Eigentlich würde ich ja am liebsten gleich die Geschichte von der niedlichen Rettungsärztin erzählen und warum mir mein Allerwertester weh tut. Dann habe ich ein paar philosophische Gedanken zum Thema “Warum schützt man mich im Leben vor den falschen Dingen und nicht vor den dummen Spielern?” – Aber eins nach dem anderen. Fange ich mal mit einer Pokergeschichte an, wie man sie wohl nur hier in Moskau erleben kann.
Hier ist nämlich wirklich High Stakes Poker. Ich spiele ja meist im „Shangri La“ ein edles Casino mit angeschlossenem Pokerraum. Viele Wochen habe ich hier im Laufe des letzten Jahres verbracht und so kenne ich mich mit den Gepflogenheiten und vor allen Dingen den Besonderheiten der wichtigsten Spieler aus. No Limit Hold’em Blind 100/100 und jede halbe Stunde wird umgestellt auf 400/800 Limit Omaha. Eine explosive Mischung und mitunter habe ich das Gefühl, dass einige am Tisch nicht so recht wissen, welche Variante gerade angesagt ist. Geld spielt sowieso nicht wirklich eine Rolle. Die Pots sind riesig und die Swings natürlich auch.
Zwei der Stammspieler hassen sich. Soweit reicht mein Russisch mittlerweile, um Schimpfworte von Höflichkeitsfloskeln zu unterscheiden. Die beiden verhöhnen sich, provozieren sich und gebrüllt wird selbstverständlich auch. Dazu kommt, dass einer von den beiden – nennen wir ihn „Sascha“ – meist zur fortgeschrittenen Stunde „auf Ansage“ spielt. Das bedeutet, bei großen Pots sagt Sascha dann „plus $20.000“ und das akzeptiert auch jeder am Tisch. Eine Ansage von Herrn Sascha ist wie Bargeld. – Wie der Spielteufel so will, kommen nun die beiden Kontrahenten in einen großen Pot. Und unser Sascha verliert gegen seinen Erzfeind $15.000 mehr als er eingesteckt hat. Nur gibt sich der Sieger eben nicht mit der „Ansage“ zufrieden, sonder triezt und quält nun den Unterlegenen. Worauf Sascha aufsteht, suchend in seine Sakkotaschen greift, einen auf den ersten Blick dezent metallenen Kugelschreiben über den Tisch schleudert und das Casino verlässt (draußen wartet immer der Maybach samt Chauffeur).
Das ungeforderte Pfand wurde dann am Tisch begutachtet. Sogar fachmännisch, weil es in Moskau zwei Währungen gibt. Dollar und Diamanten. So ist jeder irgendwie ein Experte und einer am Tisch war sogar ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet. Minimum Diamanten für $200.000 waren an diesem Kugelschreiber verarbeitet. Unglaublich und vielleicht gerade deshalb typisch für Moskau. Übrigens Sascha ist dann auch bald wieder gekommen, hat mit einer verächtlichen Geste und übelsten Verwünschungen die Schulden über den Tisch geworfen, seinen Stift gepackt und danach gleich das Casino verlassen. Rückblickend hätte ich mich ihm wohl besser anschließen sollen.
Kurze Zeit später war ich dann einen Monsterpot verwickelt. Nicht auf „Ansage“ sondern echte $31.000 schiebe ich am Flop mit Top-Set in den Pot und der Glücksfisch mit der möglichen Straße zahlt sofort und gewinnt. – Wohlgemerkt das ist keine Bad Beat Story, sondern nur die Einleitung zum philosophischen Teil des Textes. Ich bin dann nämlich aus dem Casino marschiert, ohne Jacke und die Moskauer Nächte sind noch eiskalt. Fürs Taxi hat es noch gereicht. Im Hotel angekommen wollte ich per Skype dann einen Freund am Handy anrufen. Mein Guthaben war aufgebraucht, Kreditkarte gezückt und der Versuch, schlappe dreißig Dollar auf mein Skype-Konto zu buchen. Und jetzt kommt es! Skype lässt mich nicht, weil sie mich offenbar schützen wollen. Mein monatliches Limit habe ich verbraucht und mehr geht nicht, damit es nicht teuer wird. Aber hallo!? Wieso schützt mich keiner davor ein halbes Vermögen in den Pot zu schieben? Und wieso schützt den Dümmling keiner davor, diesen schlechten Call zu machen und dann auch noch zu gewinnen? Egal, das waren so meine Gedanken nächtens in einem Moskauer Hotelzimmer.
“Der Beißer”Am nächsten Morgen hatte ich dann wirklich leichtes Fieber. Offenbar eine kleine Verkühlung. Brav in der Rezeption nach einem Arzt gefragt. Die haben offenbar etwas missverstanden und gleich die Rettung gerufen! Tatsächlich! Die Notärztin – ein heißer Feger. Tolle Lippen, Top-Figur, Make-Up wie eines der Mädchen, die in Lokalen um die Stange turnen (Sind das vielleicht auch alles Ärztinnen?). Ihr Begleiter ein grimmiger Knecht von einem Mann. So ähnlich wie der „Beißer“ im James Bond Film nur ohne Metallgebiss. Kurze Untersuchung und dann hat mich die Go-Go Ärztin aufgefordert das Gesäß für eine Injektion freizumachen. Nach der Schlappe der Nacht konnten mir zärtliche Damenhände in dieser Region nur gut tun. Dachte ich zumindest. In dem Moment, als ich den Gürtel öffnete, schnappte die Prinzessin im weißen Kittel ihre Tasche zu und von irgendwo zog der „Beißer“ eine Spritze hervor. Ich spüre das jetzt noch und zärtlich war das gar nicht. – Aber gesund bin ich und außerdem mache ich mich jetzt auf den Weg zum Flughafen.
Anfang Mai gehe ich wieder auf Tour. Erst Odessa und dann sicher wieder Moskau. Hoffe, es hat Euch ein Spaß gemacht und ich melde mich dann wieder – selbstverständlich bei PokerOlymp.
Christoph Haller
(ehrenamtlicher PokerOlymp Reporter – live aus Moskau)
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 16.04.2007.