Normalerweise hätte ich das nachfolgende, literarisch wahrscheinlich wieder schnell in Vergessenheit geraten werdende Gedankenzusammenführungswerk mit der Hand schreiben müssen.Mein Computer ist kaputt. Er ist letzte Woche an altersschwächebedingter Überanstrengung von uns gegangen. Gott hab ihn selig. Ich habe kein Geld für einen neuen. Mein Frau hat mir in dieser Beziehung jetzt endgültig den Hahn zugesperrt.
Ich habe wieder mal alles verzockt. Alles verloren. Nicht bewusst, aber gekonnt verzockt. Mal kam der Royal Flush auf dem River nicht, mal fehlten zwei Karten zur Straße, mit der ich die Hand gewonnen hätte. Dann musste ich auf Toilette, just in der Zeit, als garantiert die Könige und Asse kamen, die auch gehalten hätten. Ganz bestimmt.
Alles nur Pech also. Obwohl ich mich ja manchmal selbstkritisch frage, ob ich mein Spiel nicht doch hätte nicht umstellen sollen. Von schlecht auf donken. Aber wenn man immer alles richtig macht, wird man nie erfahren, was falsch ist. Und ich werde nie dorthin gelangen, wo ich hingehe. Und da muss ich auch hin, ich brauche ein pokerspielrelevantes Ziel, eine neue Strategie. Nicht zu wissen, was man will, lässt einen oft ratlos zurück. Im Leben wie beim Pokern. Wer sich selber nicht erkennt, sollte das Licht einschalten. Und seine Spielweise gravierend überdenken.
Aber sei wie es sei – Geld futsch, Geier da, Frau böse, Computer tot. Renaissance des Kugelschreibers. Bleistifte sind die neue Antwort auf Ipads. Die neue Minen-Generation und ich bin wieder mal ganz vorne dabei. Ich Trendsetter.
Aber ich will mich nicht beklagen. Ich habe einige vergnügte Tage und Nächte im Kreis meiner Lieben verbringen dürfen. Aller 52 Liebsten. Und ich habe Menschen kennen gelernt, die sich gefreut haben, mich kennen gelernt zu haben und die mir wirklich dankbar sind. Manche schließen mich sogar in ihr Nachtgebet ein; manche haben sogar ein Foto von mir in ihr Portemonnaie geklebt.
Mir hingegen geht es wie dem deutschen Mittelstand im Handwerkerbereich – auch ich beklage die nachlassende Zahlungsmoral. Der meiner Mitspieler, mir gegenüber. Aber Geld wird auch gerne schon mal überbewertet.
Es hilft kein Jammern, es hilft kein Klagen, das bedruckte Papier mit den Zahlen drauf ist halt weg. Da werde ich es wohl in nächster Zeit mit anderer, richtiger Arbeit versuchen müssen. Wie schrecklich. Aber wie sagt schon der Wetterbericht (früher mal Herr Kachelmann): nach dem Regen kommt Sonnenschein und manchmal ist es andersrum.
Mein Dank gilt jedenfalls den VIPs. Verein Insolventer Poker Spieler. Ehrenamtlich geführter und auf Spenden angewiesener Verein, in deren Hamburger Geschäftsstelle ich gerade am Computer sitze.Hier werden auch Essensmarken ausgeteilt, und Getränke wie Leitungswasser und Leitungswasser groß. Und sogar Chips gibt es hier. Die salzigen und die mit Paprika. Die Schwestern von Salzstangen. Echte Spielchips gibt es natürlich nicht. Schließlich gibt es bei den Anonymen Alkoholikern auch keine Italienische-Weißwein-Probierwochen.
Und bei dem Verband der Sexsüchtigen hängt kein Poster von Dolly Buster an der Wand, sondern das letzte Wahlplakat der CDU, das mit Angela drauf. Führe uns bloß nicht in Versuchung.
So sitz ich hier, ich armer Tropf und denke immer an Vegas. Main Event. Da ist es auch kein Trost, dass ich nicht alleine bin. Viele Pokerspieler sind ziemlich broke. Einige mit wenig Geld (gell, Ahmed), andere mit viel, viel Geld (gell, Gus). Der Geier kreist fleißig. Und hat seine große Verwandschaft schon alarmiert.
Aber so sind wir Künstler, wir pokerspielenden Künstler. Immer am Limit. Gedanklich, alkoholisch und finanziell. Gestern noch Golf Cabrio, heute Ferrari und morgen nicht mal mehr Straßenbahnmonatskarte. Aber nächsten Monat werden wir wieder zocken. Und werden gewinnen. Hol´s doch der Geier.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 13.10.2010.