteur habe ich jedoch versprochen, gelegentlich eine Handanalyse zu liefern, wenn sich bei meinem Live-Spiel etwas Spannendes ergibt. Und in der Tat, vergangene Woche spielte ich eine Hand, die mir am Tisch und im Nachhinein ein Rätsel aufgab.
Gespielt wird No-Limit Hold’em mit Blinds von 2 €/4 € und einem gelegentlichen Live von 10 €. Zu dem Gegner in der aktuellen Hand gibt es eine Menge Vorgeschichte. Schon regelmäßig bin ich mit Mammi (Name natürlich geändert) aneinander geraten und er spielt einen gleichermaßen furchtlosen wie loosen Stil. Demonstrativ setzt er sich meist zu meiner Linken, um Position auf mich zu haben und mich herauszufordern. Unvergessen bleibt seine Spielweise mit Qx 6x offsuit und effektiven 240 Euro, als er nach lauter Calls und meinem provokanten Aufstocken im Small Blind auf 60 Euro im BB raiste und schließlich mein All-In mit Ax Kx callte.
In der Hand, um die es heute gehen soll, sitzt Mammi in UTG und limpt. Das können bei ihm niedrige Paare, Suited Connectors, aber auch hohe Paare sein – seine Gefährlichkeit besteht vor allem in seiner Undurchschaubarkeit. Seltsamerweise limpt sonst nur ein Spieler und ich halte im SB A A . Ich raise auf 32 €, etwa der Standard an diesem Tisch. Ich habe danach noch etwa 730 Euro vor mir, Mammi etwa 750 Euro und der andere Spieler etwa 140 Euro.
Mammi callt mit den Worten „Nur Call“, der andere Spieler foldet und der Flop bringt 5 4 2 . Im Pot sind 72 Euro und ich spiele 44 Euro an. Mehr oder weniger prompt schleudert Mammi 138 Euro in den Pot und es ist genau das passiert, was ich befürchtet hatte.
Vorsicht an all diejenigen, die jetzt den Kopf schütteln und denken, „Ist doch klar, All-In“. Genau das ist an dieser Stelle sehr problematisch, da es nur sehr wenige schlechtere Hände gibt, die ein All-In callen können. Gleichzeitig ist das Chance-Risiko-Verhältnis bei diesen Stacks sehr ungünstig. Ich muss fast 700 Euro investieren, um 254 Euro zu gewinnen, d.h. ich gebe mir Pot Odds, die mit ca. 2,8 zu 1 wahrlich nicht prickelnd sind.
Ein Raise auf 300 Euro macht keinen wirklichen Unterschied, da ich nach einem All-In von Mammi Pot Odds bekäme, die ich nicht ausschlagen kann. Gleichzeitig bin ich mir ziemlich sicher, dass er nach einem All-In-Reraise von mir alle Hände außer JJ+ foldet, die er außerdem zumindest teilweise vor dem Flop gereraist hätte. Zudem kann er den Nut Flush Draw nicht haben, da ich das A halte. Zuzutrauen ist ihm neben einem Bluff auch ein mittleres Paar von 66 bis TT, das er nicht besonders gut, aber gemäß seinem Stil gespielt hat, sowie natürlich alle drei Sets. Natürlich kann Mammi auch mit einer 4x oder zwei Karo semibluffen, doch Protection steht hier in unklarer Lage auf jeden Fall im Widerspruch zur Pot-Kontrolle mit einer starken, aber nicht monströsen Hand.
Am Tisch habe ich seinen Raise auf dem Flop gecallt, weil ich keine bessere Möglichkeit und vor allem keinen besseren Plan entdeckt habe. Kritisch wird es natürlich, wenn Mammi nach meinem Check auf dem Turn hoch anspielt und ich wieder zum Pot-Commitment gezwungen bin. Doch der Unterschied ist dann, dass ich weiteres Geld von ihm in den Pot bekommen habe und alle Bluffs/Semi-Bluffs zur Kasse bitte.
Ich bin zum All-In bereit, aber nur dann, wenn ich eine weitere Bet (bzw. den Stack, wenn er nicht blufft) von meinem Gegner bekomme, der mich immerhin nur mit fünf realistischen Händen (5x 4x , 5x 5x , 4x 4x , 2x 2x und Ax 3x , also 26 Kombinationen) schlägt.
Wie gesagt, bis heute bin ich (wegen seiner Call-Range nach einem All-In) nicht sicher, ob die eingeschlagene Route optimal war, doch scheint sie mir sehr vertretbar. Doch von einigen anderen Spielern erntete ich Protest. All-In auf dem Flop hieß die Forderung, ich könne mich mit einer Bet auf dem Turn nicht aus der Hand drängen lassen, müsse meine Hand beschützen usw.Das allerdings ist eine sehr verengte Sicht des Problems, denn die konkreten Stackgrößen sind für ein All-In auf dem Flop nicht geeignet.
Die Hand endete damit, dass der Turn den J brachte, von beiden Spieler gecheckt wurde und ich nach der Q auf dem River eine Value Bet in halber Potgröße brachte. Da Mammi nach wildem Lamentieren callte und anschließend muckte, gehe ich davon aus, dass er ein Set hatte. Die Ironie dabei ist, dass ich nach einer Bet von Mammi mein Geld als Außenseiter im Pot untergebracht und die Hand anschließend glücklich gewonnen hätte. An der Einschätzung, dass ein Reraise All-In auf dem Flop keine gute Entscheidung gewesen wäre, ändert das aber nichts.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 28.11.2011.