Platz elf erreichte Daniel Negreanu beim Main-Event der WSOP 2015 und schrammte nur denkbar knapp am Final-Table vorbei. In seinem Blog erklärt er, welche Fehler er am letzten Tag der WSOP gemacht hatte und wie seine Spielweise im Allgemeinen angelegt war.
Auf Full Contact Poker erörtert Negreanu seine Überlegungen, wir haben diese hier ins Deutsche übertragen:
Meine Zwei Fehler bei der WSOP 2015
Ich bin inzwischen älter, reifer und besser beim Turnier-Poker und die Fehler, die ich mache, sind kleiner, aber nichtsdestominder immer noch wesentlich.
Schaut man sich professionelle Golfer als Beispiel an, sieht man, dass es nicht ihre perfekten Schläge sind, die sie auszeichnen, sondern dass ihre Fehler nicht so groß sind wie die von mittelmäßigen Golfern. Wenn sie aus 100 Metern den Ball versenken wollen, schaffen auch sie es zwar auch nur selten. Aber meistens bekommen sie den Ball in einen Anderthalb-Meter-Radius um das Loch.
Die zwei Fehler, die ich besprechen will, mögen zwar nicht so groß scheinen, aber sie stechen hervor und das sind meine Gedanken dazu:
Fehler 1: Zu kleine Bets auf dem Flop
Hand #1: Justin Schwartz warf bei Blinds von 80k / 160k aus dem Cut-Off einen 500k Chip in die Mitte und sagte nichts dazu. Ich wusste, dass er dann und wann limpt, aber er hätte kleinere Chips gehabt, mit denen er das tun konnte. Meine Überlegung war, dass er dies aus der Absicht tat, es so aussehen zu lassen, als würde er raisen, so dass der Rest des Feldes seinen Limp nicht angreifen würde.
Ich hatte 8♦ 7♦ am Button und callte. Das ist eine Hand, die postflop gut spielbar ist und ich hielt es nicht für notwendig, Justin zu isolieren. Der Small Blind foldete und der Big Blind checkte.
Der Flop kam K♦ 7♠ 6♣ und beide Spieler checkten zu mir. Hier kam mein Fehler: ich spielte 250k an. Der Big Blind foldete und Justin, der ohnehin nur einen kleinen Stack hatte, raiste auf 600k. Mit einer Menge Backdoor-Draws und einem Paar callte ich den Raise.
Auf dem 3♣ -Turn ging Justin für 3 Millionen all-in. Ich dachte nicht lange nach und entsorgte mein Paar.
Also: Was war der Fehler? Die Größe meines Einsatzes auf dem Flop gab Justin genau den Raum, den er für einen Check-Raise-Bluff brauchte. Hätte ich 450k gesetzt, hätte er eine Million riskieren müssen, um mich zu bluffen. Er hätte einfach nicht so viel Spielraum gehabt.
Ich hatte nur 250k gesetzt und das in einer Situation in der ich gut und gerne selbst hätte bluffen können. Klar konnte ich so ausgespielt werden. Später fand ich raus, dass er Q♣ T♣ hatte. Er hatte einen Flush-Draw auf dem Turn getroffen, aber ich war immer noch vorne.
Ich glaube dennoch nicht, dass mein Fold auf dem Turn ein Fehler war. Justin hatte immer noch 15 Outs. Aber all das wäre vermieden worden, hätte ich eine substantiellere Bet auf dem Flop gebracht.
Fehler 2: Verpasste Raises
Hand #2: Bei Blinds von von 150k / 300k waren wir zu fünft am Tisch und Alex (Alexander Turyansky) raiste aus mittlerer Position auf 600k. Ich verteidigte meinen Small-Blind mit A♣ 6♣ und zu zweit sahen wir einen [Tx][Tx][3x]–Flop. Ich checkte, er spielte 350k an und ich callte. Den [9x]–Turn checkten wir beide, ebenso den [Jx]-River.
Wo ist hier nun der Fehler? Dieser ist ein wenig hintergründiger und bedarf ein wenig Nachdenkens.
Einige mögen meinen, preflop zu callen sei falsch. Dem stimme ich nicht zu und das ist auch nicht der Fehler.
Als ich checkte und er setzte, hatte ich das Gefühl, die beste Hand zu haben. Aber ich war mir nicht sicher. Der richtige Zug wäre gewesen, auf eine Million zu checkraisen, um Alex unter Druck zu setzen. Eine Zehn hätte gut und gerne in meiner Hand sein können (etwa T9, JT, QT, KT oder AT) und er hätte wahrscheinlich auch mit einer Hand wie 88 einen Fold in Betracht gezogen. Tatsächlich hat er jedoch nur sehr selten eine solche Hand und setzt nur 350k.
Um meinen Checkraise zu callen hätte er 25 Prozent seines Stacks investieren müssen und hätte auf dem Turn immer noch im Dunkeln getappt, egal ob ich gecheckt oder wieder gesetzt hätte.
Es stellte sich raus, dass der [Qx][9x] hatte und eine Neun auf dem Turn traf und mich so schlug. Viele mögen sich die Hand anschauen und sie unter "Pech" ablegen. Aber wo ist der Mehrwert darin? Welchen Zweck hat es, etwas als "glücklich" oder "glücklos" abzustempeln?
Habe ich die Hand optimal gespielt? Nein. Es bringt einen Mehrwert, das Spiel zu analysieren, nicht jedoch die Varianz.
Die letzte Hand
In meiner letzten Hand hatte ich A♠ 4♦ gegen J♦ 3♦ auf einem A♦ K♣ T♦ –Flop. Nun mag man einwenden, gegen einen Spieler, der 100% seiner Buttons raist, wäre es besser gewesen, preflop all-in zu gehen. Für viele Spieler mag das zutreffen, aber nicht für mich und nicht in dieser Situation. Die Begründung ist etwas länger, aber ich will es probieren:
Mein Ziel war es, das Turnier zu gewinnen, nicht die November-Nine zu erreichen. Ich wusste, dass Joe (Joseph McKeehen) die Bubble ausnutzte und dass die anderen Spieler nicht dagegenhielten.
Ich hatte kein Problem, mit oder auch ohne Position gegen Joe und sein schwaches Spektrum postflop zu spielen. Ich wollte nicht einfach raten, ob er preflop jetzt eine Hand hatte, die gut genug war, um einen Reraise zu callen oder nicht. Ich wollte Flops sehen und ihm Chips abringen, wann immer dies ging. Kurz: Ich wollte nicht mit einem Flip verdoppeln, sondern mir die Verdopplung langsam erspielen.
Und es hat funktioniert. Ich hatte es geschafft, aus 4 Millionen 9 Millionen zu machen und war kein einziges Mal in einem Showdown all-in. Durch das Spielen von Flops hatte ich mich zurückgekämpft.
Als ich über 8 Millionen war, konnte ich meine Blinds liberaler gegen Joe verteidigen. Ein paar Mal in Folge verteidigte ich meinen Blind. Einmal ging ich mit KT all-in, übrigens einer wesentlich besseren Hand für einen solchen Zug als A4, wenn man Joe's Spielweise in Betracht zieht.
Drei Gründe, warum ich mit A4 nur gecallt habe:
1) Es balanciert meine Calling-Range aus den Blinds ein wenig aus.
2) Ich werde extra Chips gewinnen, wenn ich ein Ass treffe. Er kann ein Ass nicht checken.
3) Ich bin nicht preflop all-in in einer Situation in der ich fast sicher 2-1 zurück liege, wenn ich gecallt werde.
Als der Flop kam, spielte sich die Hand von selbst und es hatte am Ende einfach nicht sollen sein. Hätte ich den Pot gewonnen, hätte ich einen sehr guten Stack von 14 Millionen gehabt. So mache ich das: Klein, klein, Flops sehen, wenn nötig alle Chips gut in die Mitte bekommen und dann hält die Hand hoffentlich. Diesmal tat sie es nicht, aber ich bin sehr zufrieden, wie ich insgesamt gespielt habe und dass ich bis zum Ende an meinem Spielplan festgehalten habe.
Ich habe dies gestern einem Freund gesagt und will damit schließen: "Das Spiel ist weit einfacher als die Leute es machen wollen. Es ist nur kompliziert, wenn man es verkomplizieren will."
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.