Für alle, die es kurz und bündig mögen „Gewinnstrategien für das Short-Handed Spiel – Limit Hold´em Techniken für Tische mit sechs oder weniger Spielern“ hat meine uneingeschränkte Kaufempfehlung. Die Autoren Terry Borer, Lawrence Mak und Barry Tanenbaum erklären auf knapp 400 Seiten alles, was man als Short-Handed Limit Spieler wissen sollte. Über weite Strecken schön und rund übersetzt von Stephan M. Kalhamer.
![assets/Uploads/Articles/19722 assets/Uploads/Articles/19722](/wp-content/uploads/19722.jpg)
Genug der neuen Sachlichkeit. Tauchen wir gemeinsam tiefer ein in Buch und Materie. Keine Sorge, auch diese Rezension spart nicht an polemischen Bösartigkeiten. Hoffentlich ohne den verdienten positiven Gesamteindruck nachhaltig zu beschädigen.
Wie die Unterzeile des Titels schon verrät, befinden wir uns in der Limit-Welt. Kein „potsize-raise“ kann mit „reraise all-in“ gekontert werden, sondern alles spielt sich – im wahrsten Sinne des Wortes- im „bet, two-bet, three-bet, capped“ Verfahren ab. Nun steuert der No Limit Boom vielleicht gerade auf seinen Höhepunkt zu. Sich trotzdem an so ein qualitativ hochwertig recherchiertes Buch zu wagen, spricht von wahrem Engagement. Wobei selbst der reine No Limit Cashgame Spieler sicher einiges von der Lektüre wird profitieren können. Der ROI für den ausgelegten Kaufpreis ist jedenfalls sicher gegeben (und alle Spieler, die ROI für den neuen ungebissenen Freund von Siegfried halten, empfehle ich dieses Buch sowieso. Mysteriöse Begriffe der Pokerwelt werden schlüssig und schlau erklärt).
Gut gegliedert werden in der Einführung die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Short-Handed und Fullring-Game herausgearbeitet, bevor dann ausführlich auf jeden einzelnen Step eingegangen wird, Preflop, Flop, Turn und River. Jeweils ein Kapitel mit Statistiken und verständlichen Tabellen. Am Ende jedes Steps gibt es dann eine Art Quiz – untergebracht unter dem leicht hinkenden Übertitel „Verständnisfragen“. Jedenfalls tadellose Fragen mit leicht abgesetzten überzeugenden Erklärungen. Macht Sinn und Spaß und wer zu oft daneben liegt, sollte das Kapitel dann wohl besser nochmals lesen.
Prinzipiell bemüht sich das Buch zwar sowohl auf reales Casinospiel, wie auch auf Online einzugehen, allerdings ist es gar nicht so leicht, live eine Short-Handed Limit Partie zu finden und somit ist die Online-Variante die wesentliche realistischere. Unterstützende Pokersoftware wird ebenso besprochen und empfohlen. Außerdem widmen sich die Autoren der von praktisch allen Online-Anbietern angebotenen Funktion „add notes“. Ein dunkler Punkt meines langjährigen Pokerlebens. Bisher haben sich meine virtuellen Notizen auf „Hat meine Asse gekillt – RACHE“ und im Wiederholungsfall auf ein dezent entnervtes: „ICH HASSE DICH!“ beschränkt. Doch nach der Lektüre von „Gewinnstrategien für das Short-Handed-Spiel“ gelobe ich Vernunft und Besserung.
Wirklich packend und interessant die Passagen zu „Supershortes Preflop Spiel“ und in weiterer Folge zu „Supershortes Postflop Spiel“. Auch wenn dieses Buch für den Cashgame Spieler geschrieben wurde, um ein Turnier zu gewinnen (und das wollen wir doch alle) muss man damit rechnen (und darauf hoffen), dass einem langsam die Gegner ausgehen. Somit bekommen die angeführten Tipps, Tricks und strategischen Kniffe eine Allgemeingültigkeit, die weit über die eigentliche Thematik hinausgeht. Das gilt auch für die Kapitel „Alles über Tilt“, „Spielanpassung“ und „Aufs Geld kommt es an“.
Geradezu philosophisch und vielleicht ein klein wenig fatalistisch folgender Hinweis im Kapitel „An mehreren Tischen spielen“. Die Autoren raten da vernünftigerweise zu einer langsamen Steigerung. Sich einfach so ins massive Multitabling zu stürzen hätte, wohl fatale Folgen für die Bankroll. Putzig dabei folgende Argumentation, die eben diese zarte Dosissteigerung eindrucksvoll einmahnt: „Sie werden Poker spielen bis zu ihrem Todestag – warum also die Eile?“ – Und mit dieser kleinen Stilblüte entlasse ich Sie aus dem inhaltlichen Teil der Buchrezension und leite über zu den zu recht gefürchteten persönlichen Worten.
Vor ein paar Tage durfte ich meinen zweiten Hochzeitstag feiern. Zeit sich an mein persönliches Ehe-Gelübde zu erinnern. Drei Dinge waren es, die ich versprochen hatte. Keine neuen Lokalverbote (gehalten!), keine körperlichen Auseinandersetzungen mehr (nicht gehalten – aber der andere war schuld) und keinerlei straferechtlich relevanten Drohungen mehr (werde ich jetzt brechen). Ich ertrage es einfach nicht mehr. Ich will keine Pokerbücher mehr lesen, besitzen, rezensieren, die sich auf platte Sun Tsu Weisheiten berufen (siehe Seite 65). Ich leide unter fachärztlich attestieren Sun Tsu-Phobie und wünsche mir Sun Tsu freie Pokerbücher (vielleicht eine Art Gütesiegel analog zu „no sodium“).
Terry Borer, Lawrence Mak und Barry Tanenbaum wissen schon, warum sie sich auf der anderen Seite des Atlantiks verstecken. Den nächsten Autor in meiner Reichweite, der mich mit diesem verstaubten asiatischen Schwachsinn quält, fahre ich persönlich suchen und wenn ich ihn gefunden habe, hänge ich ihn kopfüber aus dem straßenseitig gelegenen Fenster seines Büros. Dann kann er laut um Hilfe schreien. Vielleicht kommt ja der Ururenkel von Sun Tsu zu Hilfe geeilt. – Aber das wird ihm auch nichts nutzen. Garantiert!
Götz Schrage
Erschienen im AniMazing Verlag, erhältlich im PokerOlymp Shop zum Preis von €16,95.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.06.2008.