Wie üblich hatte ich gestern zur Mittagszeit meine Session auf Full Tilt begonnen, als um 12.22 Uhr ohne Ankündigung alle Tische aufgelöst wurden und auch die Homepage von Full Tilt nicht mehr zu erreichen war. Vermutete ich zunächst blauäugig, dass es sich um ein technisches Problem handelte, hatte ich wenig später die Gewissheit, was wirklich geschehen war.
Für mich ist der Lizenzentzug in mehrerer Hinsicht eine Katastrophe. Seit knapp zwei Jahren hatte ich meine Internetpokerei komplett auf Full Tilt absolviert, dort den Großteil meiner Bankroll liegen und bei anderen Anbietern keine satisfaktionsfähigen Beträge mehr. Zwar habe ich seit dem Black Friday mehrfach das Tages- und Wochenmaximum für Auszahlungen ausgeschöpft, doch liegt dort immer noch genug Geld, dass meine Bankroll ruiniert wäre, wenn jetzt das passiert, was zu befürchten steht.
Für Full Tilt ist der gestrige Tag das Ende, ganz gleich, ob die Seite noch mal ans Netz geht. Sobald dies geschieht, kommt jeder auf die Seite und klickt auf „Withdrawal“, um zu retten, was zu retten ist. Das wird bei mir nicht anders sein.
Wäre mein hart erarbeitetes Geld futsch, bedeutete dies auch das Ende meiner Online-Karriere und damit meiner Zeit als Pokerprofi. Ich glaube nicht, dass ich noch einmal die Kraft, die Motivation und das Vertrauen hätte, mich durch die Limits zu grinden. Mit Rush Poker hatte ich die für mich ideale Form gefunden, die durch den Absturz von Full Tilt natürlich zumindest vorläufig auch perdu ist.
Völlig unbegreiflich ist für mich das Verhalten der FTP-Bosse. Warum halten angeblich so ehrenwerte Männer wie Howard Lederer und Chris Ferguson so konsequent die Fresse und scheinen das Interesse an ihrem Baby so komplett verloren zu haben? Die Vorstellung, dass die Besitzer mit der Knete der Spieler über alle sieben Berge sind, drängt sich förmlich auf.
Auf meinem imaginären Grabstein für Full Tilt wird folgende Hand stehen, die ich gestern kurz vor dem Exitus absolviert habe und die für mich große Symbolkraft besitzt. Sie zeigt, warum Poker ein tolles Spiel ist, warum die Partien auf NL400 so interessant und herausfordernd sind und warum ich mich gern mit den anderen, äußerst gefährlichen Regulars weiter gemessen hätte.
Die effektiven Stacks betragen 400 $, alle Spieler folden zum Button, der auf 8 Dollar raist. Bei ihm handelt es sich um einen kreuzgefährlichen Regular aus Deutschland, der in LP immer Minimum-Raises bringt. Ich habe im BB K J und entscheide mich für einen Call. Ein Reraise wäre auf jeden Fall nicht schlechter, da ich gegen seine Range klar vorne liege, doch will ich ohne Position gegen einen solch starken Gegner nicht unbedingt einen großen Pot aufbauen.
Der Flop bringt 8 10 J und wie erwartet bringt der Button die Continuation Bet mit 14 $. Ich calle und der Turn bringt mit der 2 eine totale Blank. Ich donke unorthodox 28 $ und mein Gegner callt zu meiner Überraschung. Entweder hat er eine marginale Hand, einen Draw oder er plant auf dem River einen Bluff.Der River bringt den J und ich setze weitere 60 $. Nach längerem Nachdenken raist mein Gegner auf 169 $, ich calle und er zeigt 3 9 für den geplatzten Straight Draw.
Das war’s dann wohl und dies vermutlich meine letzte Hand auf Full Tilt Poker. Wer weiß, ob ich die für mich recht neue OOP-Line – Check-Call Flop, Donk Bet Turn, Bet River – noch einmal zur Anwendung bringen werde.
Euch allen wünsche ich allzeit gute Hände
Euer Alex Moro
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 30.06.2011.