Ein Lehrbuchbeispiel der besonderen Art erlebte die sympathische Charlotte Roche bei ihrer ersten WSOP. PokerStars hatte die Bestseller-Autorin beim Main Event ins Rennen geschickt, wo sie Opfer ihrer Unerfahrenheit wurde, der Nachwelt aber ein druckfähiges Negativbeispiel im Bereich Protection/Handanalyse lieferte.
Zur Hand: Wie gesagt befinden wir uns beim Main Event der WSOP 2010, die Blinds betragen 150/300 plus 25 Ante. Die genauen Stacks sind nicht überliefert, aber alle Beteiligten haben mindestens 30.000 Chips. Charlotte sitzt im Small Blind und vor ihr limpen UTG, der Cut-Off und der Button. Charlotte hat 8 8 und füllt im Small Blind auf. Gut gespielt, da ein Raise ohne Position in dieser Phase mit großen Stacks wenig Erfolgsaussichten verspricht und diese Hand in dieser Phase im Small Blind hauptsächlich auf Set Value gespielt werden kann. Der Big Blind checkt und es sind 1.625 Chips im Pot.
Der Flop bringt Q 8 7 und Charlotte hat mit ihrem Set Achten die Second Nuts gefloppt. Gleichzeitig ist die Hand sehr verwundbar, da sowohl ein Flush Draw in Herz als auch Straight Draws denkbar sind. Angezeigt wäre daher eine Bet im Bereich der Potgröße, um die Horde von vier Spielern hinter ihr kräftig auszudünnen. Charlotte setzt jedoch 500 und bietet damit jedem Spieler hinter ihr Pot Odds von mindestens 3,25 zu 1.
Protection sieht anders aus, UTG und der Cut-Off callen und prompt liefert der Turn mit der 6 eine der vielen Scare Cards. Wirklich günstig wären dagegen nur eine 2, eine 3, ein König und ein Ass (jeweils offsuit) sowie natürlich jede Sieben, die letzte Acht oder jede Dame gewesen, also nur 19 der 47 Karten im Deck. Im Pot sind 3.125 und Charlotte spielt von vorne 1.000 an. Erneut lässt sie damit die Gelegenheit aus, ihre Hand zu schützen und bietet jedem Straight- und Flush Draw ausreichende Pot Odds.
Doch es naht die Rettung, die Charlotte vor größerem Unheil hätte bewahren können. UTG callt und der Cut-Off erhöht auf 4.350. Spätestens jetzt muss Charlotte sich ernsthaft fragen, was ihre Gegner halten. Bei UTG spricht alles für einen Draw, vermutlich einen Flush Draw in Herz, denn er limpte in UTG und callte auf Flop und Turn mit Spielern hinter ihm. Ein ohnehin unwahrscheinliches Set hätte er sicher aggressiver gespielt und eine Dame lässt sich in seinem Spektrum nur schwer finden. Der Cut-Off kann aufgrund seines Preflop-Calls in Position so ziemlich alles haben, wobei sein Call auf dem Flop seine Hände eingrenzt. Auch bei ihm spricht auf dem Flop vieles für einen Draw und dass er nun, nachdem er die Spielerin raist, die zuvor in vier bzw. zwei Leute hinein angespielt hat (also mindestens auf Top Pair gesetzt werden muss) vermutlich getroffen hat.
Im Pot sind nach dem Raise des Cut-Off 9.475 Chips und Charlotte bekommt für einen Call Pot Odds von 2,8 zu 1. Gegen eine fertige Straight ist sie 3,5 zu 1 Außenseiter, doch aufgrund der Implied Odds kann sie auf jeden Fall callen, falls sie davon ausgeht, dass sie zum Sieg ein Full House braucht. Stattdessen raist sie jedoch auf 7.700 Chips und im Pot sind 16.175. Ein böser Fehler, da sie damit die Setzrunde neu eröffnet und dem Cut-Off die Gelegenheit zu einem weiteren Raise gibt.
UTG callt erneut, der somit endgültig auf einen Draw gesetzt werden kann und ebenfalls einen Fehler begeht, denn er befindet sich im Sandwich und kann die Setzrunde nicht abschließen. Der Cut-Off erhöht nun auf 21.500, worauf Charlotte über ihr Turnierschicksal entscheiden muss und endgültig kapieren sollte, dass sie zurückliegt. Nun betragen die Pot Odds 2,6 zu 1 und Charlotte steckt in der Zwickmühle.
Sie callt, UTG geht mit seinem Rest von 29.500 All-In, der Cut-Off callt und auch Charlotte callt. Der River bringt die 2 , der Cut-Off und Charlotte setzen ihre letzten effektiven 7.700 und UTG gewinnt mit A 9 und dem Nut Flush den riesigen Pot, während der Cut-Off 9 5 umdreht und den Side Pot gewinnt.
Wahrlich eine lehrreiche Hand!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.07.2010.