Leere Casinos, Erlässe zum Verbot von Pokerturnieren, horrende Besteuerung, Klagewellen an Lizenznehmer! Ich sehe schwarz für die Entwicklung der Pokerkultur in Deutschland. Warum wird beim Pokerboom in Deutschland die Notbremse gezogen, bevor der Zug erst so richtig in Fahrt kommt?
Bremen, Duisburg, Dortmund, Bad Oeynhausen – die Casinos haben alle etwas gemeinsam. Absehen davon, dass sie der Westspiel-Gruppe angehören, kämpfen sie gegen schwindende Teilnehmerzahlen bei Turnieren. Das Casino Bremen Open im Januar und das ICE im Februar waren gut organisierte Turniere des Casino Bremen. Eine ansprechende Struktur, Satellites im Vorfeld und dennoch enttäuschten die Teilnehmerzahlen. Bad Oeynhausen sorgte für eine Sensation mit dem EPT Super Satellite für das Grand Final in Monte Carlo. Die Spieleranzahl war vernichtend, obwohl mit einer EPT-ähnlichen Struktur gespielt wurde. Das Casino Duisburg hatte bei den beiden ersten Turnieren des Duisburg Open alle Hoffnung, ein herausragendes Main Event zu veranstalten. Mit 34 Teilnehmern beim €1.000 No Limit Hold’em war einem aber mehr zum Weinen als zum Lachen zu Mute. Mit Schrecken erinnern wir uns an die letzte Hohensyburger Meisterschaft zurück, bei der gerade mal 22 Spieler angetreten waren.
Egal, was die deutschen Casinos machen, es ist mehr Bruchlandung als sonst etwas. In Österreich geht die Tür nicht zu, wenn eines der Casinos Austria oder ein Cardroom zur Turnierwoche laden. Die Schweizer Casinos sind auf Wochen im Vorhinein ausgebucht und die Freigabe der Turniere hat zu einem unglaublichen Hype geführt, der die Cardrooms nur so aus dem Boden schießen lässt.
In Deutschland hat man die Wahl zwischen Verboten, Sondereinsatzkommandos bei Nichtbefolgen der Erlässe oder eine Klage des Finanzamtes, weil ja bei Pokerturnieren auch noch ein Umsatz gemacht wird. Und dann vergessen wir nicht den Retter der deutschen Pokerwelt, auch Weltmeister oder Horst Koch genannt, der nur all zu gerne mal seine ehemaligen Lizenznehmer mit haarsträubenden Klagen verfolgt. In zehn Jahren gibt es vermutlich niemanden mehr in Deutschland, der keine Klage von Horst Koch in seinem Aktenordner haben wird. Wobei ich denke, dass ich mir gerade hier selber eine einhandle. Aber egal. Es muss gesagt werden, dass dieses Verhalten dem geliebten Pokerspiel einfach schadet. Jedes Verfahren, das bei den Behörden aktenkundig wird, hilft diesen doch dabei, weitere restriktive Bestimmungen zu erlassen. Und das hat sicherlich nichts mit „Etablierung des seriösen Pokerspiels“ (she. www.gppa.de Stand 20.3.2008) zu tun
Das kann doch alles nicht wahr sein. Verbände werden gegründet – alles natürlich nur zum Wohle des Deutschen Pokersports, Turnierveranstalter und Vereine keilen sich um Sponsoren und versuchen mit jedem schmutzigen Trick den unmittelbaren Konkurrenten vielleicht den einen oder anderen Spieler abzuluchsen. Glaubt Ihr wirklich noch daran, dass die Turnierveranstalter alles nur aus Nächstenliebe machen? Sie ständig auf der Suche nach Sponsoren sind, damit Euch attraktive Preise zu Gute kommen? Die christliche Nächstenliebe wird nur gepredigt, nicht gelebt! Auf der Strecke bleiben immer die paar wenigen, die sich um ihre Spieler bemühen. Auch die Casinos beginnen, den Pokergast nicht als Selbstverständlichkeit anzusehen, sondern als jemanden, um den man sich bemühen muss. Doch Undank ist der Welten Lohn! Kritik, und wenn es dabei um die Farbe des Klopapiers geht, ist angesagt. Turniere werden ausgeschrieben und sofort verbucht das Gehirn dieses Event unter „Casino? Uninteressant!“ Das ist die Pokerwelt, die Deutschland haben möchte?
Interessant finde ich aber auch die Differenzierung zwischen Turnierveranstalter und Casino. Ein Casino, das ein 20Euro Turnier veranstaltet, wird zumeist gar nicht Ernst genommen. Es muss schon ein höheres Buy-In sein, denn dann kann man zumindest über „horrende Beträge“ jammern. Turnierveranstalter, die ein 20Euro Turnier veranstalten, müssen schon ein Deepstack Turnier bieten, denn sonst greift man doch wieder auf die alt bewährten 15 Euro Sit&Gos zurück, die sind ja wenigstens schnell erledigt.
Jetzt mal Klartext, liebe Pokerspieler. Was wollt ihr?
- Casinos, die Turniere mit kleinen Buy-Ins veranstalten? Nein, da geht Ihr lieber zum Turnierveranstalter!
- Casinos, die Turniere mit mittleren bis hohen Buy-Ins veranstalten? Nein, da findet Ihr die Beträge zumeist sogar unverschämt!
- Casinos, die No Limit Hold’em ab Blinds 1/2 anbieten? Nein, weil da ist die Rake schon wieder zu hoch!
- Turnierveranstalter, die Euch Deepstack Turniere mit ansprechenden Strukturen und netten Preisen bieten? Nein, weil da ist das Buy-In zu hoch und die Spieldauer viel zu lange!
- Turnierveranstalter, die Sit&Gos mit einem Multi Table Finale veranstalten? Nein, weil da sind ja die Strukturen unspielbar!
- Vereine, die tatsächlich nur um des Spielens Willen pokern? Nein, denn eine Gewinnaussicht muss schon da sein!
Liebe Pokerspieler, mit deutscher Gründlichkeit sagt Ihr „Nein“ zu allem, was Euch angeboten wird. Nichts kann man Euch recht machen und Schuld sind dann oben drein die Behörden, die sich mit unglaublicher Willkür dann die Realität, die sie gerne hätten, zurecht rücken.
Noch immer gibt es zahlreiche mehr oder minder seriöse Turnierveranstalter, die sich über regen Zustrom jammernder Pokerspieler freuen. Selektiert wird erst, wenn es die versprochenen Preise nicht gibt oder man plötzlich Zuschriften von Firmen erhält, mit denen man noch gar nichts zu tun hatte, die aber Werbepartner des Veranstalters sind. Oh ja, die meisten Turnierveranstalter haben sich weiterentwickelt und gelernt – das Horst Koch’sche Schema „Mit kleinst möglichem Aufwand und keinen Rechten für die Beteiligten das Maximum herausholen.“
Die Casinos verlieren zusehends an Boden, den sie noch nicht gewonnen hatten. Viele bemühen sich, den Pokerspielern ein wenig entgegenzukommen. Wäre da nur nicht ein fast eiserner Vorhang zwischen ihnen und den Spielern.
Die Behörden sind zwar immer die Buhmänner, aber auf jeden Fall die Gewinner. Mit Steuern, Anzeigen und Überfallkommandos versucht man die Veranstalter in die Knie zu zwingen. Leider gelingt das zumeist bei den falschen Anbietern. Denn alles, was einen professionellen Internet-Auftritt bietet, fällt bei den Behörden schon unter „Seriös“. Leidtragende sind oft genug kleine Turnieranbieter, die versuchen, mit wenigen Mitteln viel zu bieten.
Ein aufkeimendes, gesundes Misstrauen gegenüber so manch einem unseriösen Anbieter wurde bereits wieder erstickt. Wie die Lemminge lauft Ihr wieder den verlockenden Angeboten nach, um am Ende enttäuscht zurückzukehren.
Liebe Pokerspieler, fangt an zu denken! Unterscheidet zwischen Gut und Böse und lehnt Euch gegen Widrigkeiten auf. Aber bitte gegen solche, die real sind und nicht in Euer subjektives Wahrnehmungsgefühl fallen. Sonst wird der Pokerboom bald wirklich vorbei sein.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.03.2008.