Es ist schon ein Kreuz. Vor zwei oder drei Jahren konnte man es sich in schlecht beheizten Räumen halbwegs gemütlich machen, ein wenig Online-Poker spielen und dabei relativ locker hübschen Gewinn einfahren. Doch die Zeiten haben sich geändert. Aus der Minenlandschaft des Online-Poker will ich Euch in nächster Zeit im Wochenrhythmus berichten und damit dem Wunsch der Redaktion (und einiger Leser…) nachkommen. Die meisten von Euch kennen mich ja von der Hand der Woche, der Kolumne, die ich jüngst eingestellt habe.
Vielleicht ein paar persönliche Worte der Vorstellung vorab. Begonnen habe ich mit Poker vor gut fünf Jahren und zunächst spielte ich wie viele andere Limit Hold’em. Meine Bankroll baute ich mir dann vor allem mit Sit `n Gos auf, weiß allerdings heute nicht mehr, wie ich diesen Stumpfsinn solange ausgehalten habe. Irgendwann entdeckte ich das Cashgame und habe damit meine „Bestimmung“ gefunden. Mittlerweile spiele ich auf Full Tilt und bin seit der Einführung des Rush Poker Stammgast auf den höchsten Limits, die dort angeboten werden. Rush Poker ist ideal für mich, ich spiele täglich die Happy Hours und gelegentlich auch mal zu anderen Zeiten.
Als Rollator dient mir quasi der PokerTracker, ohne dessen Hilfe ich den beschwerlichen Weg durch die Limits nicht geschafft hätte. Derzeit spiele ich trotz vorhandener Bankroll für mehr vor allem 1 $/2 $ NLHE, manchmal auch PLO. Beim Pokern geht es mir weniger um Geld, sondern um den strategischen Reiz – um Michael Keiner zu zitieren, betrachte ich meine Bankroll als Leistungsnachweis. Zwei Jahre habe ich beim iPoker-Netzwerk nur 2 $/4 $ und höher gespielt, aber als ich jede Eigenheit meiner Gegner (davon gibt es dort in diesen Gefilden nicht viele) allesamt kannte (und die meine), verlor ich die Lust.
Die Idee dieses Tagebuch besteht darin, ein wenig aus meiner Praxis zu berichten, ein paar spannende Hände zu präsentieren und Euch sonstiges Zeug zu erzählen, das halbwegs interessant sein könnte. Fühlt Euch ermuntert, via Kommentarfunktion Wünsche zu äußern, ggf. zu mosern, meinetwegen auch zu flamen…
Nun aber endlich zum eigentlichen Thema. Der März läuft bislang recht passabel, mit aktuell 7 BB/100 Hände ist alles im tiefgrünen Bereich. Nach über 300.000 Händen Rush Poker ist es mir sogar gelungen, meinen tatsächlichen Gewinn bei All-Ins über die Linie des Erwartungswerts zu befördern, nachdem ich ewig darunter lag, die Pokergötter es also eher schlecht mit mir meinten. Klassisches Zeichen für Upswing also, auf dessen Ende ich schon warte und täglich mit einem Einbruch rechne.
Vielleicht noch ein generelles Wort zu Swings. Bei derzeit 2.500 bis 3.000 Händen pro Tag schwanken meine Ergebnisse zwischen 10 Stacks Plus und 10 Stacks Minus. Vor allem Letzteres ist ziemlich anstrengend und bevor ich das ausgezeichnete Buch von Dusty Schmidt gelesen habe, habe ich sicher noch ein oder zwei Stacks hinterher geworfen, wenn es mies lief. Bekommt man dies in den Griff, wirkt sich das natürlich sehr positiv auf die Gewinnquote aus. Gut, ein Zen-Buddhist wird sicher nicht mehr aus mir, aber die Anschaffung der letzten Maus ist schon eine Weile her…
Zum Abschluss in dieser Woche möchte ich Euch noch eine Hand präsentieren, die mir am Tisch viel Kopfzerbrechen bereitet hat. Ich (Stack: 309,20 $) habe 7 7 und raise aus mittlerer Position auf 6 $. Alle folden, aber ein Spieler namens Godmother (Stack: 349,50 $) reraist im Big Blind auf 19 $. Von ihm habe ich zwar nur 76 Hände, aber in diesen hat er mit 58/42 und einer 3-Bet-Quote von 19 imponiert und sich damit als einer der wenigen Maniacs geoutet, die man noch antrifft.
Meine Hand liegt damit gegen seine Range klar vorne, doch kann es mit einem mittleren Pocket gegen einen solchen Spieler nach dem Flop ziemlich ungemütlich werden. Ich calle und der Flop bringt bei 39 $ im Pot 7 6 3 .
Wenig überraschend hämmert Godmother von vorne Pot, also 39 $, in die Mitte. Gegen einen anderen Spieler würde ich mit Top Set nun wegen des Flush Draws raisen – einerseits um zu protecten und andererseits, um diesen zu repräsentieren, doch gegen diesen Spieler gefällt mir ein Call besser, weil er dann weiter bluffen kann. Ich calle also und es sind 117 $ im Pot.
Der Turn bringt mit dem J eine ziemlich unerfreuliche Karte, die einem normalen Gegner entweder den Flush bringt oder die Action abtötet. Godmother checkt und ich spiele 60 $ als Value Bet an. Es dauert keine Sekunde, da wandert Godmothers Stack mit seinen restlichen effektiven 251,20 $ in die Mitte. Ich bekomme etwa Pot Odds von 2 zu 1, es ist aber extrem schwer, diesen Spieler auf eine Hand zu setzen. Er kann komplette Luft, einen Flush mit 9 2 , ein Set, Two Pair oder ein Overpair haben. Letztlich kann ich gegen diesen Spieler nicht folden, daher calle ich und bekomme seine J 3 zu Gesicht.
Der River bringt das A und der Pot geht an mich. Eine Hand, die wieder einmal zeigt, dass die letzten Maniac-Mohikaner wirklich alles haben können.
So viel für diese Woche, gutes Blatt und gute Entscheidungen!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 14.03.2011.