Erinnern Sie sich an diesen kalten Winter vor zwei oder drei Jahren? Jedenfalls genau in dieser eisigen Zeit lag ich danieder mit Fieber, Schnupfen und in sicherer Erwartung meines letzten Stündchens. Meine Mutter hatte ich angerufen, meine Frau und sicherheitshalber noch meine Exfrau, weil man ja nie weiß.
Ich war so schwach, doch die Batterien meiner Fernbedienung waren schwächer. Der kraftlose Daumen schien ebenso zu versagen wie die sinnlos gewordenen Knöpfe. Scheinbar gnadenhalber, so als ob eine höhere Kraft da oben mir ein wenig Ablenkung von meinem Leid gönnen würde, rafften sich alle winzigkleinen Stromkörperchen zu einer allerletzten Energieleistung auf und mit einem lauten „Plong“ sprang das Fernsehgerät an. Dann schied sie dahin die treue Batterie. Über den Jordan, quer durch den Hades oder wohin auch immer und ich lag da und es lief „Sarah & Marc in Love“. Ich musste zusehen und ich musste zuhören, weil ich keine Fernbedienung mehr hatte und mir nicht sicher war, ob es nicht das Letzte sein würde, was ich sehen dürfte, bevor ich meiner Batterie ins hoffentlich gelobte Land folgen müsste. Und je länger ich dalag, desto mehr war ich bereit für diesen Weg.
Eine unschuldige Meldung auf der immer aktuellen News-Seite von PokerOlymp. Comedy Poker Cup auf Das Vierte. Meine geschätzte Kollegin Rosi Grünstäudl weiß alles und was sie nicht weiß, erfährt sie und wenn sie mir ein Mail schickt, hat das was zu bedeuten. Die Sendung müsse ich mir ansehen und dann gleich eine Rezension schreiben. Kein Problem. Kühles Bier aus dem Kühlschrank gegriffen, die salzarmen Chips aus dem Bioladen, die angeblich ausschließlich von glücklichen Bauern geerntet werden (klingt plausibel bei dem Preis). Notizblock, Kugelschreiber, Ersatzkugelschreiber und neongelben Textmarker für die besonders humorigen Zitate.
Pünktlich geht es auch schon los. Schwarzes Insert, fette weiße Schrift: „Diese Sendung ist für Jugendliche unter 0 Jahren nicht geeignet. Menschen mit Neigungen zu erotischen Anfällen und unkontrollierbarer Lachmuskelkontraktion werden gebeten „JETZT“ abzuschalten.“
Fair ist fair und Job ist Job, also bleibe ich dran. Banjo-Musik und was das bedeutet weiß man als geeichter Pro7-Seher. Lächeltechnische Bereitschaft ist angesagt, späteres Prusten nicht ausgeschlossen. Banjo ist komisch. Querflöte ist traurig und nur beim verschlagenen Fagott weiß man nie, wohin das führen wird. Quasi eine Gemeinsamkeit, die sich Fagott und Fernsehen teilen.
Einzeln wurden dann die „Comedians“ vorgestellt. Olga Putin, die tadellos echt blondierte Blondine mit dem schäbig falschen russischen Akzent. Götz Frittrang, Germanist, den ich mögen sollte, weil wir denselben Vornamen tragen und ich selbst so gerne Germanistik studiert hätte. Dann Pablo Loco, den ich fast bis zu letzten Einstellung anfange ins Herz zu schließen, weil sein Mikrophon nicht zu funktionieren scheint und man nichts von ihm versteht, bis ein rücksichtsloser Tontechniker den Schaden behebt und damit der eigentliche Schaden erst beginnt.
Ferner ein Thieß Neubert, dem nicht mal meine angeborene Bösartigkeit ein gewisses komödiantisches Talent absprechen kann. Lars Holfeld, der sich auch erst zum Ende der Sendung aufmacht, seine Würde für ein paar halbtotale Kameraaufnahmen zu verschleudern.Dabei zog er die bis dahin unaufdringlich unschuldige DSF-Quiz Moderatorin Yvonne Spath ins schäbige Verderben. Bis dahin hatte sie sich, völlig zu recht, auf ihr leckeres Dekollete und ihren Schmollmund verlassen. Plötzlich war sie freiwillig Teil eines mühsam aufgesetzten Sketches über ein kopulierendes Pärchen.
Verstärkt, gewissermaßen als spielerische Instanz, durch Willi Breuer, der sich laut dem Moderator Pokereuropameister nennen darf und einem sympathischen Online-Qualifikanten, dem man nichts vorwerfen kann, außer nicht rechtzeitig die Flucht ergriffen zu haben.
Was dann die nächsten zwei Stunden folgte, war schwaches Poker von Novizen ohne erkennbares Talent und bar jeglicher Ambition. Genau darin liegt auch das absehbare Missverständnis dieses Sendeformates. Vorgetragen Komik bedingt souveränes Beherrschen der Materie. Der Clown stolpert nicht jeden Abend über seine viel zu großen Schuhe, weil er wirklich ungeschickt ist und wenn Helge Schneider als Multiinstrumentalist seine virtuosen Soli mit dem verbotensten und somit komischsten aller Töne beendet, kann er das nur, weil er den richtigen Ton kennt und selbstverständlich auch blind träfe, wenn er nur wollte. Genau damit kokettieren die wirklichen „Comedians“, die sich auch niemals so nennen würden.
Einfach nur nicht wissen, wie etwas geht. Niemals zu verstehen, wann man dran ist und was man dann tun, setzen und lassen kann, ist nicht witzig. Das spielerische Geheimnis des Pokerns nicht einmal ansatzweise zu erahnen und dieses Nichtwissen mit Charme zu verwechseln, ist nicht komisch, sondern mühsam und anstrengend. Damit zwei Stunden Programm zu füllen, ist wiederum billig und schäbig. Sendungen, bei denen sich Poesie und intellektuelle Herausforderung auf die gnadenvoll häufigen Werbeunterbrechungen beschränken („Geile Stiefmütter mit dicken Möpsen“ – „Lausche wenn ich es mir mache) sind eine traurige Spielwiese für ideenlose Produzenten und gescheiterte Regisseure.
Stefan Raab muss man nicht mögen, aber seine Sendungen haben handwerkliche Klasse, exzellente Autoren und internationalen Standard. Was schäme ich mich für meine ohnedies milden Verrisse der „TV Total Pokerstars Pokernacht“ nach dem sonntäglichen Sendungsdesaster des „Comedy Poker Cups“ muss ich bei Raab Abbitte leisten.. Bei ihm gibt es doch eher tatsächlich echte Prominente und man kann mit dem Online-Qualifikanten mitfiebern, weil er richtig Geld gewinnen kann. Beim „Comedy Poker Cup“ gibt es 10.000 Ein-Cent Münzen für den Sieger. Was für ein blamabel pubertärer Witz. – Ich verdopple den Prizepool. Sollte der Online-Qualifikant das Ding gewinnen, lege ich nochmals 100 Euro vom privaten Geld drauf und zwei Bücher bekommt er sowieso, um den ganzen Mist wieder aus der Birne zu bekommen.
Warum auch immer. Irgendwann war Schluss für Olga Putin. Sie musste (oder durfte) den Pokertisch des Schreckens verlassen. Der Gegner hatte die besseren Karten und den besseren Kicker. „Schau du Sau. Du kriegst Kopfschuss“. Das sollte irgendwie witzig sein und sich ebenso irgendwie russisch anhören. Begleitet wurde der Abgang vom tapferen Moderator, der weitere Kommentare Olgas aus der Spielerlobby ankündigte und als er zum dritten Mal „irgendwie“ in einem Satz sagte, klang das wie eine Drohung.
Das Bier war leer. Die überteuerten salzarmen Chips gegessen. Der Kugelschreiber hatte notiert, was zu notieren war und der traurige neongelbe Textmarker für die ausgebliebenen humorigen Zitate lag da in seiner Unberührtheit. Ich hatte es überstanden und verstand nicht ganz, warum. Selten hatten sich zwei quälend lange Stunden quälender und länger hingezogen und trotzdem gab es etwas Erfreuliches in all dem Unrat und Komikmüll. Die zarte blonde Dealerin, die alles richtig machte und niemals witzig sein wollte, weil sie es einfach nicht notwendig hatte. Die Karten lagen dort, wo sie sollten und die Chips kamen dorthin, wo sie mussten. Sie saß da in ihrer frisch gebügelten Dealerbluse. Nur ihr Gesicht sah man kein einziges Mal, so als ob sie nicht wirklich dazugehörte und das hatte sie mal auf jeden Fall mit mir gemeinsam. Bloß weil ich Poker liebe, muss ich nicht alles lieben, was da durchs deutsche Fernsehen spukt. Irgendwann wird der richtige Mann die richtige Sendung machen und dann werde ich auch die verdienten Hymnen schreiben. Bis dahin werde ich mich tunlichst zurückhalten. Warum mich meine sonst so geschätzte Kollegin Rosi Grünstäudl da so ins Pokerfeuer gehetzt hat, muss ich dringend klären. Noch so eine Sendung auf meinem Arbeitszettel und ich kündige ihr die Redaktionsfreundschaft. Garantiert
Götz Schrage
Epilog:
Selbstverständlich habe ich mich gleich am nächsten Tag in der Redaktion beschwert und ordentlich auch noch. Ich muss leider alles dementieren, was ich da in meinem paranoiden posttelevisionären Zustand geschrieben hatte. Vielleicht hätte ich das Mail einfach genauer lesen sollen. Keine Rede von einem Auftrag für eine Rezension und spätestens der Trailer in der News-Meldung hätte mich doch warnen können, meint Rosi Grünstäudl und selbstverständlich hatte sie Recht (wie sonst auch immer!).
Inzwischen weiß ich auch, warum die Sendung so plötzlich aus war. Es gibt noch einen zweiten Teil (heute Dienstag um 23.20Uhr auf Das Vierte) und selbstverständlich werde ich ihn mir wieder ansehen, weil ich mich ein wenig in die tapfere blonde Elfe mit der weißen Bluse verliebt habe.
PS: Leichtes Kratzen im Hals und einen Anflug von Kopfschmerzen. Habe zufällig in der Programmzeitschrift gesehen „Sarah & Mark“ sind immer noch „in Love“ auch da gibt es jetzt eine Fortsetzung. Sofort die Batterien in meiner Fernbedienung getauscht. Sicher ist sicher und man muss wirklich nicht jeden Fehler zweimal machen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 15.07.2008.