Odessa ist immer für eine Überraschung gut. Was folgt wohl auf die wildeste Pot Limit Omaha Partie zwischen dem Kaukasus und der Wüste von Nevada? Welche Pokervariante ist die logische und verdiente Fortsetzung dieser Jeder-schiebt-beherzt-viele-Chips-rein-und-dann-schaut-man-was-man-hat? – Logisch! Seven Card Stud Limit – das im Moment wohl meistunterschätzte Pokerspiel.
Angefangen hat alles mit einer Silvesterpartie. Eintritt waren $500 mit Galadiner und Bühnenshow und das ganze fand in einem äußerst eleganten Lokal statt. Was ich – und auch die meisten anwesenden Spieler – nicht wusste, genau an diesem Ort gab es in den wildern 90er Jahren eine noch wildere Seven Card Stud Partie. Gespielt wurde damals 500$/1000$ Limit und die Pots müssen gigantisch gewesen sein. Wenn man den Erzählungen glauben darf, haben sich die massiven Tische gebogen vor lauter Geld und Getränken. Und nach bösartigen Gerüchten hat der Veranstalter den Tisch dann aus finanziellen Gründen geschlossen irgendwann. – Sein Problem war nämlich, bei großzügigen 7% Collection vom Pot war er irgendwann so reich, dass einfach kein Geld mehr in seinen Safe gepasst hat.
Jedenfalls wurde auch an diesem Abend viel getrunken (von den anderen) und über die alten Zeiten getrauert (auch von mir) und irgendwann verkündete dann einer, dass er im neuen Jahr 7 Card Stud unbedingt lernen möchte. – Das sind halt Silvestervorsätze auf ukrainisch. Tatsächlich am 2. Januar ging es dann auch los. Damit es nicht so teuer wird und weil bis auf meinen Freund Oleg keiner nur irgendwelche Erfahrung in dem Spiel hat, wurde es im „Anfänger-Limit“ 300$/600$ angesetzt. Selbstverständlich nur eine Frage der Zeit und dann wird es garantiert aufs „männliche“ 500$/1000$ angehoben.
Spielerklärung gibt es (wenn man Pech hat) beim Floorman oder von der blonden Kellnerin (wenn man Glück hat). Wobei ukrainische Männer mit Selbstbewusstsein ohnedies nicht gerne zuhören, sondern lieber rasch die Chips in die Tischmitte schieben und laut „raise“ brüllen. Pots und Swings sind gigantisch und die Dealer sorgen immer wieder für neue Überraschungen. Besonders beliebter Fehler, jeder Spieler bekommt seine zwei geschlossenen und seine vier offenen Karten, soweit ja regelkonform, nur statt der geschlossenen siebten Karte legen die Dealer dann stolz einen Flop in die Tischmitte. Vielleicht könnte man daraus eine ukrainische Hold´em Variante basteln? Vielleicht sollte ich mir das schützen lassen und weltweit vertreiben.
Omaha PL liegt momentan also auf Eis. Ich persönlich schlage mich recht gut, allerdings keine leichte Sache, sich da durch die Pots zu manövrieren. Ohne Fantasie und ohne entsprechende Bankroll ist man in den Wirren der Action am Stud-Tisch bald im wahrsten Sinne verloren. – Aber auch ich habe eine neue Leidenschaft entdeckt und ob man mir glaubt oder nicht, es hat (fast) nichts mit Frauen zu tun. Ich gehe in die Oper und zwar regelmäßig. Erstmals hat das Opernhaus von Odessa zu Recht einen sehr guten Ruf und man kommt sich dort vor, wie in einem anderen Jahrhundert. Wunderbare Aufführung, obwohl man sich auch da an die ukrainische Lebensweise gewöhnen muss. Handys sind alles andere als ein Tabu, die Leute schlagen den Takt begeistert (und nicht immer richtig) mit dem Programmheft mit und alles was man sich sonst noch vorstellen kann.
Habe auch im Casino von meinen Erlebnissen erzählt und siehe da, angeblich lauter deklarierte Opernfans. Geburtstag hatte ich auch letzte Woche und aus diesem Anlass habe ich dann die ganze Zocker-Crew in die Oper eingeladen. Besten Plätze, erste Reihe Mitte! Nun, wie das nun mal ist bei Pokerspielern. Die Partie vom Vorabend ging logischerweise bis zum Vormittag und dann noch eine Stunde und noch eine Stunde und ich saß dann alleine (mit meiner reizenden Begleitung) in der ersten Reihe auf neun Plätzen. Gekränkt war ich nicht, es ist einfach immer ein Risiko sich mit Zockern außerhalb eines Casinos zu verabreden.
Wir haben dann zu zweit in meinem Appartement weiter gefeiert. Ich sage nur „nuts“ – alles andere wäre nicht jugendfrei und sogar ich habe, verwirrt durch die weiblichen Reize, meine eigentliche Bestimmung – nämlich in den Casinos der Welt Jetons zu schlichten – vergessen und gleich am nächsten Morgen in angenehmer Gesellschaft weitergefeiert. Keine billige Pointe, sondern wirklich wahr, im Casino hat sich der Chef Sorgen gemacht, weil sie mich 36 Stunden nicht gesehen hatten und gleich zwei Hünen von Security zu meiner Bleibe geschickt. Nachsehen, ob doch alles in Ordnung sei. Das nenne ich Service und das musste natürlich belohnt werden. Also Abschied nehmen und zurück zu den großen Pots. – Das Leben kann manchmal ganz schön hart sein!
Christoph Haller
doublesuited.de
PS: Diesmal mache ich es schlauer. Morgen gehe ich wieder in die Oper. Diesmal mit Vica, Olga, Katya, Alexandra und Olga 2. „Ballett Giselle“ und wieder erste Reihe Mitte. – Hoffentlich lassen meine Mädchen die Handys an der Garderobe!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 16.01.2008.