Der unfassbare Vorfall im Casino Hohensyburg am vergangenen Donnerstag wirft immer noch viele Fragen auf. Die Abwicklung von Rebuy-Turnieren ist ein sensibler Bereich und wir haben mit zwei renommierten Experten auf diesem Gebiet gesprochen, dem langjährigen Turnierleiter Anestis Karasavvidis und dem Pokermanager der Casinos Austria, Edgar Stuchly.
Die Westspielgruppe hat sich zwar in einer offiziellen Stellungnahme zu den Vorfällen in Hohensyburg geäußert, weiterhin unklar bleibt jedoch, ob es ohne Intervention beteiligter Spieler zu einem korrekten Preisgeldpool gekommen wäre. Für PokerOlymp, seine Leser und damit viele Pokerspieler kann dieser Vorfall nach dieser dürren Presseerklärung auf keinen Fall zu den Akten gelegt werden, vielmehr liefert diese weiteren Gesprächsbedarf. Wie kann sichergestellt werden, dass Teilnehmer eines Pokerturniers sich ausschließlich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können, nämlich Entscheidungen am Tisch und das Setzen von Chips? Unsere beiden Experten Anestis Karasavvidis und Edgar Stuchly liefern sehr schlüssige Konzepte, die leider sehr deutlich von der Praxis in Hohensyburg (und anderswo) abweichen.
Hier nun zunächst die Aussagen von Anestis Karasavvidis:
Kannst Du aus Deiner Sicht die optimale Rebuy- und Add-On-Praxis beschreiben, was Abwicklung und Transparenz betrifft?
Anestis Karasavvidis: Optimal ist die simultane Eingabe aller Rebuys (und Add-Ons) in den elektronischen Time-Table, die anschließend auf den Monitoren für alle Spieler sofort ersichtlich sind. In der Realität ist dies schwer zu verwirklichen (Personalmangel, Geräuschpegel, räumliche Enge) insbesondere bei großen Turnieren und von denen gehen wir aus. Hier hat sich das Ticketsystem als sehr effektiv herausgestellt:
1.Rebuys: Diese werden nur gegen Quittung/Bon vom Dealer ausgegeben. Dieser muss das Table Stake aus dem Chiptray nehmen. Die Lage muss vorher einheitlich vorbereitet und abgezählt sein. Der erste Dealer übergibt bei Dealerwechsel an den Kollegen, der eine weitere Kontrollinstanz ist, usw. In der Rebuy-Pause werden die Tickets mit dem Floorman am Tisch abgerechnet und in einer Liste sauber erfasst. Anschließend erfolgt ein Gegencheck mit der Anfangslage (doppelte Kontrolle). Floorman und Dealer zählen nun die Scheine und unterschreiben (ich habe immer Platz 1 jeden Tisches als weiteren „Zeugen“ bei der Übergabe/Zählung am Tisch erbeten). Der Floorman kann nun den Betrag in einem speziellen Transportsäckchen oder auf dem Chiptray fest in den Händen zum Turnierleiter bringen, der die Daten aktualisiert und anschließend wird der Betrag zur Hauptkasse geführt und dem Gesamtpreisgeld hinzugefügt.
2.Add-Ons: Jeder Spieler bekommt zusammen mit seiner Platzkarte eine ebenso eindeutig mit den Platzdaten versehene Karte (z.B. Tisch 3, Platz 8). Diese Karte ist andersfarbig und mit „Add-On“ deklariert. Ein Spieler kann somit nur dann ein Add-On machen, wenn er die entsprechende Karte hat! Somit wird auch garantiert, dass nicht zu viele Add-Ons möglich sind. Sollte das Add-On auch vor dem Ende der Rebuy-Phase als Rebuy genutzt werden können (verfällt danach und kann nicht mehr als Add-On genutzt werden; spezieller Turniermodus), ist der Floorman zu benachrichtigen, der anschließend die Add-on Karte locht und somit klar als Rebuy deklariert (Gesamt-Chip-Anzahl bleibt somit rekonstruierbar)
Wo liegen die potenziellen Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Rebuy-Turnieren?
Anestis Karasavvidis: Zunächst ist eine Fehlbelegung fast unmöglich, wenn man wie oben beschrieben vorgeht. Bei der Vorgehensweise mit Anfangslage zu Tickets zu Geldbetrag am Tisch und somit 3 verschiedenen Kontrollinstanzen sind Fehler praktisch auszuschließen. Dazu kommt der Übertrag der (bei 3 Limitstufen) mindestens drei verschiedenen Dealer, die jeweils bei Übergabe überprüfen müssen.Probleme bekommt man, wenn man die Turniere „zentral steuern will“. Das bedeutet, dass der Turnierleiter sämtliche Aktivitäten durchführt. Hier wird man – von Natur aus – im Zuge von eskalierenden Rebuys schwer die Kontrolle behalten können. Aus Sicherheitsgründen sollten die Aufgaben auf mehrere Ebenen und, wie beschrieben, klar definiert verteilt sein.
Du hast enorm viel Erfahrung mit Rebuy-Turnieren. Gab es in Deiner Praxis als Turnierleiter schon einmal Unklarheiten oder Unsicherheiten bei Spielern?
Anestis Karasavvidis: Spieler haben in der Regel dann „das Gefühl gehabt“, dass etwas nicht stimmt, wenn sie an einem „Maniac-Tisch“ waren oder Rebuy-Turniere mit Rebuy-König-Bonus spielten. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn wenn an einem Tisch 60 Rebuys getätigt werden, an einem anderen aber nur 10, können tatsächlich Phantasien freigelegt werden. Allerdings sind diese eher die Ausnahme. So wie im richtigen (Poker-)Leben: Man kann sich im Gegensatz zu den Cashgame-Tischen seinen Turniertisch nicht aussuchen. Und landet man bei den Maniacs, hilft tightes Spielen manchmal überhaupt nicht… Dementsprechend kann es auch zu Fehleinschätzungen kommen!
Hältst Du es für sinnvoll, unterschiedliche große Chipsmengen bei Rebuys und Add-Ons auszugeben?
Anestis Karasavvidis: Eindeutig JA. Wenn man sich für ein Rebuy Turnier entscheidet, dann muss man als Spieler immer damit rechnen, dass Rebuy = Original Stack und Add-On = doppelter Originalstack hinzukommt. Die Anzahl der Rebuys können limitiert oder unlimitiert sein (innerhalb einer festgesetzten Zeit), die Add-Ons sollten einmalig und nur in der Pause nach dem Ende der offiziellen Rebuy-Phase möglich sein.Diese besondere Art der Turniere fordert spezielle Fähigkeiten und Techniken und bereichert die Turnierlandschaft. Oder auf Deutsch gesagt: Sie puschen den Preispool …Das Rebuy erlaubt es, mehr Hände zu spielen, dass Add-On bringt den Spieler dem Average ein wenig näher, da es ein „Notnagel“ ist und eine schnelle, massive Aufstockung des Stacks bewirkt.
Wie werden Rebuys im Normalfall dem regulären Preisgeld zugeführt?
Anestis Karasavvidis: Siehe auch Antwort 1: Sie werden in der Pause nach dreifachem Check (Chiptray-Lage zu Tickets-Bons zu Geldbeträgen) kontrolliert. Dies passiert optimaler Weise durch mindestens drei Personen: Floorman, Dealer und Gast auf Platz 1. Zählen, fixieren, auf Liste dokumentieren, unterschreiben und Abgabe an Turnierleiter, der die Anzahl in das Programm eingibt. Anschließend werden die Beträge dem Hauptpot zugeführt.
Und nun die Ansicht vom Pokerchef der Casinos Austria, Edgar Stuchly:
Kannst Du aus Deiner Sicht die optimale Rebuy- und Add-On-Praxis beschreiben, was Abwicklung und Transparenz betrifft?
Edgar Stuchly: Ich kann gerne sagen, wie wir es bei Casinos Austria machen. Ich denke, das ist eine gute, transparente Lösung.Bei Turnieren mit limitierten Rebuys ist es relativ einfach. Jeder Gast erhält seine Rebuykarten und muss, wenn er ein Rebuy macht, eine Karte abgeben. Der Croupier wirft das Geld und die Rebuykarte in die Bargeldlade. Nach Ende der Rebuyzeit werden die Rebuykarten am Tisch gezählt und mit dem eingenommenen Geld verglichen. Die Zahlen der getätigten Rebuys werden dann für jeden Tisch veröffentlicht.Interessant wird es bei Turnieren mit unlimited Rebuys und Add-on. Dafür haben wir an jedem Tisch nummerierte Rebuykarten. Wenn ein Rebuy getätigt wird, muss der Croupier die Rebuykarte mit der kleinsten Zahl und das Geld in die Bargeldlade einwerfen. Am Ende der Rebuyzeit werden die Anzahl der getätigten Rebuys und der getätigten Add-ons vom Croupier vor den Augen der Spieler auf einem Tischblatt notiert und dem Floorman übergeben. Diese Zahlen werden dann pro Tisch veröffentlicht.Diese Vorgehensweise gibt den Spielern die Möglichkeit anonym zu überprüfen, dass alle Vorgänge korrekt ablaufen.
Frage 2: Wo liegen die potenziellen Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Rebuy-Turnieren?
Edgar Stuchly: In der Abwicklung gibt es keine Schwierigkeiten. Der entscheidende Punkt ist, den Spielern die Sicherheit zu geben, dass das gesamte Geld im Preispool landet.
Du hast enorm viel Erfahrung mit Rebuy-Turnieren. Gab es in Deiner Praxis als Turnierleiter schon einmal Unklarheiten oder Unsicherheiten bei Spielern?
Edgar Stuchly: Nein. Ich bin seit 17 Jahren bei Casinos Austria und habe noch nie von solchen Unsicherheiten bei den Teilnehmern unserer Turniere gehört.
Hältst Du es für sinnvoll, unterschiedliche große Chipsmengen bei Rebuys und Add-Ons auszugeben?
Edgar Stuchly: Ja, es erhöht den Preispool. Es ist üblich für das Add-on doppelt so viele Chips wie für das Buy-in und das Rebuy zu geben. Dadurch machen beinahe alle Spieler das Add-on und es kommen mehr Jetons ins Turnier.
Wie werden Rebuys im Normalfall dem regulären Preisgeld zugeführt?
Edgar Stuchly: Nach Ende der Rebuyzeit werden die Rebuys gezählt, die Zahlen pro Tisch veröffentlicht und dann dem Preispool zugeführt.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 05.03.2009.