Dies ist ein Auszug aus dem D&B-Buch “Hold’em On The Come: Limit Hold’em Strategy For Drawing Hands” von Rolf Slotboom und Dew Mason. Weitere Informationen finden Sie auf Rolfs eigener Seite www.rolfslotboom.com oder der Seite des Verlags, www.dandbpoker.com.
Hand 1: Middle Pair plus Nutflush-Draw – was tun?
Während ich kürzlich auf den Start der großen PLO-Partie wartete, spielte ich $10-$20 Limit Hold’em. Ich geriet mit einem aggressiven und kreativen Spieler, der mich nicht besonders mag, aber mein Spiel respektiert und fürchtet, in eine Hand. Im Cutoff nahm ich As 9s auf. Nach drei Callern würde ich oft für Value raisen, da aber der tighte Spieler UTG mit einem höheren Ass oder einer anderen starken Hand hätte limpen können, wollte ich den Pot an dieser Stelle nicht zu groß werden lassen. Ich callte, der Button und der SB foldeten und der Big Blind, der aggressive und kreative Spieler, raiste. Alle, inklusive mir, callten. Fünf Spieler im Pot, der $105 betrug.
Damit dieser Spieler aus dem Big Blind raist, nachdem UTG und ich in der Hand waren (wie gesagt, er respektiert und fürchtet mich), benötigte er mindestens AQ, aber eher AK oder ein großes Paar. Als der Flop Q94 mit zwei Pik kam, und er ausbettete, war ich mir ziemlich sicher, er hatte mindestens ein großes Paar – eine Hand, mit der er mein Middle Pair + Nutflush-Draw schlug.
Nachdem alle drei anderen Spieler die Bet gecallt hatten, war ich an der Reihe. Was war die beste Vorgehensweise? Callen, da ich augenblicklich hinten lag, oder raisen, da ich einen Premiumdraw hielt und ausgezeichnete Odds bekam? Das war natürlich eine leichte Entscheidung: Ich raiste. Nach meinem System zum Zählen von Outs hatte ich wahrscheinlich neun klare Outs für den Flush (solange der BB nicht Top Set hielt, was aber unwahrscheinlich war) plus möglicherweise weitere drei oder vier Outs, um mich auf zwei Paare oder mehr zu verbessern. Alles in allem ging ich von etwa 12 Outs aus. (In diesem Fall hoffte ich, der BB hielt KK statt des etwas schwächeren AQ, da ich mehr Outs hätte: Ein Ass auf dem Turn würde mir die beste Hand bescheren statt viel Geld zu kosten.) Ich raiste, der BB reraiste, zwei der ursprünglichen Caller gingen erneut mit und ich cappte. Die Potgröße nach dem Flop betrug $275.
Um es kurz zu machen, auf dem Turn traf ich eine dritte Neun, wurde sowohl auf dem Turn, als auch dem River von zwei Leuten gecallt, und meine drei Neunen waren gut. Als mir der Dealer den Pot zuschob, zeigte der BB seinem Nachbarn seine Karten und sagte: “Guck mal, wieviel Glück er hatte. Ich wusste, er hatte einen Flushdraw, dann bringe ich ihn dazu, das Maximum zu bezahlen, aber es wird nicht belohnt. Fair ist das nicht.”
Was dieser Spieler vergaß, war, dass er zwar die beste Hand hielt, als das Geld in die Mitte ging, ich aber theoretisch Geld gewann. Ich benötigte nur 25% Pot Equity, damit meine Bets eine positive Erwartung hatten. In diesem Fall würde ich den Pot gegen die drei Gegner wahrscheinlich in mehr als 40% der Fälle gewinnen. Das bedeutete, ich war bereit, so viele Chips wie möglich in den Pot zu tun (solange die beiden anderen Spieler ebenfalls mitgingen), obwohl ich wusste, dass ich augenblicklich hinten lag. Jede Bet brachte mir theoretisch Geld. Während mein Gegner die korrekte Entscheidung traf, auf dem Flop zu reraisen (mit einer Hand wie AQ oder KK hatte er wahrscheinlich etwa 30-35% Pot Equity und musste die anderen für das Privileg, ihre Draws zu verfolgen, bezahlen lassen), vergaß er, dass ich ebenfalls Odds zu meinen Gunsten hatte. Wir beide machten in dieser Hand theoretisch Geld, auf Kosten der anderen beiden Spieler.
Hand 2: Fast die gleiche Situation, sollte man genauso spielen?
Interessanterweise hatte ich 30 Minute zuvor eine sehr ähnliche Hand. Wieder saß ich im Cutoff und hatte A8s nach zwei schwachen Callern. Diesmal entschied ich mich für einen Raise auf $20. Der Big Blind callte und vier Spieler sahen den Flop.Der Pot betrug $85.
Der Flop kam J64 mit zwei Pik, ich hatte also ebenfalls den Nutflush-Draw. Es wurde zum dritten Spieler gecheckt, einem jungen Mann, der unerfahren wirkte und der leicht zu lesen war. Bis dahin hatte er nie selbst gebettet und sehr passiv gespielt, jetzt konnte er es aber gar nicht abwarten, die Chips in die Mitte zu bekommen. In seiner Nervosität beförderte er nicht weniger als vier $10-Chips in den Pot, obwohl das Einsatzlimit natürlich bei einem $10-Chip lag.
Es ist oft normal, in Position mit dem Nutflush-Draw als Semibluff zu raisen, um möglicherweise eine Freecard auf dem Turn zu bekommen (und vielleicht zwei weitere Outs zu haben, wenn derjenige, der ausgebettet hat, einen Buben hält, und man mit einem Raise ein höheres Ass zum Folden bringt). In diesem Fall callte ich bloß. Ich war mir ziemlich sicher, der junge Spieler hatte ein Monster, und ich war mir gleichfalls sicher, ein Raise würde a) die beiden anderen Spieler ihre Hände folden und b) meinem Gegner die Möglichkeit eines Reraises wahrnehmen lassen. Da dies beides schlecht für meine Erwartung war, wählte ich den Spielzug, den viele “gute” Spieler als weak-tight bezeichnen würden. Ich callte bloß und hoffte nur darauf, ausbezahlt zu werden, wenn ich meine Hand treffe.
Auf dem Turn callte ich wieder seine Bet, und als ich durch einen dritten Pik auf dem River die Nuts bekam, bettete der junge Mann erneut, ich raiste, er reraiste und ich rereraiste, bis er schließlich callte. Ich hatte ihn dazu bekommen, mich auszubezahlen, als ich seine offensichtliche gute Hand überholt hatte. Dabei hatte ich die Kosten niedrig gehalten und die Tatsache ausgenutzt, dass er die Flush-Möglichkeit nicht unbedingt direkt erkennen würden.
In der ersten Hand hatte ich dagegen das Gegenteil gemacht. Ich hatte so viel wie möglich geraist, obwohl ich wusste, dass ich hinten lag. Gleichzeitig aber wusste ich, dass meine Investitionen, bevor ich die fertige Hand hatte, lohnenswert waren.
Fazit
Was ist der Punkt des Ganzen? Man sollte immer mehr Faktoren beachten als nur die Anzahl der Outs. Man sollte berücksichtigen, was die Gegner wahrscheinlich halten und wie sie reagieren werden, sowohl jetzt, als auch auf späteren Straßen. So sollte man herausfinden, wie man seine Investitionen minimieren und seine Gewinne maximieren kann, um den Spielzug mit dem höchsten Erwartungswert zu machen.
Rolf Slotboom
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.05.2008.