In seltenen Fällen können wir uns am River sicher sein, dass wir den Pot gewinnen werden. Wir raisen in der Hoffnung, dem Gegner noch ein paar Chips herauszulocken.Ist unser Blatt aller Wahrscheinlichkeit nach das bessere, eine Annahme, die insbesondere auf das gegnerische Einsatzverhalten in den Vorrunden beruht, ergibt eine Erhöhung nur unter bestimmten Voraussetzungen Sinn: Die wichtigsten davon wären, dass wir im speziellen Fall wirklich Grund zur Annahme haben, dass unser Blatt einen Showdown übersteht, dass der Gegner leichtfertig mit dem schwächeren Blatt callt – und dass keine sonderliche Gefahr eines Reraises besteht. Ohne näher ins Detail zu gehen, ist der Grund für unser Raise ein Bluff, dann wollen wir natürlich keinesfalls gecallt werden.
Entschließen wir uns am River zu einem Raise, dann sollten wir uns immer bewusst sein, aus welchem Grund. Für Value oder um den Pot zu stehlen!
„Plaza 138“ ist der Name eines ziemlich neuen Pokerklubs bei den Mohawks in Kahnawakee (das Indianer-Reservat vor den Toren von Montreal, das den meisten Online-Pokerseiten die Lizenz erteilt). Wir spielten Hold’em No-Limit, die Blinds $2/$5, maximales Buy-in $500. Gespielt wurde eher aggressiv und durch häufige Rebuys gab es einige, deren Stack deutlich über $1.000 lag.
Drei Limper. Vom Cut-Off brachte ich ein riskantes Raise mit A 8 (was nicht unbedingt nachgemacht werden sollte, doch in diesem Fall hatte ich meine Gründe). Es gab mehr Caller als erwartet. Es waren vier.
Der Flop: 4 8 9
Check, check, check, ein Bet von mir in Pot-Size, der Button passte, der Dicke am Small Blind ging mit und auch der Rest schob die Karten zur Tischmitte. Am Turn fiel eine harmlose 5 .
Small Blind checkte. Bei ursprünglich fünf Beteiligten, war die Wahrscheinlichkeit einer 9 in seiner Hand, nicht gerade klein. 7-6 war natürlich ebenso wenig auszuschließen. Ich wurde unsicher und checkte ebenfalls. Der River brachte mir das Ass und das Board sah folgendermaßen aus:
4 8 9 5 A
Wieder checkte der Dicke. So wie ich ihn einschätze, hätte er dies nicht getan, hätte er über ein solides Blatt verfügt. Also setzte ich für Value: $200. Der Erfahrung entsprechend, ließ er sich oft zu leichtfertigen Calls hinreißen.
Er überlegte. Er überlegte lange. Zählte seine Chips, schob $600 vor sich hin und kündigte lautstark sein Raise an.
Was nun? Mein erster Gedanke war, dass er A-9 in der Hand hielt. Eine Straight, zurückhaltend gespielt? Nein, den Eindruck hatte ich nicht. Also doch A-9! Allerdings, vielleicht waren es zwei kleine Paare, vielleicht wollte er mir mit 9-8 eine Falle aufbauen. Vielleicht hatte er auch nur eine 9 mit King oder Queen als Kicker und glaubte mir das Ass nicht. Ein Bluff nach verpasstem Flush-Draw war auch nicht auszuschließen. Als mir dann noch die Möglichkeit in den Sinn kam, dass er am Flop gewohnheitsmäßig auch mit A-K mitgegangen wäre und nun glaubte, mich geschlagen zu haben, entschied ich mich, von der Situation nicht wirklich begeistert, doch für einen Call.
Er hatte A Q .
Beinahe ohne sie herzuzeigen, schob er die Karten von sich. Er hatte nicht damit gerechnet, im Falle eines Calls, zu gewinnen.
Ich stapelte die Chips vor mir auf und fragte mich, was er mit diesem Raise hatte bezwecken wollen.
- Wäre mein Blatt zu schwach für einen Call gewesen, hätte er ohnehin gewonnen.
- Den Aufbau der Situation berücksichtigend, konnte er mit einem Call – was er
offensichtlich auch vermutete – nur im Falle eines besseren Blattes in meiner
Hand rechnen.
- Die Wahrscheinlichkeit, dass er mich mit besserem Blatt zum Passen
hätte bewegen können, war zwar gegeben, aber nicht sonderlich groß.
Aus welchem Grunde hat er also geraist? Für Value oder als Bluff? Vermutlich wusste er selbst nicht. Hoffentlich wird er es auch nie lernen.
Solche Gegner wünsch ich Euch auch.
Euer
Alex Lauzon
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.12.2007.