Das Kelly-Kriterium ist eine Möglichkeit, zu bestimmen, um welche Einsatzhöhen man spielten sollte, um ein optimales Wachstum der Bankroll zu erreichen. Dabei maximiert man seinen Erwartungswert unter Berücksichtigung des Risikos, das die Bankroll durch Niederlagen geschmälert wird.
Häufiger erwähnen Pokerspieler, dass sie ihre Bankroll mit Hilfe des Kelly-Kriteriums aufgebaut haben und dadurch schnell in den Limits aufgestiegen sind. Dieser Artikel soll dieses Kriterium kurz darlegen.
Wie funktioniert das Kelly-Kriterium?
Das Kelly-Kriterium gibt an, welchen Anteil seiner Bankroll man unter einer gegebenen Gewinnerwartung setzen sollte. Letztere muss bekannt sein, oder man sollte zumindest einen akzeptablen Schätzwert dafür parat haben. Über eine einfache Formel lässt sich ausrechnen, welchen Anteil der Bankroll man bei einer einfachen Wette (es gibt nur Sieg oder Niederlage und nur eine Auszahlungsstufe) einsetzen sollte:
a = (p * g – 1) / ( g-1)
a: Zu setzender Anteil der Bankroll
p: Gewinnwahrscheinlich
g: Gewinn (inklusive des selbst getätigten Einsatzes)
Dabei ist p die Gewinnwahrscheinlichkeit der Wette, g die Gewinnausschüttung des Einsatzes und a der zu setzende Anteil der Bankroll. Diese Formel ist schon das gesamte Kelly-Kriterium, ein paar Beispiele sollen dies mit Leben füllen:
Beispiel 1, Double-or-Nothing-SnG: Ein Spieler habe in einem DoN eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 55% (p) und erhält im Falle eines Sieges nach Abzug von Rake das 1,97-fache (b) seines Einsatzes. Das Kelly-Kriterium empfiehlt diesem Spieler nun 8,6% seiner Bankroll zu setzen.
Beispiel 2, 10-Spieler-Winner-takes-All-SnG: Ein Spieler habe in einem solchen SnG eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 13% (p) und erhält nach Abzug von Rake das 9-fache seines Einsatzes. Man denke zum Beispiel an ein $11+$1 Satellite zu einem $109 Turnier. Das Kelly-Kriterium empfiehlt hier, 2,13% der Bankroll zu setzen.
Das Kelly-Kriterium bei Turnieren
Auf Turniere lässt sich das Kelly-Kriterium recht einfach anwenden. Ein Turnier mit wenigen Spielern kann – ohne dass statistisch sehr viel verfälscht wird – immer als eine Wette betrachtet werden, bei der es nur die Möglichkeiten Sieg oder Niederlage und eine einzige Auszahlungsstufe gibt.
Einfache Sit-and-Gos können als Winner-takes-All-Turniere betrachtet werden. Spielen in einem Sit-and-Go s Spieler mit und hat man in diesen Turnieren einen ROI von r, kann man in obiger Formel wie folgt Variablen substituieren: Die Gewinnausschüttung b wird einfach mit der Anzahl der Spieler gleichgesetzt (b = s) – der Sieger gewinnt einfach die Einsätze aller Spieler. Bei gegebenen ROI stellt sich die Gewinnwahrscheinlichkeit p wie folgt dar: p = (1 + r) / s. Setzt man dies beides in obige Formel ein, ergibt sich für Sit-and-Gos eine sehr einfache Kelly-Regel:
a = r / (s – 1)
a: Zu setzender Anteil der Bankroll
r: Eigener ROI
s: Anzahl der Spieler im Turnier
Lapidar gesprochen: In Sit-and-Go-Turnieren dividiert man seinen ROI durch die Anzahl der Gegner und kommt auf die optimale Fraktion seiner Bankroll, die man setzen sollte.
Beispiel 3: In einem 10-Mann Sit-And-Go mit einem ROI von 10% sollte man etwa 1% seiner Bankroll setzen.
Für größere Turniere wird diese Rechnungsweise ein wenig schwammig, da die Darstellung als Winner-takes-All-Turnier die Varianz von Turnieren überschätzt. Hier bietet es sich an, für die Rechnung die Anzahl der Gegner zu reduzieren oder gleich mit der Quadratwurzel der Spieleranzahl zu rechnen.
Beispiel 4: In der Sunday-Million habe ein Spieler einen ROI von 100% und es spielen 6.400 Spieler mit. Der Spieler sollte maximal 100% / wurzel (6.400) = 1,25% seiner Bankroll setzen, bzw. bei einem Buy-In von $215 mindestens eine Bankroll von $17.200 haben.
Empfiehlt das Kelly-Kriterium nun, man möge etwa 1% seiner Bankroll pro Sit-and-Go investieren, kann man anhand seiner Bankroll ausrechnen, welche Limits man anstreben sollte. Bei einer Bankroll von $1.000 bieten sich etwa $10-Turniere an.
Das Kelly-Kriterium bei Cash-Games
Leider lässt sich diese Rechnung aufgrund der komplexeren Struktur von Cash-Games nicht einfach auf diese übertragen. Eine einfache Faustregel, wie viele Buy-Ins B man – gegeben eine gewisse Gewinnrate (w in Big Bets pro 100 Hände) – in der Hinterhand haben sollte, ist diese:
B = 50 / w + 10
B: Benötigte Buy-Ins
w: Gewinnrate in Big Bets (nicht Big Blinds!) pro 100 Hände
Beispiel 5: Geht man davon aus, dass man ein Limit mit 3 Big Bets auf 100 Hände schlägt, sollte man für ein optimales Bankroll-Wachstum circa 27 Buy-Ins für dieses Limit haben.
Was das Kelly-Kriterium leistet und nicht leistet
Das Kelly-Kriterium wurde ursprünglich entwickelt, um bei Sport- oder Pferdewetten den optimalen Wett-Einsatz zu bestimmen. Wenn man seine Edge auf eine Wette relativ genau kennt, bietet dieses Kriterium die Einsatzhöhe, unter der die Bankroll langfristig am schnellsten wächst.Dabei wird davon ausgegangen, dass der selbe Einsatz zu den selben Konditionen mehrfach getätigt werden kann und dass aus der Bankroll keine Beträge entnommen werden.
Wird der Bankroll regelmäßig ein fester Betrag (zum Beispiel Lebenshaltungskosten) entnommen, greift dieses Kriterium nicht mehr, beziehungsweise der Spieler läuft Gefahr, seine Bankroll zu verlieren.
Das Kriterium geht ferner davon aus, dass die Einsatzhöhe vom Spieler frei bestimmt werden kann, was beim Poker in der Regel nicht gegeben ist.
Kelly und Poker
Für Pokerspieler ist dieses Kriterium nur bedingt nützlich. Zum einen können die wenigsten Pokerspieler ihre erwartete Gewinnrate korrekt abschätzen und zum anderen schlägt das Kelly-Kriterium ihnen meistens Limits vor, die es gar nicht gibt. Dennoch ist dieses Kriterium ein guter Indikator, mit dem man abschätzen kann, ob es angeraten ist, bestimmte Limits zu spielen.
Zum Aufbau einer Bankroll bietet der Aufstieg in den Limits nach dem Kelly-Kriterium einen sicheren Weg, möglichst rasch in den Limits aufzusteigen, ohne seine gesamte Bankroll zu gefährden. Doch muss ein Spieler, der nach diesem Kriterium verfährt, jederzeit gewillt sein, in den Limits auch wieder abzusteigen, wenn ihn ein Downswing erwischt.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.08.2011.