Eine bislang verkorkste WSOP erlebt Daniel Negreanu, der als aktuell Dritter der ewigen Geldrangliste eigentlich einen Angriff auf den führenden Erik Seidel starten wollte, sich nach knapp drei Viertel des größten Pokerfestivals der Welt aber mit zwei bescheidenen Platzierungen im Preisgeld zufrieden geben muss.
Einzig positiv daran ist, dass Negreanu mehr Zeit für Interviews hat, und ein solches gab er unseren kanadischen Kollegen von PokerListings. Darin geht es um Negreanus bisher miesen Lauf, Phil Iveys Rolle im Full-Tilt-Skandal und einiges mehr.
PokerListings.com: Während dieses Levels sagtest du uns, dass du dich sehr ärgerst. Was ist los?
Daniel Negreanu: Ich spiele jetzt seit 20 Jahren Poker und kenne den Unterschied zwischen Pech und schlechtem Spiel. Bei den letzten WSOPs hatte ich Pech.Und dann erzählen die Leute, sie seien von mir enttäuscht, worauf ich einfach nur gern antworten würde, dass sie sich selbst ficken sollen.
PokerListings.com: Wer sagt so etwas?
Daniel Negreanu: Mike Matusow kam zum Beispiel zu mir und sagte, er sei wirklich enttäuscht von mir. Und ich antwortete, „Warum? Weil ich mit Sechsen nicht gegen ein All-In mit 8x 5x gewinnen kann?“
Ich kenne den Unterschied. Viele sagen, sie hätten Pech, spielen in Wirklichkeit aber schlecht. Ich kenne den Unterschied. Ich spiele schon lange Poker und es ist frustrierend, weil meine Ergebnisse trotz eines erreichten Finaltisches nicht annähernd so gut sind, wie sie sein sollten.
PokerListings.com: Wie erklärst du dir einen Lauf wie denjenigen von Phil Ivey? Er spielt gut, aber kann man ohne Glück überhaupt solche Ergebnisse erzielen?
Daniel Negreanu: Bei Phil Ivey ist es so, dass er zwar Glück, aber auch Pech hat. Es geht um den richtigen Zeitpunkt. Er kommt mit Glück weit, hat am Ende aber Pech.
Er hat noch kein Bracelet gewonnen, obwohl er nahe dran war. In der Regel schafft er es, wenn er so weit kommt. Glück spielt also in mehrerer Hinsicht eine Rolle. Man muss die Pots gewinnen, in denen man All-In ist, und dabei habe ich in den letzten Jahren eine miserable Quote.
PokerListings.com: Überlegst du dir die Teilnahme am Big One angesichts deines Pechs noch einmal?
Daniel Negreanu: Ich spiele mit. Ich spiele alle Turniere mit.
PokerListings.com: Wie schwer ist es, motiviert und optimistisch zu bleiben, wenn es schlecht läuft?
Daniel Negreanu: Motiviert zu bleiben ist schwer, doch richtig hart ist es, weiter optimistisch zu sein. Nehmen wir an, du spielst ein Turnier, alles läuft gut und dann passiert wieder diese merkwürdige Scheiße. Da denkt man leicht, „Schon wieder? Wirklich?“
Da wir alle Menschen sind, lastet das auf den Gedanken.
(In diesem Moment kommt Phil Ivey vorbei.)
Ich habe gerade von dir gesprochen, Phil. Ich habe ihnen erzählt, welches Pech du an den Finaltischen hast.
PokerListings.com: Stichwort Phil Ivey. Die Meinungen über seine Verantwortung im Full-Tilt-Skandal gehen auseinander. Letztes Jahr ließ er die WSOP aus, doch es hat sich nichts geändert und er spielt wieder mit. Wie ist deine Meinung?
Daniel Negreanu: Weißt Du, was ich erstaunlich finde? Alle zeigen auf den Schwarzen. Was ist mit Erik Seidel, John Juanda, Phil Gordon und Andy Bloch. Wo ist der Unterschied? Warum sagen alle, dass Ivey etwas verkehrt gemacht hat?
Er ist weder Howard Lederer noch Chris Ferguson noch Ray Bitar. Das sind die Mistkerle, die das verbrochen haben.
Warum wird nicht auch über Allen Cunningham geredet? Ich verstehe das nicht.Ivey ist der Einzige, der sich überhaupt dazu geäußert hat. Er ist der Einzige, der Farbe bekannt hat.
Phil Ivey bei der WSOP 2012Quelle: wsop.com
PokerListings.com: Zog Ivey die Aufmerksamkeit auf sich, weil er Einzige war, der darüber geredet hat?
Daniel Negreanu: Möglicherweise. Alle anderen hielten sich aber im Hintergrund und wurden dafür nie angegriffen.
Es ist verrückt, dass er als Einziger angegriffen wurde.
PokerListings.com: Gilt das Gleiche für Phil Hellmuth und seine Verbindung mit UB? Annie Duke wird angegriffen, aber niemand sagt etwas, weil Hellmuth für diesen Anbieter Werbung machte.
Daniel Negreanu: Das liegt vermutlich daran, dass niemand die Wahrheit kennt. Annie war in die Geschäftsabläufe verwickelt und wusste, was abgeht.Hellmuth kümmert sich wie Ivey um sich. Das meine ich nicht negativ, denn Ivey und Hellmuthgeht es ums Pokerspielen und darum, nach einem Erfolg ihren Scheck zu bekommen.Phil Ivey hatte mit dem Betrieb von Full Tilt nichts zu tun, und Hellmuth auch nichts mit dem von UB.
PokerListings.com: Du siehst also keine persönliche Verantwortung, wenn jemand ein Produkt bewirbt? Hellmuth warb sogar nach dem Superuser-Skandal noch für UB.
Daniel Negreanu: Sicher gibt es eine persönliche Verantwortung, die Hintergründe zu überprüfen und zu wissen, für wen man wirbt. Bringt man Leute auf die falsche Spur, ist dies sicher ein Fehler.
Als Hellmuth weiterhin für UB warb, brachte er Leute auf die falsche Spur. Ich denke aber, dass er an UB glaubte und sich irrte.
Im Fall Full Tilt war es meines Erachtens aber vor allem falsch, Lederer, Ferguson und Bitar bei der Geschäftsführung zu trauen. Die Anteilseigner hätten sagen müssen, „Warum engagieren wir keinen Fachmann als CEO, sondern jemanden, der vor einigen Monaten noch bei seiner Großmutter auf dem Sofa saß und mit Spielergeldern seinen Hummer bezahlt?“
Der Fehler war also, nicht gemeinsam darauf zu drängen, dass dieses Problem gelöst wird, weil man so keine Firma führen kann.
PokerListings.com: Gibt es in der Übernahme von Full Tilt durch PokerStars Bewegung?
Daniel Negreanu: Es wird natürlich viel geredet. Ich habe meine eigene Meinung, aber die ist spekulativ. Natürlich hat es Verhandlungen gegeben, aber es gibt noch nichts Definitives. Vermutlich weiß ich es erst, wenn es alle wissen.
Ihr habt aber mitbekommen, dass Rafael Nadal jetzt bei PokerStars unter Vertrag ist? Das ist ein tolles Signal.
Das zeigt, was für eine Firma PokerStars ist. Sportstars gab es schon früher, aber noch nie einen 26-jährigen, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist.
Dadurch wird PokerStars mit anderen Firmen in Verbindung gebracht, die solche Spitzensportler unter Vertrag haben. Das bewirkt viel, die öffentliche Meinung in die richtige Richtung zu bringen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 27.06.2012.