Sie sind beide Pioniere des Pokersports in Deutschland und saßen schon an den Tischen, als noch niemand den späteren Boom ahnen konnte und manch einer der jungen Wilden noch die Windeln gewechselt bekam. Aus der Mitte der Neunziger Jahre datieren die ersten Einträge bei HendonMob von Soraya Homam und Ulli Gerloff, beide erzielten bei der Poker-EM in Baden-Baden ein Spitzenergebnis.
Die Karrieren der zwei Spieler, die Poker ohne Literatur und Hilfssoftwares von der Pike auf lernten, sind unterschiedlich verlaufen – während Homam als Full-Tilt-Pro und Damenweltmeisterin von 2008 voll im Geschäft ist, hat sich Gerloff als Spieler fast völlig zurückgezogen. Wie kamen die beiden zum Poker, wie war es, in der Anfangszeit an den Tischen zu sitzen und was waren die herausragenden Erlebnisse? All diese Fragen beantworten Soraya Homam und Ulli Gerloff in unserem Interview:
Frage: Heute ist Poker auch in Deutschland ein Volkssport, doch Mitte der neunziger Jahre, zu Beginn Eurer Karriere, handelte es sich um eine exotische Disziplin. Wie seid Ihr damals zum Poker gekommen?
U.G.: In den 70er Jahren finanzierte ich mir mit Draw Poker mein Studium und meinen lindgrünen Porsche Carrera. Daher war ich eher selten in der Uni, habe aber dennoch mein Examen als Lehrer abgelegt. 1982 war ich das erste Mal in den USA, lernte über einen Bekannten Texas Hold’em kennen und wollte den Amerikanern den Arsch aufreißen. In bin in L.A. im Commerce eingelaufen und setzte mich in eine Limit-Partie 5 $/10 $ und kannte nicht einmal die Regeln – ich dachte, wer Draw Poker gut spielt, kann auch Hold’em.
Das Ergebnis war allerdings negativ, am ersten Abend minus 330 $ und 400 $ am zweiten. Am dritten Tag freute ich mich über das tolle Feedback der Stammspieler – die Freundlichkeit gipfelte dann in der Frage, ob ich morgen wiederkäme..
Mit einiger Erfahrung und noch mehr Verlusten trat ich die Heimreise an, aber ich hatte das Spiel lieb gewonnen und in den Folgejahren minimierten sich meine Verluste und mir gelang es zunächst, in die schmale Gewinnzone vorzudringen.
1993 hatte sich dank Weltmeister Matthias Rohnacher im Casino Wiesbaden eine Interessengemeinschaft Poker gebildet, die dreimal die Woche immer nur Stud spielte. Später kamen die Montagsturniere dazu, auch in Stud. Die Limits waren 10 DM/20 DM, bzw. 10 DM/50 DM, einige Jahre später wurde dann auch Hold’em angeboten und die Welt war für mich wieder in Ordnung, wie auch für mein Vorbild Mickey Finn.
S.H.: Schon als Jugendliche spielte ich Schach und später spielte ich in meinem Freundeskreis aus Spaß Draw Poker. Dies waren meine ersten Begegnungen mit strategischen Spielen in zwei unterschiedlichen Disziplinen.
Damenweltmeisterin!Durch einen Zufall, ein Essen im Käfers, bin ich im Casino Wiesbaden gelandet, da war ein freundlicher Croupier, der mich an einen wunderbaren ovalen Tisch einlud. Er sagte, ob er mir das Spiel erklären darf, ich war begeistert und durfte mich nach 20 Minuten Spielerklärung an den richtigen Tisch setzen. Zwar hatte ich das Minimum-Buy-In von 500 DM nicht dabei, doch zum Glück Schecks, und so kaufte mich auf dem einzigen freien Platz ein. Da saßen auch schon Ulli und viele andere, die sich über eine Ahnungslose freuten, die dann aber abräumte. Ein Stammspieler meinte daraufhin, dass er nicht glaube, dass ich zum ersten Mal im Casino Poker spielte.
Frage: Beschreibt bitte ein wenig die damaligen Verhältnisse.
U.G.: Es gab einige Semiprofis, die auch folden konnten, während andere bei diesen „billigen“ Tarifen ihrer Neugierde freien Lauf ließen und nach dem Motto „Kann ja noch kommen“ bis zum Schluss dabei blieben.
S.H.: Ergänzend fällt mir in diesem Zusammenhang ein bekannter Satz von manch lockerem Spieler ein: “Bauchschuss kommt bei mir nie!“
U.G.: Rohnacher hatte damals eine Privatrunde laufen, einmal kam ein Überfallkommando der Polizei, zwanzig Leute stürmten und wir mussten uns an die Wand stellen. Sie vermuteten Prostitution oder Drogen, aber wir waren ja ganz harmlos. Leute wie Gerd Wandel und Rohnacher selbst standen wie Schwerverbrecher an der Wand.
S.H.: Irgendwann wurde auch im Casino Bad Homburg gespielt, eine ganz heiße Partie. Jedoch gab es Phasen, in denen die Pokerpartien in beiden Casinos in Bedrängnis gerieten. Nach Ansicht der Casinobetreiber, war der Profit beim Poker für die Casinos nicht so groß und zeitweise saßen wir nur noch mit drei Spielern am Tisch. Erst 1997/1998 füllten sich die Tische wieder und es kamen immer mehr Spieler hinzu, manchmal liefen sogar sechs Tische – ich erinnere mich einmal war der Pokersaal so übervoll, dass witzigerweise spontan improvisiert ein weiterer Pokertisch aus Colakisten mit einer Baccaraplatte obendrauf hinzu gestellt wurde, so konnte auf der langen Warteliste die Schlange verkürzt werden.
Fortsetzung am Freitag
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 29.09.2010.