Im Strategie-Artikel über die Verteidigung auf dem Flop argumentierte ich, die Einschätzung der Kompetenz eines gegnerischen NL Hold’em-Spielers bezüglich des Spiels auf dem Flop sollte manchmal eigene Preflop-Entscheidungen beeinflussen. Das stimmt noch mehr, wenn man außerdem seine Fähigkeiten auf Turn und River mit einbezieht, dem Thema in diesem Teil. Ein gutes Verständnis des gegnerischen Spiels auf Turn und River kann Entscheidungen auf früheren Straßen beeinflussen, möglicherweise einen Call in einen Fold, einen Fold in einen Call oder einen Raise in ein Slowplay verwandeln.
Die meisten Spieler tendieren dazu, auf dem Turn und dem River weniger trickreich, und damit weniger gut, als Preflop und auf dem Flop zu agieren. Das liegt unter anderem an fehlender Erfahrung. Jeder Spieler sieht mehr Hände vor und auf dem Flop als auf Turn und River. Er besitzt daher weniger Praxis im Spiel auf den späteren Straßen. Außerdem sind die Bets auf Turn und River am größten und die Equity der schlechteren Hand am kleinsten. Viele Spieler machen lieber einen Semibluff für 5% ihres Stacks mit 30% Equity auf dem Flop als einen puren Bluff für 65% ihres Stacks mit 0% Equity.
Das bedeutet, gegen einen Spieler, von dem man weiß, dass er einen nicht vor schwierige Entscheidungen stellt, wenn die Bets groß werden, kann man möglicherweise mehr Hände preflop und auf dem Flop spielen. Andersherum, gegen jemanden, der sehr gut auf den späteren Straßen pokert, ist es vielleicht besser, tighter zu werden und früher in der Hand trickreich zu agieren.
Einen Read herstellen
Spielt man in einem Turnier oder in einem Cashgame um relativ geringe Stakes (vielleicht 2/4 NL online oder 5/10 NL live), dann kann man davon ausgehen, dass ein unbekannter Gegner auf Turn und River geradlinig agieren wird, solange er nichts anderes demonstriert. Viele trickreiche Spielzüge befinden sich gar nicht in seinem Arsenal. Damit will ich sagen, er wird keine Checkraise-Bluffs und keine dünnen Valuebets machen, keine zweiten oder dritten Barrels mit Nichts feuern oder eine fertige Hand in einen Bluff verwandeln. Der so ziemlich einzige trickreiche Spielzug eines unbekannten Gegners, den man ihm zutrauen kann, ist ein Slowplay.
Festzustellen, ob ein Gegner in der Lage ist, diese fortgeschrittenen Spielzüge zu machen, kann überraschend einfach sein und erfordert oft nur wenige Beobachtungen. Da der Durchschnittsspieler solche Spielzüge fast nie macht, ist es oft ausreichend, jemanden bei so etwas zu sehen, um ihn als trickreichen Gegner zu ermitteln. Dann sollte man davon ausgehen, dass er zu allem fähig ist, solange er nichts anderes unter Beweise stellt.
Genauso sollte man registrieren, wenn ein anderer Spieler eine gute Gelegenheit zu einem trickreichen Spielzug auslässt. Nehmen wir an, Sie sehen bei einer Hand, in der der Preflop-Raiser in Position auf einem Flop A74 unterschiedlicher Farbe bettet, bei einer Dame auf dem Turn bettet und dann als Letzter an der Reihe auf dem River checkt, wenn eine Zehn einen unwahrscheinlichen Backdoor-Flush und eine Backdoor-Straße möglich macht. Gewinnt dieser Spieler mit AQ den Pot, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass er keine dünnen Valuebets gegen Sie machen wird.
Der Bluff-Raise
Ein Raise eines geradlinigen Spielers auf Turn oder River weist fast immer auf ein Monster hin, oft gute zwei Paare oder mehr. Hält man den Gegner nicht für fähig, als Bluff zu raisen, dann sollte man auf dem Turn den Pot selten bewusst klein halten. Nehmen wir beispielsweise an, dass Sie eine mittelmäßige fertige Hand wie Top Paar oder ein schwaches Overpaar halten. Callt Ihr Gegner eine Bet auf dem Flop, dann gehen Sie davon aus, dass er einen Draw, ein schlechteres Paar oder ein slowgespieltes Set hält. Viele Spieler werden den Turn an dieser Stelle checken, um keinen großen Pot aufzubauen, in dem sie nicht wissen, wo sie stehen.
Geradlinige Spieler werden Sie aber wissen lassen, wo Sie stehen. Sie können erneut betten und davon ausgehen, dass schlechtere Paare oder Draws callen oder folden werden. Wenn Ihr Gegner raist, dann haben Sie einen leichten Fold, da er fast immer ein Set oder etwas, das sich zu zwei Paaren oder mehr verbessert hat, halten wird. Diese Bet macht gegen schwächere Paare zusätzlichen Profit und vermeidet es, Draws eine Freecard zu geben. Dabei läuft man nicht Gefahr, durch einen Bluff aus dem Pot geraist zu werden, da man nicht erwarten kann, dass Ihr Gegner zu einem solchen Spielzug in der Lage ist.
Eine wichtige Ausnahme gibt es auf dem Turn, wenn die Stacks so groß sind, dass Ihr Gegner mit einem Raise all-in gehen kann. In diesem Fall gehen viele Spieler mit jeder Hand all-in, mit der sie weiterspielen möchten. Raist Ihr Gegner aber mit Geld in der Hinterhand, dann hält er eine sehr starke Hand.
Gegen Spieler, die in der Lage sind, auf dem Turn als Bluff oder Semibluff zu raisen, wird man ein Paar häufiger checken müssen oder willens sein, auf einen Raise all-in zu gehen. Das kann out of Position jedoch sehr gefährlich sein, da man nicht unbedingt weiß, was man tun sollte, wenn der Gegner auf Turn und/oder River bettet. Die beste Option könnte daher darin bestehen, mittelmäßige Hände auf dem Flop zu checken, insbesondere out of Position. Obwohl man weniger Informationen über die gegnerische Hand sammeln wird, wird der Pot kleiner und die Auswahl an möglichen gegnerischen Händen größer sein, was es leichter und profitabler machen wird, das Paar zum Showdown zu bringen.
Auf dem Turn aufgeben
Harrington on Hold ‘em hat die Continuation Bet auf dem Flop populär gemacht, sogar bei Gelegenheitsspielern. Konsequenterweise werden Flop-Bets daher heute eher gecallt, und bessere Spieler lassen Continuation Bets gelegentlich Bluffs auf dem Turn und manchmal sogar dem River folgen, wenn sie annehmen, dass ihr Gegner nicht viel hat. Geradlinigere Spieler aber werden zwar auf fast jedem Flop betten, nachdem sie preflop raisten, aber auf dem Turn aufgeben, wenn sie weniger als Top Paar oder einen guten Draw halten.
Das Wissen, gegen was für eine Art Gegner man spielt, kann einen riesigen Unterschied für Ihr Spiel auf dem Flop machen. Aus spieltheoretischer Perspektive besteht die Auswahl an Händen, mit denen man auf dem Turn erneut setzt, aus einer guten Mischung an Bluffs und Valuebets. Nicht in entsprechender Frequenz auf dem Turn zu bluffen, ist eine Schwäche, die ausgenutzt werden kann und sollte.Weiß man, dass der Gegner oft auf dem Turn aufgibt, dann kann man seine Continuation Bets auf dem Flop extrem dünn callen. Jedes Paar und jeder Draw, selbst ein Gutshot, können ausreichen, um in Position gegen einen sehr berechenbaren Spieler den Turn zu sehen. Bettet er erneut, dann foldet man, solange sich die eigene Hand nicht verbessert hat. Checkt er, dann stiehlt man den Pot mit einer Bet.
Noch einen Schritt weiter gedacht, erlaubt einem die Möglichkeit dieses Manövers mehr Flops in Position gegen diesen Spieler zu sehen. Gegen jemanden, der guten Gebrauch von Continuation Bets macht, muss man nicht nur die Equity gegen die Auswahl seiner Hände, mit denen er preflop raist, berücksichtigen, sondern auch die Häufigkeit, mit der man nach dem Flop weiterspielen kann. Das Wissen, oft profitabel auf dem Turn stehlen zu können, erlaubt es einem, mit schwächeren Händen auf dem Flop zu callen, was einem wiederum erlaubt, mit schwächeren Händen preflop zu callen. Gegen jemanden, der sehr berechenbar ist und auf dem Turn meistens aufgibt, ist es denkbar, einen Raise auf dem Button mit fast jeder hohen Karte mit Beikarte der gleichen Farbe oder mit Händen wie 85s zu callen, da man auf dem Flop mit so wenig wie einem Gutshot callen können wird.
Multi-Street Bluffs
Gegen jemanden, der mit guter Frequenz zweite und dritte Barrels feuern wird, wird man preflop und auf dem Flop tighter sein müssen, selbst in Position. Es wird nicht so leicht sein, den Pot auf dem Turn zu stehlen, was bedeutet, dass man eine bessere Hand benötigt, um auf dem Flop zu callen. Das bedeutet wiederum, man sollte seine Auswahl an Händen, mit denen man preflop einen Raise callt, auf Hände beschränken, die nach dem Flop mehr Action aushalten. Schwächere Hände mit hohen Karten wie QJo werden sehr schwierig zu spielen sein, da man mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert werden kann, selbst wenn man Top Paar hält.
Kleinere Paare werden jedoch wertvoller. Auch wenn sie sich nicht so leicht unverbessert zum Showdown bringen lassen, wird man fast immer wissen, wo man steht, wenn man ein Set floppt. Außerdem wird ein aggressiver Gegner, der oft zweite Barrels auf dem Turn feuert, größere Pots verlieren, wenn man sein Set trifft, unabhängig davon, ob er eine starke oder schwache Hand hält. Daher sollte man mit gefloppten großen Händen wie Sets gegen diese Spieler oft Slowplay betreiben. Man wird oft weitere Bets gewinnen, unabhängig davon ob der Gegner seine Hand verbessert oder nicht.
Insbesondere out of Position wird man auf dem Flop auch schwächere Draws folden müssen. Ein bloßer Flushdraw beispielsweise kann nicht darauf zählen, durch einen Call auf dem Flop den River kostenlos zu sehen. Daher sollte man damit keine große Bet callen. Da darüberhinaus eine gute Anzahl an Bluffs unter den möglichen gegnerischen Händen ist, gibt es keine Garantie dafür, dass er eine Hand hält, die Sie ausbezahlt, wenn Sie Ihren Draw treffen. Sowohl Ihre direkten, als auch Ihre Implied Odds sind vermindert, und oft wird daher ein Fold korrekt sein.
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Dünne Valuebets
So seltsam es scheinen mag, dünne Valuebets fallen fast in den obigen Abschnitt unter Multi-Street Bluffs. Die Wahrheit ist, die dünne Valuebet und der große Bluff sind zwei Seiten der gleichen Medaille, Taktiken, die Hand in Hand gehen. Ein Gegner, der große Bluffs macht, kann erwarten, dünn heruntergecallt zu werden. Daher ist er in der Lage, mit mehr marginalen Händen Valuebets zu machen. Da er andersherum viele Hände für Value betten kann, ist es schwierig, ihn dünn herunterzucallen. Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass er entweder ein Monster haben oder bluffen muss, da er zu dünnen Valuebets fähig ist.
So sollte es ohnehin laufen. Erkennt man, dass ein Spieler das eine, aber nicht das andere macht, dann sollte man sein Spiel entsprechend anpassen. Gegen jemanden, der viele Multi-Street Bluffs macht, aber keine dünnen Valuebets, kann man viele Hände mit nur einem Paar profitabel spielen, indem man einfach checkt und callt und ihn sich selbst die Grube graben lassen. Man sollte danach trachten, mit diesem Spieler Pots zu spielen, in oder out of Position, wenn man große Paare oder hohe Karten hält, die große Paare floppen können. Preflop sollte man nicht reraisen und nach dem Flop mit nur einem Paar nicht raisen. Man sollte ihn betten lassen.
Macht der Gegner dünne Valuebets, blufft aber nicht sehr oft, dann kann man mehr Hände gegen ihn spielen, da man vor nicht so viele schwierige Entscheidungen gestellt wird. Wenn er setzt, kann man sich sicher sein, er denkt, dass er die beste Hand hält. Man kann auch öfter checkraisen, da er versuchen wird, seine marginalen Hände für Value zu spielen, statt den Pot klein zu halten. Man sollte als Bluff, als Semibluff und für Value checkraisen, da er mit einem Paar in jedem Fall vor eine schwierige Entscheidung gestellt wird.
Ein Gegner, der auf allen Straßen klug blufft und valuebettet, ist ein wahrer Experte. Es ist das Beste, ihm aus dem Weg zu gehen. Man sollte nach Entschuldigungen dafür suchen, preflop auf seine Raises zu folden. Er nutzt seine Position gut, insbesondere auf späteren Straßen. Ist man out of Position, sollte man versuchen, die Hand so schnell wie möglich zu beenden oder zumindest das Verhältnis vom Stack zum Pot so klein wie möglich zu halten. Man sollte versuchen, ihn mit einer Hand, die man spielen möchte, zu reraisen, und oft mit Bluffs, Semibluffs, Monstern und mittelmäßigen Händen checkraisen. Je mehr Geld man früh in den Pot bekommt, desto weniger Gelegenheiten wird er auf späteren Straßen haben, einen auszuspielen.
Andrew Brokos
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.04.2008.