Es mag sein, dass diese Aussage, „Setz keine Intelligenz voraus“, auch an anderer Stelle in dieser Form ausgedrückt ist, doch habe ich diese Formel kürzlich in einem Buch von Matt Lessinger entdeckt.
D.A.I., als ein Wort gesprochen, also „dai“ würde auf Italienisch „los“ oder „gib“ bedeuten, die Befehlsform von „dare“ – „geben“. Fügen wir ein L und ein A dazu, vielleicht von einem Kurzbesuch in Los Angeles inspiriert, wird „Dalai“ daraus, wie Dalai Lama, in dessen Vorträgen und Büchern wir immer wieder von Geduld hören und lesen.
Und warum geht mir dieses Buchstabenspiel so variationsreich durch den Kopf? Wahrscheinlich deswegen, weil eine ganze Menge der grauen Haare, die auf diesem Kopf wachsen, genau durch diesen Fehler zu solchen geworden sind. Ich habe in der Analyse des gegnerischen Spiels vorausgesetzt, dass diese über das, was sie gerade tun, auch nachgedacht haben. Und zwar, intelligent nachgedacht.
Steht nicht so oft geschrieben und ich zähle mich dabei selbst zu den Mitschuldigen, dass das Einsatzverhalten des Gegners Schlüsse auf sein Blatt zulässt? Ja, natürlich, wir schließen auch das beobachtete Verhaltensmuster ein. Wir erkennen jene Gegner, die zu Undenkbarem fähig sind. Doch sollte nicht auch das Undenkbare, eine gewisse Intelligenz, zumindest soviel, dass sie zum Überleben in der menschlichen Gesellschaft ausreicht, seine Grenzen zeigen?
In einem kleinen Turnier in Montreal, noch fünf Spieler am Tisch, saß einmal eine junge Dame neben mir. Sie im Small Blind, ich im Big, bluffte ich nach ihrem Check bei einem Flop von Ax Kx Kx . Cold Call! Es folgte ein weiteres Ass. Sie checkte, ich setzte meinen Bluff fort – und wieder ein Cold Call. Jetzt waren unsere halben Stacks im Pot. Was für ein Blatt erlaubte in beiden Fällen einen Call, führte aber nicht zum Raise? Eigentlich konnte es nur ein Ass sein. Am Flop hatte sie Angst vor dem König und am Turn gab es nichts mehr zu verteidigen. Sie hatte ihr Full House, würde am River betten und ich müsste passen.
Na ja, es gab noch ein paar andere Möglichkeiten, etwa, dass sie mich eines Bluffs verdächtigte und auf eine Queen in ihrer Hand vertraute.
Ich mach’s kurz. Es folgte eine 9! Mit 7x 5x in der Hand konnte ich das Board nicht schlagen. Sie checkte wieder und ich entschloss mich, meinen restlichen Stack zu erhalten und gab meinen Bluff auf. Was zeigte sie ihm Showdown? 2x 2x ! Ihr Cold Call am Turn erfolgte mit dem schlechtest möglichen Blatt!
Kriegte ich im beschriebenen Fall meine investierten Chips wieder zurück, führte folgende Situation zu meinem Ausscheiden aus einem Turnier in Aachen:
Kurz nach Beginn spielte ich mein erstes Blatt. Vom Button callte ich ein Raise von drei Big Blinds mit Ax Jx . Der Raiser, ich und Big Blind sahen folgenden Flop: Kx Jx Jx . Fängt ja gar nicht so schlecht an, dachte ich. Big Blind checkte, der Raiser brachte einen Einsatz von 200, ich erhöhte auf 500 und Big Blind raiste mit rund 5.000 Chips all-in!
Mit welchem Blatt wäre dies ein logischer Zug? Oder, drehen wir die Frage um, mit welchem Blatt wäre dieser Move unlogisch? In jedem Fall mit Kx Kx oder Kx Jx . Floppen wir ein Full House, kann eigentlich fast nichts mehr schief gehen. Die Gegner sollen sich in Sicherheit wiegen, auf Flush oder Straight hoffen. Vielleicht gäbe es sogar einen Jack – wie dem meinen – und der würde Runde um Runde für sein vermeintlich bestes Blatt bezahlen.
Also, Full House war auszuschließen. Blieb also nur noch K-x, Jack mit schwächerem Kicker, Draw oder, wenn auch unwahrscheinlich, ein unverschämter Bluff.
So dachte ich, schob meinen Stack in Richtung Pot und wechselte vom Turniertisch zum Cash-Tisch, nachdem der gute Mann mir einen König und einen Jack vor die Nase gehalten hatte.
Eine ähnliche Situation beobachtete ich kürzlich in einem Online-Turnier. Bei einem Flop von 7x 3x 3x , Rainbow, und einem Einsatz von 90 Chips, Potsize, brachte ein Spieler ein Raise auf 450.
Ax 7x , ein mittleres Pocket-Pair, Ax }Kx oder ein Bluff?Gab es einen Grund für ihn, eine 3 so aggressiv zu spielen, um den kleinen Pot schon hier zu kassieren? Eigentlich nicht! Der Gegner, der mit Qx Qx gecallt hatte, dachte wohl ebenso und verlor gegen Ax 3x !
Gut, ich muss zugeben, in der Mehrzahl der Fälle sparen uns solche Gegner Geld. Wie etwa in Salzburg, wo ich mit Ax 5x und einem Flop von Ax Ax Jx um den Pot geraist wurde. Mit meinem Kicker war’s ein leichter Fold und voller Freude und Begeisterung zeigte mein Gegner Ass und Jack, während er strahlend die paar Euro einsammelte.
Mit Jx Jx hätte ich natürlich nicht gepasst, wäre von A-x ausgegangen und hätte versucht, ihm die Verbesserung zum höheren Full House entsprechend zu verteuern. Jx Jx und Ax Kx wären aber auch die einzigen Karten gewesen, mit denen er mehr Geld von mir gekriegt hätte. Doch das wäre dann eben einer der seltenen Fälle, die zum Wachstum der grauen Haare beitragen.
Alex Lauzon
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 30.01.2008.