Poker ist nicht nur ein Spiel, das von Leidenschaft geprägt ist, sondern zeichnet sich auch durch puren Kapitalismus und Machtbestreben aus. Während am Pokertisch die Gegner mit allen Mitteln eingeschüchtert werden und der Kampf um alle verfügbaren Chips kein Ende nimmt, stellt man sich häufig die Frage was mit diesen machthungrigen Pokerspielern passiert, wenn sie sich abseits der Tische im Leben zurechtfinden sollen. Dem Großteil sieht man vielleicht nicht an, dass sie skrupellose Pokerspieler sind, aber bei anderen sieht man förmlich die Dollarzeichen in den Augen.
Was passiert also wenn der Kampf ums Geld nicht auf den Tischen im Casino oder Internet stattfindet, sondern in der Geschäftswelt? Vielen mag das gleichgültig sein, solange sie nicht involviert sind, allerdings bekommt bereits der Durchschnittspokerspieler etwas davon mit und das auf einer der größten Marktplätze dieser Welt: Amazon.de
Als interessierter Pokerspieler und -schüler, verfolgt man natürlich täglich das Geschehen in der Bücherwelt. Welche neuen Bücher werden angekündigt? Wie kommen die neusten Werke bei den Lesern an? Und welche Bücher verkaufen sich am besten? Das sind alles Fragen, die man innerhalb weniger Minuten durch Amazon beantworten kann. Doch ist das was man als Kunde zu sehen bekommt wirklich objektiv, oder was steckt zum Beispiel hinter dem hochgepriesenen Rezensionssystem?
Vor einiger Zeit tauchte bei einem Buch eine Rezension auf, deren Verfasser dem Namen des Autors entsprach. Dieser Herr hatte sich selbst eine Bewertung geschrieben, natürlich war diese nicht schlecht, ebenso wie die Verwunderung nachdem sich der Fall herumgesprochen hatte. Die Reaktion des Autors war gelassen. Es sei doch mittlerweile normal, dass man sich selbst Bewertungen schreibt.
Diesen Eindruck hatte ich bisher nicht, doch seit einigen Wochen muss ich diesem Autor zustimmen. Was sich auf dem Büchermarkt und besonders bei den Pokerbüchern abspielt, stößt wirklich an die Grenzen dieses Rezensionssystems und der Legalität. Dessen Zweck soll es sein Empfehlungen von Kunde zu Kunde auszusprechen. Doch was passiert wenn der Verlag und/oder Autor in die Rolle des Kunden schlüpft und Empfehlungen ausspricht? Dann verliert dieses System jeglichen Sinn und es dient nur als Instrument die Verkaufszahlen zu steigern.
Eigens oder von sehr guten Freunden geschriebene Rezensionen lassen sich jedoch recht schnell entlarven. Hat der Rezensent keine anderen Artikel mehr bewertet, so spricht vieles dafür, dass es sich um eine solche Rezension handelt. Der Inhalt jedoch ist das entscheidenste. Kein Buch ist perfekt, wenn dies aber behauptet wird, so ist dies sehr auffällig. Außerdem wird bei „gefakten“ Rezensionen kaum oder gar nicht auf den Inhalt eingegangen. Neben Phrasen wie „ich bin hellauf begeistert“, „1A Buch“ oder „Pflichtkauf!“ enthalten sie nicht die kleinste Kritik und gehen auch nicht auf den Inhalt ein.
Diese doch recht auffälligen Rezensionen sind schon häufiger angezeigt worden. Aber nur bei den Pokerbüchern scheint es möglich, dass sich manche Rezensenten erdreisten Inhalte von anderen Rezensionen oder sonstwo aus dem Internet 1:1 zu kopieren. Es liegt wohl auf der Hand, dass es sich nicht um einen ehrlichen Kunden handelt, der anderen Kunden seine Meinung offen legen will, sondern um Benutzer, die dahinter eine klare Intention verfolgen.
Dass sich manche Autoren selbst Rezensionen schreiben und schreiben lassen, scheint also schon zur Tagesordnung zu gehören. Aber der Eingreif auf Konkurrenzprodukte ist schon fast kriminell und verachtenswert. So bietet Amazon die Möglichkeit Rezensionen als unzumutbar zu melden. Klicken einige Kunden auf diesen Button, wird die Rezension entfernt. Gedacht ist diese Funktion um wirklich anstößige und gegen die Rezensionsrichtlinien verstoßende Bewertungen zu melden und entfernen zu lassen.Doch auch hier ist Missbrauch vorprogrammiert! Wer gerade lustig ist kann sich ein paar Accounts auf Amazon erstellen und einfach ziel- und wahllos Rezensionen entfernen. So geschehen bei einer Vielzahl der deutschen Pokerbücher. Innerhalb einer Nacht sind bei einem Buch insgesamt 10 Ein-, Zwei-, und Dreisterne Rezensionen verschwunden. Die Tatsache, dass wirklich nur unliebsam niedrige Rezensionen entfernt wurden, legt den Verdacht nahe, dass System dahinter steckt!
Bei zwei weiteren deutschen Büchern sind ebenfalls innerhalb weniger Stunden einige Rezensionen verschwunden. Dieses Mal aber keine schlechten, sondern nur 5 Sterne Bewertungen! Die Tatsache, dass diese Rezensionen seit Monaten angezeigt, von vielen Kunden als hilfreich bewertet wurden und nicht gegen die Rezensionsrichtlinien verstoßen haben, zeigt deutlich, dass Amazon der freien Marktwirtschaft nachgeht und nicht eingreift.
Und das waren keine Einzelfälle. Erst vor wenigen Tagen entdeckte ich eine gute, tiefgründige und scheinbar ehrliche Dreisterne Rezension bei einem Buch, das ich schon länger im Auge hatte. Nur eine halbe Stunde hat diese unterdurchschnittliche Rezension überlebt, bis sie schließlich wie von Geisterhand entfernt wurde. Ebenso eine lange und ausführliche 5 Sterne Rezension bei einem anderen Buch überlebte keine Stunde. Hier scheint eine Art Matrix am Werk zu sein, Amazon jedenfalls nicht.
Nachdem ich Amazon mit einem kurzen Telefonat diese unmöglichen Zustände geschildert habe und mir versichert wurde, dass dem nachgegangen wird, scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Bei den verdächtigen Büchern hat Amazon dutzende Rezensionen entfernt. Im Moment sieht es regelrecht nach einer Radikalkur aus und es scheint, dass nicht nur gefakte Rezensionen dran glauben müssen. Die auf dubiose Art und Weise verschwundenen Rezensionen sind bisher nicht wieder aufgetaucht und ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich das noch ändert. Wahrscheinlicher ist es, dass Amazon so frei ist und einen Großteil aller Rezensionen entfernt um „Ruhe“ in diesen Markt zu bekommen.
Als Kunde kann ich anderen Kunden ehrlich und ohne Absicht auf Manipulation – anders als bei den meisten Amazonrezensionen – nur den Tipp geben, nicht allzu naiv zu sein und alle Rezensionen und Rezensenten genau zu studieren. Eine Fünfsterne Rezension bedeutet nicht, dass das Buch wirklich empfehlenswert ist, sondern kann auch bedeuten, dass es der Autor als empfehlenswert erachtet. Auch plötzlich entfernte Rezensionen können ein Indiz für ein manipulatives Eingreifen sein. Geben Sie diesem „Betrug mit System“ keine Chance und vertrauen Sie beim Kauf der Inhaltsbeschreibung, ehrlichen Rezensionen und Ihrem eigenen Eindruck.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.01.2008.