Eigentlich kann es ja nur eine Hand der Woche geben, doch die Großereignisse der letzten sieben Tage bringen es mit sich, dass sich ein genauerer Blick auf eine weitere spannende Hand neben der zwischen Jonathan Duhamel und Matt Affleck aufdrängt, der wir uns gestern zuwandten.
Zur Situation: Phil Ivey, Justin Smith und Moritz Kranich bestreiten das Finale des Bellagio Cups im Rahmen der World Poker Tour. Die Blinds betragen 100.000/200.000 plus 20.000 Ante und die Stacks sehen so aus:
Phil Ivey – 2,630,000
Justin Smith – 3,885,000
Moritz Kranich – 7,615,000
Nach einem Fold von Justin Smith limpt Phil Ivey im Small Blind und Moritz Kranich, aus dessen Sicht die Hand verfolgt werden soll, checkt. Im Pot sind somit 460.000 Chips. Iveys Limp ist etwas ungewöhnlich, da er die Hand ohne Position spielen muss und er auch einen Steal versuchen könnte. Sein Spektrum ist entsprechend breit, es enthält neben Monstern viele andere Blätter. Kranich hält im Big Blind Qx Jx und checkt. Er hat eine ausbaufähige Hand und Position.
Der Flop liefert A J 4 und Ivey bringt mit 200.000 eine Minimum-Bet. Sein Spektrum lässt sich nicht weiter eingrenzen, er kann einen Flush Draw haben, mit einem Ass eine Falle gestellt haben, Middle oder Bottom Pair getroffen haben oder bluffen. Kranich hat mit Middle Pair plus gutem Kicker eine starke Hand für ein Heads-Up in den Blinds, die er nach Möglichkeit zum Showdown bringen möchte. Ein Raise ergibt wenig Sinn, da sich die drei restlichen Asse auf jeden Fall in Iveys Spektrum befinden und der Flush Draw zwar berücksichtigt werden, aber als entlegene Möglichkeit wahrgenommen werden muss. Im Pot sind nun 860.000 Chips.
Der Turn bringt das A und nach Iveys Bet über 500.000 entsteht eine interessante Situation. Zum einen wird ein Ass bei Ivey durch das zweite Ass auf dem Board unwahrscheinlicher, aber gleichzeitig repräsentiert der Superstar eines. Mit einem Buben hat Ivey Showdown Value, aber nicht unbedingt eine Hand, die Value Bets in allen Setzrunden rechtfertigt. Kranich callt erneut und lässt Ivey damit viel Interpretationsspielraum. Er kann einen Flush Draw, Middle oder Bottom Pair, aber auch ein niedriges Pocket Pair wie Sechsen oder Fünfen haben. Ein Ass wird aus der Sicht von Ivey unwahrscheinlicher, da Kranich damit vermutlich geraist hätte. Im Pot sind 1,86 Millionen Chips.
Auf dem River wird mit der 3 eine komplette Blank aufgedeckt. Ivey denkt nach, setzt dann 700.000 Chips und lässt sich damit nur 1,01 Millionen Chips übrig. Gleichzeitig bietet er Kranich Pot Odds von 3,66 zu 1 und suggeriert förmlich, dass er sich nichts mehr als einen Call wünscht.
Hat er ein Ass, handelt es sich natürlich um eine Value Bet, doch wie sieht es mit einem Buben aus? Mit Kx Jx schlägt er Kranich, doch hätte er mit dieser Hand nicht vor dem Flop geraist? Hat Ivey Jx 4x oder Jx 3x (ohnehin entlegene Möglichkeiten), wäre sein Two Pair entwertet und Kranichs Kicker sticht. Alle anderen Buben schlägt Kranich auch, genauso die geplatzten Flush Draws, d.h. er muss sich nur um slow gespielte Kx Kx , Qx Qx und Jx Jx sowie die zwei restlichen Asse im Deck Sorgen machen.
Ivey hat die Hand zwar ab dem Flop wie jemand gespielt, der ein Ass hat, doch die Pot Odds sind mit einer sehr starken Hand zu gut, um zu folden. Gewinnt Kranich diese Hand, hat er Ivey außerdem praktisch in die Knie gezwungen, während er einen Verlust mühelos verkraften kann, da er danach immer noch 6 Millionen Chips hat.
Kranich callt deshalb folgerichtig und Ivey muss Jx 9x zeigen. Bleibt die Frage, ob Ivey tatsächlich in allen Setzrunden Value Bets bringen wollte oder auf dem River vielleicht sogar erkannt hat, dass er zurückliegt und die Hand nur noch mit einem Bluff gewinnen kann. Ansonsten ist die Bet nur damit zu erklären, dass er von den verbleibenden Kombinationen mit einem Buben sieben schlägt und nur gegen vier (darunter die unwahrscheinlichen AJ) verliert. Hätte er Kranich auf einen Flush Draw gesetzt, wäre dagegen Check/Call die logische Konsequenz gewesen.
Eine vielleicht nicht allzu spektakuläre, aber hoch interessante Hand, die Moritz Kranich den Weg zum Triumph beim Bellagio Cup ebnete.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.07.2010.