Mit Freude tippe ich den ersten Part dieses vierteiligen Themenblocks im März. Eine Reihe, die sich mit Cashgames aus verschiedenen Blickwinkeln beschäftigt.
Bekanntlich soll man ja die Arbeit vor dem Vergnügen erledigen. Wohl auch deshalb stehen die theoretischen Erwägungen, die mir als Trainer, Autor und Friend of Full Tilt Poker besonders am Herzen liegen, am Anfang dieser Themenreihe. Ab nächster Woche nehmen euch dann meine Kollegen aus dem Profispielerlager in die ebenso geliebte wie konkrete Fold-Call-Raise Praxis mit.
In meinen Coachings sehe ich es wieder und immer wieder: Nahezu alle Spieler, die sich ernsthaft mit der Materie befassen, sind bereit große Mühen auf sich zu nehmen, um Ihr Spiel zu verbessern. Dabei fokussieren sie meist nur auf die Optimierung der Entscheidungen am Tisch. Irgendwo liegt das ja auch auf der Hand: Eben genau dann, wenn man als Spieler am Zug ist, wägt man ab, hadert, entscheidet schließlich. Manchmal zum eigenen Wohl, manchmal zum Wehe. All zu oft wird man nie erfahren, ob man ‘gut’ gespielt hat, denn das Wissen darum liegt unwiderruflich im Muck. Logischerweise also trainiert man diese oftmals nicht zufriedenstellenden Schlüsselentscheidungen.
Ich möchte hier aber die Augen dafür öffnen, dass dies nur die eine Seite der Medaille ist. Das Adjektiv ‘gut’ zur Bewertung eines Spielzuges hat nämlich einen gravierenden Makel. Es bewertet absolut. Im Poker aber ist wirklich alles relativ zu sehen:
· Was ist ‘gut’ an einem Spielzug, wenn es einen besseren gab?
· Was bedeutet ein Bet in Höhe von 1.000? Mit ‘Potsize’, oder ‘50% des effektiven Stacks’ kann ich etwas anfangen.
· Wie gut ist AK? Nur im Vergleich zu bestimmten gegnerischen Handranges kann ich darüber etwas sinnvolles sagen.
· Bin ich ein guter Spieler? Egal! Ich muss dem gewählten Gegnerfeld überlegen sein.
Gut zu sein, beduetet also noch lange nicht profitabel zu sein. Als ‘Guter’ rult man den ‘Schlechten’, ist aber ein ‘Sucker’ gegen den ‘Sehr Guten’. Besser zu werden, macht natürlich Sinn. Aber oftmals effizienter und dabei unmittelbar vor Ort umzusetzen ist ein klarer Blick für schlagbare Partien. Zu erkennen, dass die vielen kleinen Entscheidungen am Tisch nur ein Mikrokosmos sind, die eigentliche Stärke des erfolgreichen Cashgamers aber auf dem Weg zum Tisch und wieder nach Hause liegt, ist ein großer Schritt auf dem Weg zum profitablen Spiel.
Dies sind die Fragen, die mich persönlich dazu motivieren, in eine Partie einzusteigen:
· Kann und will ich mir diese Partie leisten?
· Poker spielen kann Geld kosten, sicher kostet es Zeit. Habe ich diese Zeit?
· Bin ich frisch genug, um gegebenenfalls mehr als 10 Stunden sauber spielen zu können?
· Habe ich privat und beruflich den Rücken frei?
· Kann ich oft genug nachkaufen, falls es schlecht läuft, ich aber weiterhin an die Überlegenheit meines Spiels glauben darf?
· Kann ich den Gewinn der Blinds als Gewinn betrachten? (Andernfalls spiele ich zu billig.)
· Komme ich mit dem eigenen All In gut klar? (Andernfalls spiele ich zu teuer.)
· Kann ich diese Partie schlagen?
· Gibt es einen konkreten Plan, wie ich hier Geld mache?
· Gibt es viele Spielzüge, die gefährlich für meinen Stack sind?
· Kann ich aus meiner Persönlichkeit Kapital schlagen?
· Komme ich mit den anderen Persönlichkeiten zurecht?
· Wie hoch sind die Nebenkosten (Rake, Trinkgeld, Service) und wie wirken sich diese auf meine angepeilte Taktik aus?
Praktisch nie findet sich eine Partie zu meiner vollen Zufriedenheit. Das ist aber auch nicht nötig. Wichtig ist es, sich die obigen Fragen zu stellen und dann bewusst zu entscheiden, was man tut. Mittelfristig muss es dann Ziel sein, an steten Missfits zu arbeiten.
Ein gutes Händchen wünsche ich euch bei der Wahl eurer Partien. Hier steckt viel mehr Geld als man gemeinhin vermutet. Dann bis nächste Woche an dieser Stelle! Ich bin jedenfalls gespannt, was meine Kollegen verraten werden.
Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamerthe-gambling-institute.de
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 02.03.2009.