Mit einer starken Hand stand unser Protagonist in der heutigen Hand der Woche vor der Frage, ob er auf dem Turn zum All-In bereit ist oder nicht. Sein Gegner demonstriert dabei enorme Stärke und überschreitet mit seiner Bet auf dem Turn die All-In-Schwelle. Gespielt wurde diese NLHE-Hand bei Blinds von 1 $/2 $ an einem Rush-Poker-Tisch auf Full Tilt Poker und wie immer wollen wir an der kritischen Stelle den Stab an unsere Leser weitergeben, um die Entscheidung zu treffen.
Der Spieler in UTG (Stack 150,60 $) raist auf 6 $ und alle Spieler bis zu unserem Protagonisten folden. Dieser sitzt im Cut-Off, hat einen Stack mit 337,25 $ und hält Q Q . Natürlich könnte er mit dieser Hand raisen, entscheidet sich aber, sein Spiel zu variieren und nur zu callen. Eine Idee dabei ist, einen Squeeze des Short Stack (89,30 $) im Button zu provozieren, um dann gegebenenfalls All-In zu gehen.
Allerdings callt der Button ebenfalls, während die Blinds folden. Im Pot sind damit 21 $ und der Flop wird mit 9 3 3 aufgedeckt. Der Spieler in UTG setzt 14 $ und unser Protagonist callt in dieser WA/WB-Situation, worauf der Button foldet.
Im Pot sind damit 49 $. Auf dem Turn kommt die 8 und der Spieler in UTG setzt mit 50 $ etwas mehr als Pot. Seine Preflop-Werte betragen 20/12, sein AF gesamt 2 und die AFs auf Flop und Turn 1,5 bzw. 2. Im Pot sind aktuell 99 $.
Mit seiner letzten Bet signalisiert der Spieler in UTG nicht nur enorme Stärke, sondern überschritt die All-In-Schwelle und ist mit seinem restlichen Stack von 80,60 $ Pot-Committed. Wie soll der Protagonist mit seinem starken Overpair reagieren? Infrage kommen ein Call, ein All-In-Raise oder ein Fold.
An dieser Stelle wollen wir die Hand unterbrechen und die Frage an unsere Leser weitergeben. Wie würdet ihr weiterspielen und warum?
Auch heute wieder vielen Dank für Eure Beteiligung und die vielen interessanten Kommentare. Aufgrund der vielen kritischen Momente fällt die „Auflösung“ heute etwas länger aus, wobei ich vorausschicken will, dass ich bei Pokeraufgaben nur selten an die absolute Wahrheit glaube.
Widmen wir uns zunächst noch einmal der Action vor dem Flop. Wie immer handelt es sich um eine Fullring-Partie und sowohl der Spieler in UTG als auch der Button sind dem Protagonisten bestens bekannt. Von UTG hat er 1.200 Hände, vom Button über 5.000. Werden gegnerische Werte angegeben, basieren diese immer auf einer relevanten Samplesize, dies als Hinweis in eigener Sache.
Der Call mit Damen im Cut-Off wurde von einigen Lesern kritisiert, ist aber keinesfalls schlecht. Dass der Button als Short Stack zu Bluff-Squeezes neigt, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Dieser Move von ihm ist übrigens aufgrund der Stackgrößen ziemlich stark, da er (vorgeblich) klar macht, dass er um Stacks spielen will und damit bei Spielern, die ihn nicht kennen, viele Hände zum Folden bekommt. Hauptgrund des Calls ist aber, das Spiel mit Damen zu variieren und nicht nur mit mittelstarken Händen wie niedrigen Pockets in Position zu callen. Diese Variante sollte man gelegentlich ruhig auch mit Königen und Assen wählen, wobei es in einem aggressiven Umfeld wie auf diesen Limits noch besser ist, so in mittlerer Position zu spielen.
Problematisch ist in diesem Fall die Stackgröße des Spielers in UTG, die dessen All-In-Schwelle beträchtlich senkt und zu einer Stack-Entscheidung auf dem Turn führt. Ausschlag gebend für diese Entscheidung ist natürlich wie immer das Spektrum des Spielers in UTG. Nicht vergessen sollte man, dass er auf dem Flop in zwei Spieler hinein gebettet und damit eine starke Hand repräsentiert hat. Dieser Spieler ist nicht sonderlich aggressiv und ohne Treffer und Position durchaus imstande, auf die C-Bet zu verzichten bzw. eine Hand aufzugeben.
Nach seiner Turn-Bet kommen bei diesem Spieler daher eigentlich nur folgende Hände infrage: Asse, Könige, Damen (unwahrscheinlich), Buben, Zehnen, Neunen, Achten, A K , A K , einige weitere gleichfarbige Asse und einige Bluffs. Gegen dieses Spektrum sieht es nicht besonders rosig aus, aber die Equity beträgt ca. 50 Prozent. Lässt man die Bluffs weg, hat man allerdings nur gut 42 Prozent Equity.
Die Sache ist also ziemlich knapp und alle drei Spielweisen sind vertretbar. Eines ist aber klar, man spielt hier definitiv um die gesamten Stacks, da UTG mit seiner Bet die All-In-Schwelle überschritten hat.
Ein All-In hat den Vorteil, dass der Spieler in UTG mit einer schlechteren Hand (außer natürlich totale Bluffs) auf jeden Fall callen muss und auf dem River nicht mehr von geplatzten Draws wegkommt bzw. nach einer Overcard Zehnen oder Buben nicht mehr aufgeben kann (wozu er trotz Pot-Commitment evtl. in der Lage wäre). Ein Call dagegen birgt genau diesen Nachteil, hat aber den Vorteil, dass UTG auf dem River eventuell weiterblufft und man so seinen Stack gewinnen kann. Natürlich spielt es dann keine Rolle, welche Karte auf dem River kommt, sondern man muss auf jeden Fall callen. Wer damit Schwierigkeiten hat, sollte den Bildschirm verdecken.
Wie auch immer, in der konkreten Hand entschloss sich der Protagonist nach langem Nachdenken zum Fold, da er seine Pot Equity gegen diesen Gegner als zu schlecht einschätzte und diesem keinen reinen Bluff zutraute. Die Betsize sagt übrigens wenig über seine Hand aus, da er auch mit einer niedrigeren Bet Pot-Committed wäre.
Zum Schluss ein Wort in eigener Sache: Die Beispiele, die ich für die Hand der Woche aussuche, sind bewusst fast immer so gewählt, dass es aus meiner Sicht keine hundertprozentig richtige Lösung gibt. Vielmehr geht es darum, besonders komplexe Situationen zu präsentieren.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.02.2011.