Ein leidiges Thema für jeden Pokerspieler sind die Downswings, die so unvermeidlich zum Spiel dazu gehören wie Bad Beats. In einem Interview mit dem amerikanischen Cardplayer äußerten sich nun die drei Profis Matt Stout, Chris Hunichen und Christopher Klodnicki, wie sie selbst mit dem teuflischen Monster Downswing umgehen.
Diesen Text wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten und präsentieren ihn hier in deutscher Übersetzung:
CardPlayer: Wie geht Ihr mit den unvermeidlichen Downswings um, die einen professionellen Turnierspieler zwangsläufig ereilen?
Matt Scout. Du hast ein gutes Adjektiv gefunden, um Downswings zu beschreiben: unvermeidlich. Jeder Spieler muss einsehen, dass er nicht seine gesamte Karriere lang einen wundersamen Lauf hat, auch wenn dies sehr schön wäre. Das gilt vor allem für Leute, die nur Turnier spielen und deshalb mehr Varianz erleben als Cashgame-Spieler. Ein sehr wichtiger Rat, den ich Anfängern während eines Downswings geben kann, ist, nicht zu vergessen, sich auf andere Aspekte des Lebens zu konzentrieren. Es klingt vielleicht merkwürdig, aber ich habe definitiv festgestellt, dass Spieler, die 80 Stunden pro Woche Turniere spielen und nichts anderes tun, wesentlich stärker emotional von ihren kurzfristigen Resultaten beeinflusst werden als diejenigen, die weniger pokern und auch an anderen Dingen Freude haben.
Mir persönlich hilft während eines Downswings, mit Freunden zu Hause eine Partie Dealer’s Choice um niedrige Einsätze auszutragen. Damit kann man wunderbar entspannen und ein bisschen Poker spielen, ohne sich über den Erwartungswert jeder Entscheidung allzu große Gedanken zu machen. In diesen Partien habe ich mit der Zeit sicher mehrere Tausend Dollar verloren, weil ich betrunken war und absichtlich wie ein Idiot gespielt habe. Ich würde diese Verluste gegen nichts auf der Welt eintauschen, da ich einen Heidenspaß dabei habe. Diese Partien rufen mir in Erinnerung, warum ich ein so leidenschaftlicher Pokerspieler bin.
Chris Hunichen: Die Varianz beim Poker kann verheerende emotionale Auswirkungen haben und der Umgang mit diesen Emotionen hat großen Einfluss auf den letztlichen Erfolg. Ich persönlich glaube, dass eine der besten Methoden darin besteht, kleinere Pausen einzulegen, mit Freunden wegzugehen oder etwas zu machen, das nichts mit Poker zu tun hat. Es wichtig, Freunde zu haben, die nichts mit Poker zu tun haben, damit man während der Pausen auch nicht über Poker reden muss.
Allerdings sind Pausen zwar wichtig, aber noch wichtiger ist es, während eines Downswings weiter zu spielen. Je mehr Hände, Stunden und Anstrengung man aufwendet, desto mehr lernt man. Poker ist ein sehr situatives Spiel und je mehr Situationen man erlebt, desto besser kann man damit umgehen. Es ist also wichtig, sich durch einen Downswing hindurch zu kämpfen und weiter zu spielen, da man am Ende als sehr starker Spieler die Varianz überwindet und Geld gewinnt.
Christopher Klodnicki: Die beste Methode für den Umgang mit Downswings ist, sich an das Bankroll-Management zu halten und dafür zu sorgen, dass man ausreichende Rücklagen hat. Auf diese Weise dürften selbst große Downswings nicht die persönlichen Finanzen beeinträchtigen. Weiß man, dass es dennoch finanziell gut um einen bestellt ist, sinkt der mit Downswings verbundene Stress beträchtlich. Wichtig ist, dass man als Turnierspieler daran denkt, sich auf große Downswings einzustellen. Auch ein Gewinner kann Pleite gehen, wenn er während eines Downswings über seine Verhältnisse spielt.
Natürlich gibt es andere Stressfaktoren wie etwa der Zweifel, ob man immer noch ein Gewinner ist. Ich hatte dieses Problem definitiv mehrere Male und es half mir immer, mir mit anderen Spielern meine Hände anzuschauen, um festzustellen, dass ich einfach Pech hatte und keine schlimmen Fehler beging. Eine längere Pause einzulegen war ebenfalls etwas, das mir beim Umgang mit Verlusten geholfen hat. Verliert man Woche um Woche, beginnt man an sich zu zweifeln und es graut einem davor, Poker zu spielen. Manchmal bekommt man einen positiveren Blick auf die Situation, wenn man ein paar Tage aussetzt und mit frischer Energie zurückkehrt.
CardPlayer: Welchen Rat könnt ihr den Lesern geben, um Tilt zu vermeiden, wenn man in einem Turnier weit gekommen ist und einen Bad Beat erleidet?
Matt Stout: Ich war in der Regel ziemlich auf Tilt, wenn ich gegen Ende eines Turniers einen Bad Beat einstecken musste. Dies ist definitiv einer der schwierigsten (und wichtigsten) Punkte, den ein ernsthafter Pokerspieler meistern muss. Ich brauchte Jahre, um damit klar zu kommen, und das kann für einen Internetspieler noch schwieriger sein, da man deutlich mehr Hände spielt und daher mehr Situationen erlebt, in denen Bad Beats passieren. Bei mir hat das Umdenken eingesetzt, als ich begriff, dass ich bei jedem Tilt Geld verschenke. Ich erleide einen Bad Beat und frage mich: „Gut, Du hast diese Hand verloren. Willst Du jetzt noch mehr Geld verlieren oder den Mund abputzen und es wie ein Mann nehmen?“ Zum Glück entschied ich mich schlussendlich, es wie ein Mann zu nehmen. Es gibt auch einige Naturheilmittel gegen Tilt, aber dafür muss man zum Arzt gehen.
Zu Beginn meiner Karriere gab es ein 300-Dollar-Turnier, das mir dabei half, nie aufzugeben. Ich hatte bei Blinds von 300/600 und einem Ante von 100 nur noch 1.300 Chips. Ich blieb konzentriert und geduldig, obwohl sich die anderen über mich lustig machten, wenn ich mit diesem Stack foldete. Zuletzt lachte aber ich, als ich das Turnier noch gewann. Das Gleiche gelang mir zwei Jahre später in Atlantic City, als ich mit nur noch drei Big Blinds letztlich mein erstes WSOP-Circuit-Turnier gewann.
Chris Hunichen: Am wichtigsten ist es nach einem Bad Beat, nicht seinen Verlusten hinterher zu jagen. Man sollte nicht viel mehr Pots spielen, um das Verlorene wieder herein zu holen. Wenn manchen Spielern klar wird, dass sie einmal soundso viel Chips hatten, haben sie das Gefühl, diese so schnell wie möglich wieder zurück haben zu wollen. Stattdessen muss man seine Strategie den Big Blinds, die man noch hat, und den anderen Stacks am Tisch anpassen. Man sollte sich darauf konzentrieren, seinen Stack wieder zu vergrößern, und sich die geeigneten Situationen dafür aussuchen, ohne den anderen die Chips in den Rachen zu werfen.
Eine andere Methode, Tilt nach einem Bad Beat zu vermeiden, besteht darin, aufzustehen, ein wenig herumzugehen und ein paar Dehnübungen zu machen. Es ist gut, das Blut wieder in den Kopf fließen zu lassen und sich mental von dem Bad Beat zu befreien. Die Gemütsverfassung ist ein wichtiger Faktor für den langfristigen Gewinn und es ist wichtig, so positiv wie möglich zu denken, um schwere Zeiten zu überstehen.
Christopher Klodnicki: Als Cashgame-Spieler sollte man aufstehen und das Casino verlassen, wenn man auf Tilt ist. Für Turnierspieler ist es nicht ganz so einfach. Ich bin vielleicht nicht der ideale Ansprechpartner für Ratschläge gegen Tilt, es gibt aber einige Dinge, die mir helfen. Nach einem Bad Beat oder dem Verlust eines großen Pots versuche ich tighter zu spielen. Auf diese Weise mache ich nicht so leicht einen großen Fehler, der durch meine momentanen Gefühle entsteht. Ich persönlich glaube, dass es hilft, etwas durch die Gegend zu werfen oder zu schreien, um Druck abzubauen. Allerdings ist es nicht gut, etwas Teures kaputt zu machen. Vielleicht fühlt man sich kurzfristig besser, wenn man sein Laptop zertrümmert, aber wenn man danach ausgeblindet wird und sich ein neues Laptop für 2.000 Dollar kaufen muss, fühlt es sich doch nicht so gut an.
Wir danken dem CardPlayer für die Abdruckgenehmigung.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 09.02.2011.