Hat Ihnen schon mal jemand Geld gebracht, viel Geld, und behauptet, es wäre Ihres? Jemand, den Sie nicht kennen und den Sie auch nicht darum gebeten haben?
Die Antwort lautet sehr wahrscheinlich „Nein“, was ja auch logisch wäre. Doch was mir passiert ist, konnte ich zunächst selbst nicht fassen, denn es klingt wie ein Märchen.
Es war zu Zeiten, als in Deutschland noch mit Mark und in Frankreich mit Franc bezahlt wurde. Onlinepoker gab es noch nicht und die Gemeinde der Pokerspieler war viel kleiner als heute.
Ich saß in einem Pariser Casino an einem Pokertisch und spielte hoch konzentriert in einer der damals höchsten Partien Europas. Während ich mitten im Spiel war, kam eine junge Mitarbeiterin des Hauses zu mir an den Tisch. Sie sprach mich an und legte ein dickes Bündel großer Geldscheine vor mich hin. Ich war etwas irritiert und sagte, dass dies ein Irrtum sei und das Geld nicht mir gehöre. Sie nahm es wieder an sich und ging damit zur Kasse.
Nur wenige Augenblicke später kam sie erneut mit dem Geld zurück und erklärte mir, dass es mir gehöre. Da es sich um einen Irrtum handeln musste, erklärte ich erneut, nicht die Eigentümerin dieses Geldes zu sein, auch wenn ich dieses Paket gerne besitzen würde.
Ich war irgendwie verwirrt über diese Situation und fragte mich, wie es zu dieser Verwechslung kommen konnte und was dahinter steckte?Schließlich war es eine große Summe, die mir die Dame überreichen wollte.Eine Summe, bei der ich mir nicht vorstellen konnte, dass es sich um ein Geschenk handelte – wer verschenkt außerhalb seiner Familie schon Bargeld?!? Es musste also ein Versehen des Casinos sein. Aber wie war das möglich?
Wieso wurde mir ohne weitere Erklärung Geld gebracht?Ich fing an zu grübeln und war inzwischen schon empfindlich in meiner Konzentration gestört.Hatte ich etwa bei meinem Eintreffen den entsprechenden Betrag im Depot des Casinos hinterlegen lassen?Das Anlegen eines Depots ist für mich üblich, damit ich keine großen Geldsummen bei mir tragen muss. Zur Klärung überprüfte ich meine Depotscheine und fand tatsächlich einen in entsprechender Höhe.
Aber warum brachte man mir das Geld jetzt, obwohl meinerseits kein Auftrag zur Einlösung gegeben wurde?Einen befreundeten Mitspieler am Tisch amüsierte die Situation und er meinte leichtfertig, ich solle dieses Geld doch einfach nehmen, gemäß dem Sprichwort, „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“.
Meine Neugierde und Irritation blieb.
Da ich keine andere logische Erklärung fand, kam ich immer mehr zu der Überzeugung, dass es sich vielleicht doch um mein Geld handelte.
Als es mir dann zum dritten Mal an den Tisch gebracht wurde und ich nochmals aufgefordert wurde, es bitte zu nehmen, da es meines sei, wehrte ich mich nicht mehr und nahm es schließlich an mich.
Mit immer noch gemischten Gefühlen ließ ich die Sache vorerst auf sich beruhen. Schließlich hatte ich den Rest des Tisches schon lange genug damit amüsiert, mein eigenes Geld nicht annehmen zu wollen.
Aufgrund der grandiosen Stimmung an jenem Abend verflüchtigten sich die Gedanken an das Bündel Geld rasch.
Ich genoss das exzellente Essen in diesem Club mit seinem ganz eigenen, besonderen Flair. Außerdem erfreute ich mich an dem Zusammentreffen mit einigen Spielern, die ich sonst nur vom internationalen Parkett kenne und mit denen mich über die Jahre hinweg einiges verbindet.Ich hatte während des gesamten Aufenthaltes in Paris einen unglaublichen Lauf und war mit meinem Spiel und meinen Entscheidungen mehr als zufrieden. Hinzu kam das nötige Quäntchen Glück, das ich zwei Jahre später an selber Stelle vermissen sollte. Aber an diesem Abend durfte ich mich über große Gewinne freuen.
Gänzlich konnte ich die Gedanken an das geheimnisvolle Bündel Geld dennoch nicht verdrängen. Immer wieder holte mich ein unbehagliches Gefühl ein, eine gewisse Vorahnung auf etwas, das mich noch erwarten sollte.
Als ich am nächsten Tag das Casino betrat, kam der Geschäftsführer ganz aufgeregt auf mich zu.Er erklärte mir, dass das Geld, das man mir gebracht hatte, einem griechischen Spieler gehöre, der momentan noch nicht im Hause sei. Der Geschäftsführer bat mich, ihm das Geld zu geben, damit er es an den rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben könne.
Irgendwie fühlte ich mich durch die Art des Geschäftsführers provoziert. Da die ganze Angelegenheit insgesamt absurd auf mich wirkte, wollte ich die Sache nun ganz genau geklärt wissen. Man übergab mir Geld, bedrängte mich geradezu, es zu nehmen, ganz offiziell, womit es rein formal mir gehörte! Dann erklärte man mir, es sei nun doch nicht meins und ich solle es wieder herausgeben. Woher sollte ich bei all dem Wirrwarr wissen, dass alles mit rechten Dingen zuging?
Ich erläuterte dem Geschäftsführer meine Gedanken und bestand darauf, das Geld dem rechtmäßigen Besitzer selbst zurück zu geben. Für mich war es moralisch selbstverständlich, fremdes Eigentum nicht zu behalten. Hier aber schien mir der Grundsatz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ angemessen. Schließlich hatte ich ja auch schon ein bisschen begonnen, an den liebevollen Geldsegen einer Goldfee zu glauben.
Nach einigem Hin und Her mit dem Geschäftsführer konnte ich meinen Wunsch letztendlich durchsetzen. Als der griechische Spieler später am Abend im Casino eintraf, wurde er an den Tisch geleitet, an dem ich gerade spielte. Dieses Mal freute ich mich über den Besuch und auch darüber, die Angelegenheit eindeutig klären zu können. Wir tauschten ein paar Worte aus und der geschenkte Gaul wechselte erneut seinen Besitzer, dann erst kehrte endlich Ruhe für mich ein.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 09.01.2010.